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Walter Benjamin:

in Die man Philosophen nennt. - 27.05.2015 02:27
von Adamon • Nexar | 15.454 Beiträge

http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Benjamin

Walter Bendix Schoenflies Benjamin (15. Juli 1892 in Charlottenburg − 26. September 1940 in Portbou) war ein deutscher Philosoph, Literaturkritiker und Übersetzer der Werke von Balzac, Baudelaire und Marcel Proust.

Benjamins philosophische Lehrjahre galten neben dem Studium Kants und des Neukantianismus sowie intensiver Beschäftigung mit der Literatur der deutschen Romantik, deren Ergebnisse in seiner Dissertation Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik vorliegen, vor allem der Auseinandersetzung mit jüdischer Religiosität, die ihm in der Freundschaft mit Scholem nahekam.

Durch die emphatische Beziehung der Philosophie auf die Sprache versuchte Benjamin, den herrschenden naturwissenschaftlich orientierten Erkenntnisbegriff derart umzubilden, dass dieser wieder der Erfahrungen der Theologie mächtig werde.

In den zwanziger Jahren verschob sich die Thematik der Texte Benjamins immer stärker von sprachphilosophischen Gegenständen auf solche der Ästhetik, so mit den Abhandlungen Goethes Wahlverwandtschaften und Ursprung des deutschen Trauerspiels. Nachdem der letztgenannte Text als Habilitationsschrift von der Frankfurter Universität zurückgewiesen worden war, widmete er sich mit Vorrang literaturkritischen Arbeiten. In dieser Wendung drückt sich der antiidealistische, gegen philosophische Systematik überhaupt gerichtete Charakter seines Denkens aus, dessen Intention aufs Konkrete den Werken von Ernst Bloch, Franz Rosenzweig und Florens Christian Rang verwandt ist.

Zunächst zögernd, seit Anfang der dreißiger Jahre immer entschiedener, vertrat Benjamin die Positionen des dialektischen Materialismus. In dieser letzten Phase fanden seine Freundschaften mit Adorno und Brecht einen produktiven Niederschlag. Seine marxistischen Schriften enthalten theologische Motive, vorab solche des jüdischen Messianismus, dies betrifft auch seine Konzeption einer „Dialektik im Stillstand“. Mit dieser Konzeption, die sich den offiziellen Versionen der Dialektik als universaler Vermittlung nie beugte, beschreibt Benjamin seine Anschauung der sich im Fluss befindlichen Geschichte: Aus den isolierten Details lasse sich die Physiognomie der Wahrheit entziffern.

Das Insistieren auf der einzelnen Person, dem einzelnen Daseienden, macht das Spezifische von Benjamins Philosophie aus. Der Autor hat dies in verschiedenen literarischen Formen gestaltet: In der Einbahnstraße (1928) bediente Benjamin sich des Aphorismus, in Deutsche Menschen. Eine Folge von Briefen (1936) des Kommentars zu überlieferten Texten, in der Berliner Kindheit um neunzehnhundert (1934) der autobiographischen Skizze. Die Form einer surrealistischen Zitatmontage hatte er zeitweilig der unvollendeten Studie über die Pariser Passagen zugedacht, einer Geschichtsphilosophie des 19. Jahrhunderts, an dem Benjamin seit 1927 arbeitete und das als Hauptwerk geplant gewesen war.

Bei allem Wandel von Methode und Gegenstand, der sich in Benjamins Œuvre dokumentiert, bewahrt es doch seine Kontinuität. Es versucht auf allen Stufen sich von der Hegemonie des Allgemeinbegriffs zu lösen und der Vergötterung des Wesens gegenüber dem Unwesentlichen, des Bleibenden gegenüber dem Vergänglichen und Nichtigen Widerstand zu leisten.

Positiv möchte Benjamin dem von der Philosophie immer Vergessenen, dem Unwiederholbaren, intentionslosen Konkreten gerecht werden, es, wo möglich, „retten“. Wichtige Einsichten in Benjamins Denken verdanken sich der Kritik vorliegender Theoreme. Im Gegensatz zu dem positivistischen, an den Einzelwissenschaften orientierten Modell von Philosophie opponiert die benjaminsche Philosophie gegen die ubiquitäre Verdinglichung der Sprache zum bloßen Zeichensystem; ihre Erkenntnistheorie, die wesentlich Sprachphilosophie ist, will das in Begriffen nicht Fixierte, überhaupt begrifflich nicht Fixierbare dennoch einholen.

