Mythologie & Weltgeschichte » Was ist ein Mythos ?
#1

Was ist ein Mythos ?

in Mythologie & Weltgeschichte 13.05.2010 04:29
von Adamon • Nexar | 15.455 Beiträge

Aus: http://www.die-goetter.de/was-ist-ein-mythos

Definition Mythos

Was ist ein Mythos - im Unterschied zu Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben

Mythen, Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben werden heutzutage oft in einem Atemzug erwähnt. Und der Tat haben Mythos, Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben eine Gemeinsamkeit:

Sie erzählen Geschichten, in denen ein rätselhaftes, oder mindestens besonders interessantes Geschehen plausibel (so hoffentlich), mindestens aber anschaulich erklärt wird.

Die Unterschiede zwischen Mythen, Märchen, Sagen, Legenden und Aberglauben über diese Gemeinsamkeit zu vernachlässigen, wäre aber schade.

Denn Mythen bringen tief verwurzelte existentielle Fragen eines Menschenlebens auf den Punkt, ja überhaupt erst in die Frage. Während Märchen, Sagen etc. mehr die Kultur einer bestimmten Region, Gegend, eines bestimmten Volkes, einer bestimmten Moral (z.B. der christlichen - wie die uns bekannten Volksmärchen) be-bildern.

Ein viel kleineres Kaliber - und eher für noch kleinere Kinder, denn für Menschen, die schon mitten in den Krisen ihres Lebens stehen.
Mit Mythen erschaffen Menschen - sich selbst

Mit Mythen haben sich Menschen ihre Kultur erschaffen. Schon die ersten Bilder, die Menschen an Höhlenwände malten, waren magischer Natur. Sie zeigten das Selbstverständnis des Menschen.

Die ersten Wörter, die niedergeschrieben wurden, besangen die Götter und schufen den Wortmythos, der uns überliefert ist. Man kann sagen: Kultur ist Mythos.

Sagen hingegen und Legenden beziehen sich zumeist auf lokale Besonderheiten einer Landschaft oder einer Stadt.

Zum Beispiel - die Sagen rund um den Brocken / Hexentanzplatz im Harz oder der Lorelei-Felsen am Rhein.

Die renommierte britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong beschreibt in ihren Büchern die Geschichte des Mythos von seinen Anfängen bis in die Gegenwart.

Was ist ein Mythos?

Die Frage stellt Karen Armstrong natürlich auch an ihre Leser. Und beantwortet sie mit folgender Definition:
Definition Mythos

Ein Mythos beschreibt ein ganz besonderes Ereignis. Er berichtet in Form eines Kunstwerkes von etwas, das zu erzählen sich lohnt und verdichtet es zu einer Geschichte, die den Menschen berührt.

Menschen suchen Momente der Ekstase. Momente, in denen sie sich tief berührt und vorübergehend über sich selbst hinausgehoben fühlen.

Ja, in Verzückung sollte ein Mythos Menschen bringen, selbst angesichts des Todes und der Verzweiflung, in die ihn die Aussicht auf Auslöschung stürzen mag. Leistet ein Mythos das nicht mehr, so hat er sich überlebt und stirbt.
Mythos - den Menschen über sich hinausheben

Diese Aufgabe, Menschen über sich hinaus zu heben, kann ein Mythos nur erfüllen, wenn er sich mit den Lebensumständen der Menschen verändert. Die Götter der Alten Ägypter, Griechen, Römer oder auch der christliche Gott mögen für uns interessant und auch lehrreich, vielleicht auch sympathisch sein. Sie sind nicht mehr unsere. Sie haben ihre erschütternde Kraft verloren.

Aber wie? Wodurch? Und wie müssten Götter und ihre Mythen beschaffen sein, dass sie uns Heutige berühren, erschüttern, über uns hinauswachsen lassen?

Kunstwerke müssten es sein. Gewiss. Doch nicht jedes Kunstwerk ist ein Mythos. Zu einem Mythos wird ein Kunstwerk, wenn es nicht nur ein einmalig stattgefundenes Ereignis beschreibt, sondern ein Gleichnis für einen Vorgang ist, der sich in jedem Menschenleben abspielt.
Mythos Beispiel Theseus

So zum Beispiel der Mythos des griechischen Helden Theseus. Theseus hat sich die Aufgabe gestellt, den Minotaurus im Labyrinth von Kreta zu besiegen. Sodass nicht mehr - wie bisher jedes Jahr sieben athenische Jungfrauen und Jungmänner ihn zum Fraße ausgeliefert werden müssen.

Der Mythos von Theseus beschreibt die Auseinandersetzung mit den eigenen, noch unerkannten Trieben, der sich ein besonders ein junger Mensch unvermeidlich stellen muss. So er erwachsen werden und Verantwortung (Theseus wird König von Athen) übernehmen will.

Worin das Gleichnis für den Menschen besteht, sagt der Mythos meist nur zwischen den Zeilen - und eben darin liegt seine Wirksamkeit und orientierende Kraft für die Menschen. Der Grund, ihn weiter und weiter und immer wieder auf´s Neue zu erzählen:

Das eigene Leben in einem größeren Muster zu sehen, verstehen und sich an diesem Muster (statt z.B. an tagtäglichen Sorgen, Nöten und Lüsten) zu orientieren.



