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Verhetzung. Was ist das? Was kann ich dagegen tun?
Veröffentlicht von Albert Steinhauser | Dienstag, 15. September 2015 | Service
Im Internet sind immer wieder menschenverachtende Postings oder Kommentare zu lesen. Natürlich ist nicht alles was dumm und bösartig ist strafbar. Wo aber beginnt die Strafbarkeit und was kann ich tun?
Der Verhetzungsparagraph § 283 StGB wurde mit 1. Jänner 2016 geändert. Hier findest du die aktuellen Informationen.
Was bestraft der Verhetzungsparagraph?
Der Verhetzungsparagraph bestraft zwei unterschiedliche Verhaltensweisen. Grob gesagt, sollen einerseits Äußerungen bestrafen werden, die auf die Herbeiführung von Gewalt oder Hass gegen bestimmte Personen und Personengruppen abzielen, andererseits sollen Äußerungen bestraft werden, die auf die Verächtlichmachung von Personengruppen abzielen.
Wen schützt der Verhetzungsparagraph?
Nicht alle Personen und Personengruppen sind vom Verhetzungsparagraphen geschützt. Opfer einer Verhetzung können nur Personen und Personengruppen sein, die anhand folgender Kriterien definiert werden können:
Kirche/Religionsgemeinschaft: nicht auf gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften beschränkt. Eine genaue Abgrenzung gibt es hier nicht.
„Rasse“/Hautfarbe/Abstammung: Angehörige bestimmter Gruppen auf Grund deren äußerlich erkennbarer Merkmale. Oder Menschen, die von solch einer Gruppe „abstammen“.
Sprache: Sprachen aber auch Dialekte
Religion/Weltanschauung: Gruppen, die durch ihre religiöse Überzeugung oder Weltanschauung definiert werden. Weltanschauung: zB Pazifismus
Nationale/ethnische Herkunft: Anknüpfungspunkt ist die Volkszugehörigkeit
Staatsangehörigkeit: Im Gegensatz zu „Rasse“/Hautfarbe/Abstammung oder nationaler/ethnischer Herkunft wird hier auf die rechtliche Mitgliedschaft einer Person zu einem Staat abgestellt.
Geschlecht: Frauen, Männer, Transsexuelle, Intersexuelle, etc…
Behinderung: „die Auswirkungen einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft zu erschweren.“
Alter: Kinder, Pensionisten, etc…
Sexuelle Ausrichtung: LGBT etc…
Außerdem sind auch jene Gruppen mitumfasst, die aufgrund einer fehlenden Eigenschaft Ziel einer hetzerischen Äußerung werden. Demnach kann eine Verhetzung etwa auch wegen Äußerungen aufgrund einer fehlender Staatsangehörigkeit (Ausländer) oder Religion (Ungläubiger) erfüllt sein.
Welche Äußerungen sind vom Verhetzungsparagraph umfasst?
Äußerungen sind nicht auf Hetzreden beschränkt, auch Texte, Zeichnungen in Internet, Flugblätter, Briefe, Plakate, Graffiti oder Filme im Internet können eine Verhetzung bewirken.
Fall 1 –Aufrufen zu Gewalt und Aufstacheln zum Hass
Eine geschützte Gruppe (siehe oben) oder ein Mitglied einer solchen Gruppe müssen betroffen sein.
Die Verhetzung muss öffentlich erfolgen.
Das heißt, sie muss für zumindest 30 Personen („viele Menschen“) wahrnehmbar sein. Ist sie für über 150 Personen wahrnehmbar, was insbesondere bei der Begehung im Internet regelmäßig der Fall sein wird, drohen zudem strengere Strafen. Wahrnehmbarkeit bedeutet nicht, dass alle Personen die Verhetzung auch tatsächlich wahrgenommen haben müssen. Beispiel: Der Verhetzungsparagraph ist schon anwendbar, wenn ein Posting für 100 Facebook-User sichtbar ist, aber nur 10 davon es tatsächlich lesen.