Anders aber auch als die neueren Ontologien, die unabhängig von wissenschaftlicher Verpflichtung zu ausweisbarer Wahrheit das Sein selber ausdenken zu können beanspruchen, ist der Philosophie Benjamins das Bewusstsein wesentlich, dass keine ewigen Wahrheiten existieren. „Entschiedene Abkehr vom Begriffe der ‚zeitlosen Wahrheit‘ ist am Platz. Doch Wahrheit ist nicht – wie der Marxismus es behauptet – nur eine zeitliche Funktion des Erkennens, sondern an einen Zeitkern, welcher im Erkannten und Erkennenden zugleich steckt, gebunden. Das ist so wahr, dass das Ewige jedenfalls eher eine Rüsche am Kleid ist als eine Idee“.[10] Das Besondere, Nichtbegriffliche erweist sich als Substantielles nur, wo es in Konstellationen mit dem Allgemeinen, als ein gesellschaftlich Vermitteltes aufgesucht wird.

„Ausdruck“ ist Benjamin zufolge dasjenige Medium, in dem Sprache über die bloße Signifikation hinausgeht; Sprache als Ausdruck ist – in Benjamins theologischer Terminologie – der Versuch, den „Namen“ zu nennen; ein Versuch, der am ehesten noch in der Kunst hin und wieder gelungen ist. In den Kunstwerken sind Wahrheitsgehalt und Sachgehalt unlöslich aneinander gebunden; Wahrheit gelangt durch sie zur Erscheinung, darin liegt die Provokation der Kunst für die Philosophie, der Benjamin sich immer wieder mit ästhetischen und kunstsoziologischen Arbeiten gestellt hat.

Ein wichtiger Beitrag zur Theorie der Fotografie ist der 1931 erschienene Aufsatz Kleine Geschichte der Photographie von Benjamin. Er greift darin die lang geführte Diskussion auf, ob Fotografie überhaupt Kunst sei. Fotografie lasse sich nach Benjamin aber nicht mit einem „antitechnischen Begriff von Kunst“ analysieren. Er möchte Fotografie als Kunst vor allem vor dem Hintergrund von Technik und seiner Entwicklung verstehen.[11] Anlass für den Aufsatz waren einige Veröffentlichungen zur historischen und zeitgenössischen Fotografie. So stellt er auch die Eigenheiten der neuen Technik an frühsten Fotografien heraus. Diese besaßen einen magischen Wert, den ein gemaltes Bild nicht unbedingt erreichen könne.[12] Auch wird in dem Aufsatz bereits der Begriff der Aura erläutert, der später im Kunstwerkaufsatz von Benjamin eine exponierte Rolle spielt. Aura verweist hier wie dort, vor allem auf die Einmaligkeit von Zeit und Raumerfahrungen. Für die Fotografie sieht Benjamin die Aura dennoch ambivalent. Zum Einen haben die frühen Fotografien einen magischen, auratischen Mehrwert, der transzendent ist. Zum Anderen lobt Benjamin aber auch ausdrücklich Fotografien, die ihr Objekt von der Aura befreit haben.[13] Fotografien ohne solche auratischen Momente können demnach das Verhältnis von Mensch und Umwelt differenzierter darstellen und dienen so zu einem ideologiefreien politischen Diskurs. Nicht zuletzt aufgrund dieses Aufsatzes wird Benjamin heutzutage als der bedeutendste Fotografietheoretiker der Weimarer Republik bezeichnet.[14]

Bedeutend ist vor allem seine Beschäftigung mit dem „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. Der Titel dieser Arbeit von 1935 ist zu einer Art geflügeltem Wort geworden. Die unbegrenzte Vervielfältigung von Musik, Malerei, ja aller bildenden Künste führt nach Benjamin zum Verlust ihrer Aura. Damit ist auch der veränderte Rezeptionszusammenhang gemeint: Mussten sich die Kunstliebhaber früher in ein Konzert oder in eine Galerie begeben, um ihrer Leidenschaft nachzugehen, so kam es durch die technischen Reproduktionen, seien es Schallplatten-, Radioaufnahmen oder Kunstdrucke, zu einer „Entwertung des Originals“. Wertet Benjamin diese Entwicklung vor allem positiv, so greift Adorno die These auf und kehrt dialektisch vor allem die Regression und den Fetischcharakter der Massenkunst heraus.