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#2

RE: Was ist ein Mythos ?

in Mythologie & Weltgeschichte 13.05.2010 04:34
von Adamon • Nexar | 15.455 Beiträge

"Mythos der Menschheit":

Heldenreise, Kundalini und die Sonne-Mond-Metapher waren in Sumer, Ägypten, Griechenland, Indien, China und auch in Amerika - bei einigen indianischen Stämmen bekannt und wurden in eindringlichen Bildern - auf Stelen, Wandmalereien und in Tempeln wunderbar beschrieben.

Die große Frage, die Campbell sich und seinen Lesern stellt ist: Wie kam es, dass dieses Wissen, vor allem aber die Kraft dieses Wissens (im Sinne von Gewissheit) verloren gehen konnte.

Eine Antwort die er findet ist die eingangs erwähnte doppelte Funktion der Mythen. Mythen wie die eben beschriebenen zeichnen die existentiell orientierende Funktion für das Leben-Können des individuellen Menschen aus.

Die zweite Funktion, die Mythen seit alters her hatten, war die der sozialen Orientierung. Hier wurde - ebenfalls in allen Kulturen - zwischen Freund - denen die zur Gemeinschaft, Staat, zur Polis etc. gehörten, und den Feinden da draußen unterschieden.

Hier waren Menschen, für die Antworten auf alle menschlich existentiellen Fragen gefunden wurden, damit das Überleben der Gruppe, Gemeinschaft überhaupt möglich war.
Dort draußen aber waren Fremde, die nicht als Menschen angesehen wurden. Fremde, die getötet und versklavt werden durften und auch mussten, damit die Mitglieder der Gemeinschaft ihr Leben sichern konnten.
Campbell: Die Beschränkung des Mythos macht auch das Wahre falsch

Diese zweite Funktion des Mythos - die Grenzziehung nach außen, die zugleich das soziale Innen regelt, hielt sich viele Jahrtausende (paradigmatisch: Ägypten) in Grenzen - zumindest soweit, dass die erste Funktion entwickelt werden konnte.

Erst mit dem Zeitalter des Monotheismus - dem, was man im engeren Sinne erst als Religion bezeichnet - und streng genommen auch nur im Einflussbereich der dann entstehenden drei großen monothistischen Religionen - trat eine plötzliche Veränderung ein.

Die lokal beschränkten Beschreibungen im Mythos wurden dominant. So dominant, dass sie die elementaren - für alle Menschen gültige - brutal verdrängten. Wer ist Freund und wer Feind - war nun die Frage. Heldenreise, Kundalini und Sonne-Mond-Balance - damit auch die Vergegenwärtigung des Todes - wurden verdrängt.

Die wesentlichen, existentiellen, persönlichen Fragen, für die soziale Regelungen eigentlich nur einen schützenden Rahmen bieten sollen - wurden verdrängt - in den Dringlichkeiten des auf Feindlichkeit abgestellten Überlebenskampfes der neuen Völker.
Campbell: Erdrückende soziale Funktion des Mythos

Menschen, die auf das Bekämpfen von Feinden fixiert sind, sind nicht mehr in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern. Menschen, die sich selbst nicht mehr wichtig nehmen, verkümmern schneller als sie es selbst bemerken, zu leblosen Robotern eines sozialen Systems, das im Wesentlichen auf Eroberung und Verteidigung hin organisiert ist. Angriff - Gegenwehr - die Spirale dreht sich.

Mit den abgestorbenen Menschen wird auch das soziale System immer rigider, formaler und oft genug brutal. Nachzulesen in der Bibel.

Mit der Praxis von Heldenreise, Kundalini und Sonne-Mond-Balance gerieten auch die Mythen in Vergessenheit, die sich um das Reifen das Menschen zu einem göttlichen Wesen gedreht hatten.
Campbell: Der Anfang eines neuen Mythos

Der Kreislauf des Vergessens und damit des Zerfallens von Lebensmöglichkeiten hat inzwischen immerhin seinen Höhepunkt (2. Weltkrieg) und Ende (Ost-West-Konfrontation) gefunden. Das alte Wissen, wie menschliches Leben funktionieren und gelingen kann, ist zwar weitgehend vergessen, aber nicht verloren gegangen.

Um heute daran anknüpfen zu können, kann man natürlich nicht das Geschichte zurückdrehen. Immerhin hatten das alte Wissen immer schon den Keim des kardinalen Fehlers der Isolation in sich getragen.

Reinigen, sondieren, neu anfangen, muss jeder Mensch selbst - und bei sich anfangend. Aber - so Campbell - ein neuer Mythos, der die ganze Menschheit umfasst, könnte den verstreuten Einzelkämpfer eine gemeinsame Orientierung geben.

Als mögliche Lösung zeichnet Campbell einen Mythos der Zukunft - der jedem Menschen wieder Orientierung gibt, aber die Beschränkung auf eine Gemeinschaft, ein Volk etc. überwunden hat.

Ebenso wie ein solcher Mythos die unsinnige Behauptung eines allwissenden Gottes nicht mehr nötig hätte. Wir wissen es heute besser.

Erfinden oder gar verordnen - so Joseph Campbell - kann einen solchen Mythos der Menschheit - niemand. Er ist schon im Erstehen und könnte vielleicht das Bild der Erde vom Mond aus gesehen als Metapher verwenden. Verdichtet, erzählbar, sodass er seine Funktion als Lebensorientierung wieder übernehmen kann, ist er noch nicht. Dies zu tun ist die Aufgabe der Künstler dieser Erde.



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#3

RE: Was ist ein Mythos ?

in Mythologie & Weltgeschichte 29.10.2014 06:02
von Adamon • Nexar | 15.455 Beiträge

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