Inhalt der Hassbotschaft: Die Äußerung muss darauf gerichtet sein, andere zu konkreten Gewalthandlungen zu bewegen bzw bei anderen Hassgefühle zu wecken. Achtung: Für die Strafbarkeit ist es nicht erforderlich, dass es tatsächlich in weiterer Folge zum konkreten Erfolg kommt! Kommt es in weiterer Folge allerdings zu konkreter Gewalt, drohen strengere Strafen.
Beispiele: Aufruf zur Brandstiftung von Asylquartieren (Gewalt), Verbreitung falscher Gerüchte über sexuelle Übergriffe durch bestimmte Gruppen (Hass), Auch das Leugnen oder Rechtfertigen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen kann in diesem Zusammenhang eine Verhetzung darstellen, wenn dadurch Gewalthandlungen oder Hassgefühle bewirkt werden sollen.
Für alle Äußerungen gilt, dass der Täter einen Vorsatz braucht, tatsächlich verhetzen zu wollen. Das heißt, der Täter muss es zumindest für möglich halten und sich damit abfinden, dass seine Äußerungen tatsächlich zu Gewalt oder Hass führen.
Sonderfall Verbreiten: Wer fremdes hetzerisches Material verbreitet oder anderweitig öffentlich verfügbar macht und kein Vorsatz zur Herbeiführung von Gewalt oder Hass nachweisbar ist, etwa weil sich die Person der Tragweite ihrer Handlung nicht bewusst ist, macht sie sich möglicherweise trotzdem wegen Verhetzung strafbar, wenn die Verbreitungshandlung in gutheißender oder rechtfertigender Weise passiert ist (zB Teilen einer hetzerischen Karikatur auf Facebook inkl. gutheißenden Kommentierung). Hier gelten aber aufgrund des mangelnden konkreten Verhetzungsvorsatzes eine geringere Strafdrohung.
Fall 2 –Beschimpfen und dadurch verächtlich machen:
Eine geschützte Gruppe (siehe oben) muss betroffen sein.
Die Verhetzung muss öffentlich erfolgen, also für zumindest 30 Personen wahrnehmbar sein. Bei über 150 Personen drohen zudem strengere Strafen.
Inhalt der Verhetzung: Die Äußerungen muss geeignet sein, die Menschenwürde der betroffenen Gruppe zu verletzen und diese dadurch verächtlich zu machen.
Sollte es in weiterer Folge zu gewalttätigen Übergriffen kommen, die auf die Beschimpfung zurückzuführen sind, drohen zudem härtere Strafen.
Die Äußerung muss darauf abzielen, den Adressaten in der Achtung seiner Mitmenschen als unwert oder unwürdig hinzustellen. Es muss dem Täter hier geradezu auf die Verächtlichmachung des Opfers ankommen. Im Strafrecht heißt das Absichtlichkeit, was eine besondere – und leider auch nur schwer nachweisbare – Form des Vorsatzes darstellt.
Die Menschenwürde wird verletzt, wenn dadurch den Angehörigen der angegriffenen Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertige BürgerInnen bestritten wird. Auch, wenn sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden sollen. Die Menschenwürde wird auch durch die Gleichstellung einer der geschützten Gruppen mit als minderwertig geltenden Tieren verletzt („Saujuden“, „Brut“). Auch genügt es, dass Verletzungen der Menschenwürde, die in naher oder ferner Vergangenheit stattgefunden haben, gutgeheißen werden.
Für die Strafbarkeit ist es nicht Voraussetzung, dass die adressierte Gruppe tatsächlich verächtlich gemacht wird. Die Tat muss aber ihrer Art und den konkreten Umständen nach geeignet sein, die Gruppe verächtlich zu machen.
Nicht umfasst sind Ehrverletzungen. Beispiel: „Die XXX sind zu faul zum Arbeiten.“ Die Ehre ist zwar auch ein Persönlichkeitsrecht. Aber nur wenn der Kernbereich der Persönlichkeit verletzt wird, ist juristisch von einer Verletzung der Menschenwürde auszugehen. Beispiel „Scheiß-XXX, ihr gehört alle weggeräumt,…“ Hier wird das Recht auf Leben abgesprochen. Zweifelsohne liegt das Recht auf Leben im Kernbereich der Persönlichkeit und wäre ein solches Hassposting strafbar.