Beruhten in der traditionellen Kunst die utopischen Gehalte auf dem schönen Schein, der „Aura“ von Kultwerten, so analysiert Benjamin an der modernen Kunst seit Baudelaire (vgl. Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus [1969]) einen fortschreitenden Verfall des Auratischen, mit dem die Kunst – vor allem der Surrealismus und das epische Theater Brechts (vgl. Versuche über Brecht [1966]), auf andere Art der Film (vergleiche Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit) – in den Dienst einer materialistischen Entmythologisierung eintritt und unmittelbar eine Funktion im Emanzipationskampf der Gesellschaft übernimmt. Mit seiner positiven Orientierung auf die Massen geht Benjamin über die kritische Theorie von Adorno und Horkheimer hinaus, weil er weder deren Vorbehalte, noch deren Klage teilt, „dass die Massen Zerstreuung suchen, die Kunst aber vom Betrachter Sammlung“[15] verlangt. Durch Fotografie und Film wird laut Benjamin das Ende der traditionellen Kunst eingeläutet, ein Vorgang, in dem er das Wirken geschichtsbildender Kraft am Werke sah.[16]

Dieser gelten auch Benjamins Beiträge zur Geschichtsphilosophie. Seine letzte Arbeit, die Thesen Über den Begriff der Geschichte, ist ein Zeugnis seines „Erwachens aus dem Schock des Hitler-Stalin-Paktes“ (Scholem). Besonders bekannt geworden ist die erste These: Die Theologie sei heute klein und hässlich und habe sich deshalb unter dem Schutzmantel des historischen Materialismus zu verbergen. Wenn der historische Materialismus die Theologie in seinen Dienst nehme, könne er es ohne weiteres mit jedem aufnehmen. Gegenüber der Geschichtsphilosophie des Idealismus mit ihrer vom Marxismus geteilten Fetischisierung des Fortschrittsbegriffs, demzufolge der immanente Verlauf der Geschichte ein bereits fortschreitender sein, selbsttätig und unaufhaltsam aus dem Grauen der „Vorgeschichte“ in menschliche Verhältnisse einmünden soll, fordert Benjamin eine Kopernikanische Wende, die der jüdischen Lehre des „Eingedenkens“ zu ihrem Recht verhelfen würde.

Philosophie habe den Blick auf die „Trümmer der Geschichte“ und die geschichtlichen Katastrophen zu lenken, auf all das, „was verraten, unterdrückt und vergessen“ wurde. Während die traditionelle Geschichtsphilosophie, zumal in der Hegelschen Gestalt, ihr movens in der Verklärung des Untergangs hat, im Tode des Endlichen das Unendliche, Absolute feiert, ist Benjamins Gegenstand gerade das „Unzeitige, Leidvolle, Verfehlte“, dass Geschichte immer noch in bloßer Naturgeschichte verhalte. Weit entfernt von jeder Apologetik, wird das Denken Benjamins grundiert durch die Trauer des Allegorikers. „Solange es noch einen Bettler gibt, solange gibt es noch Mythos“, heißt es in einem Fragment des Passagen-Werks.

Den „Neuen Medien“ in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg näherte sich Benjamin nicht nur theoretisch, sondern er hat in zahlreichen Rundfunksendungen seine Spuren hinterlassen. Voller Experimentierfreude gestaltete er Sendungen für den Kinderfunk, die Bücherstunde sowie Erzählungen und Hörspiele.

Dass ‚Übersetzen‘ weltweit zu einem Schlüsselbegriff interkultureller Theoriebildung werden konnte, geht nicht zuletzt auf Walter Benjamins bahnbrechenden Aufsatz „Die Aufgabe des Übersetzers“ zurück.



http://www.textlog.de/benjamin-erfahrung-armut.html


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