Was kann ich tun, wenn ich einen Kommentar oder ein Posting lese, das verhetzt?
Wenn jemand eine Straftat verwirklicht und die Behörden davon erfahren, müssen sie von sich aus aktiv werden. Das erreicht man durch eine formlose Sachverhaltsdarstellung („Anzeige“), in der der Sachverhalt wahrheitsgemäß wiedergegeben wird. Für Kommentare in Onlinemedien empfiehlt sich das Anfügen eines Screenshots. Es genügt also ein einfaches Schreiben, in dem beschrieben wird, was vorgefallen ist und die Person genannt wird, von der die Verhetzung ausgeht. Kann diese Person nicht benannt werden, weil man nicht weiß wer es war, kann die Sachverhaltsdarstellung auch gegen „unbekannte Täter“ erfolgen. Auch, wenn der Anzeiger selbst anonym bleibt, prüft die Behörde den Sachverhalt.
Die Anzeige kann an die Staatsanwaltschaft oder an die Polizei geschickt werden. Zuständig ist jeweils die Staatsanwaltschaft in deren Sprengel die Tat verübt wurde. Wird die Tat bei einer unzuständigen Staatsanwaltschaft oder Polizeidienststelle angezeigt, ist die Behörde grundsätzlich dazu verpflichtet, die Anzeige an die zuständige Behörde weiterzuleiten.
Vorsicht! Eine falsche Verdächtigung ist ebenfalls strafbar (§ 297 Verleumdung). Der/die AnzeigerIn sollte den Sachverhalt also auch unmittelbar selbst wahrgenommen haben oder zuverlässige Quellen haben, die den Vorwurf belegen können. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang auch, die Staatsanwaltschaft in der Anzeige aufzufordern, den beschriebenen Sachverhalt strafrechtlich zu überprüfen, anstatt gleich selbst in der Anzeige festzustellen, dass sich die angezeigte Person der Verhetzung schuldig gemacht hat!
Darüber hinaus vertrete ich persönlich die Meinung, dass nur dann Anzeigen erfolgen sollten, wenn es man es für realistisch möglich hält, dass eine Anzeige zu einer Verurteilung führen kann. Die Auseinandersetzung mit rechtsextremen und islamistischen Hetzern soll nicht primär im Gerichtssaal mit dem Gesetzbuch stattfinden, sondern durch Argumente und Aktionen gewonnen werden. Bedenke eine vorschnelle Anzeige, die dann von den Behörden nicht verfolgt wird, wird dann von diesen Provokateuren manchmal auch noch als Bestätigung für ihr Verhalten gesehen. Klar ist aber, wenn die Grenze des Gesetzes überschritten wird, macht eine Anzeige Sinn.
Wie lautet der Verhetzungsparagraph im Wortlaut?
283 StGB
(1) Wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,
zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer körperlichen oder geistigen Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert, oder zu Hass gegen sie aufstachelt, oder
in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine der in Z 1 bezeichneten Gruppen in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, oder
Verbrechen im Sinne der §§ 321 bis 321f, die von einem inländischen oder einem internationalen Gericht rechtskräftig festgestellt wurden, billigt, leugnet, gröblich verharmlost oder rechtfertigt, wobei die Handlung gegen eine der in Z 1 bezeichneten Gruppen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe gerichtet ist und in einer Weise begangen wird, die geeignet ist, zu Gewalt oder Hass gegen solch eine Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe aufzustacheln,
ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Wer die Tat nach Abs. 1 in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die in Abs. 1 bezeichneten Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
(3) Wer durch eine Tat nach Abs. 1 oder 2 bewirkt, dass andere Personen gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
(4) Wer, wenn er nicht als an einer Handlung nach den Abs. 1 bis 3 Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, schriftliches Material, Bilder oder andere Darstellungen von Ideen oder Theorien, die Hass oder Gewalt gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln, in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, wodurch diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, in gutheißender oder rechtfertigender Weise verbreitet oder anderweitig öffentlich verfügbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.“
Albert Steinhauser
Grüner Nationalratsabgeordneter
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"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -
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