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#1

Oumuamua:

in Astromagie & Sternsehung: 24.11.2020 20:24
von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...n-komet20200818

Interstellarer Besucher ‘Oumuamua ist doch kein Komet:


Künstlerische Darstellung des interstellaren Objekts 1I’Oumuamua (Illu.).
Copyright: The international Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA artwork by J. Pollard

Cambridge (USA) – Noch immer ist die genaue Natur und der Ursprung des ersten als solches erkannten Objekts interstellarer Herkunft, das unser Sonnensystem durchquerte und auf den Namen 1I‘Oumuamua getauft wurde, unter Wissenschaftlern umstritten. Eine neue Studie kommt nun zu dem Schluss, dass ‘Oumuamua trotz früherer vielversprechender Vermutungen doch nicht aus molekularem Wasserstoffeis besteht.

Mit ihrem aktuellen Fachartikel im „The Astrophysical Journal“ (DOI: 10.3847/2041-8213/abab0c) entfachen Dr. Thiem Hoang vom Korea Astronomy and Space Science Institute (KASI) und Dr. Avi Loeb vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) die Debatte über die Ursprünge und die molekulare Struktur von ‘Oumuamua nun erneut.

In einer früheren Studie, hatten Darryl Seligman und Greg Laughlin von der Yale University nicht zuletzt nachdem Beobachtungen mit dem Spitzer-Weltraumteleskops die Ausgasung von Molekülen auf Kohlenstoffbasis eng begrenzt hatten, postuliert, dass es sich bei ‘Oumuamua um ein kometenartiges Objekt aus Wasserstoffeis handelt (…GreWi berichtete), dessen reines Wasserstoffgas unbeobachtet dem Objekt jenen rätselhaften, raketenartigen Schub verpasst hatte, den Wissenschaftler im Frühsommer 2018 beobachtet hatten und der bis heute einen nicht geringen Anteil am ‘Oumuamua-Rätsel begründet (…GreWi berichtete).


Dieses Diagramm zeigt die Umlaufbahn des interstellaren Objekts ‘Oumuamua beim Durchlaufen des Sonnensystems. Es zeigt den vorhergesagten Weg von ‘Oumuamua und den neuen Kurs unter Berücksichtigung der neu gemessenen Geschwindigkeit des Objekts.
Copyright: ESA

Wie Hoang und Loeb nun berichten, haben sie untersucht, ob ein auf Wasserstoff basierendes Objekt tatsächlich die Reise vom interstellaren Raum zu unserem Sonnensystem hätte schaffen können.

“Der Vorschlag von Seligman und Laughlin erschien vielversprechend, da er die extrem langgestreckte Form von ‘Oumuamua sowie die Beschleunigung ohne Gravitation erklären könnte“, erläutert Hoang und führt dazu aber weiter aus: „Ihre Theorie basiert auf der Annahme, dass sich in dichten Molekülwolken H2-Eis bilden könnte. Und es stimmt: H2-Eisobjekte könnten im Universum reichlich vorhanden sein und somit weitreichende Auswirkungen haben. H2-Eis wurde ebenfalls vorgeschlagen, um die Dunkle Materie zu erklären, ein Geheimnis der modernen Astrophysik.”

“Wir waren misstrauisch, ob derartige Wasserstoffeisberge die Reise – die wahrscheinlich Hunderte von Millionen Jahren dauern dürfte – überleben können“, fügt Avi Loeb hinzu. „Denn sie verdunsten schnell und es stellt sich die Frage, ob sie sich in Molekülwolken bilden können.”

Seit 2017 reist ‘Oumuamua mit einer Geschwindigkeit von 200.000 km/h und wurde zunächst als Asteroid eingestuft. Als das Objekt später dann aber beschleunigte (…GreWi berichtete), stellte sich heraus, dass es Eigenschaften hatte, die eher Kometen ähnelten. Aber auch in diese Objektkategorie will ‘Oumuamua nicht so recht passen.

Als möglichen Ursprungsort des vermuteten Wasserstoffkometen konzentrierten sich das Forscherduo Forscher aktuell mit der riesigen Molekülwolke „W51“ auf eine der erdnächsten Molekülwolken in 17.000 Lichtjahren Entfernung und überprüften die Hypothese, wonach ein solcher Wasserstoffeisberg die Reise ins Sonnensystem nicht intakt hätte überdauern können. “Der wahrscheinlichste Ort für die Entstehung von Wasserstoffeisbergen ist die dichteste Umgebung des interstellaren Mediums. Dies sind riesige Molekülwolken”, erklärt Loeb und bestätigt, dass diese Umgebungen zu weit entfernt und der Entwicklung von Wasserstoffeisbergen nicht förderlich sind.

Ein akzeptierter astrophysikalischer Ursprung für feste Objekte hingegen ist das Wachstum durch aneinanderhaftende Staubkollisionen (Akkretion). Im Falle eines Wasserstoffeisbergs greife diese Theorie allerdings auch nicht. “Ein akzeptierter Weg zur Bildung eines kilometergroßen Objekts besteht darin, das zuerst Körner von Mikrometergröße zu Kernen heranwachsten”, erklärt Hoang. “In Regionen mit hoher Gasdichte kann jedoch durch Kollisionserwärmung durch Gaskollisionen der Wasserstoffmantel auf den Körnern schnell sublimiert werden, wodurch verhindert wird, dass sie weiterwachsen.”

Die neuen Simulationen zeigen nun, dass Wasserstoffeisberge von der Größe ‘Oumuamuas durch unterschiedlich verursachte Sublimation (interstellare Strahlung, kosmische Strahlung, Erwärmung und interstellares Gase) derart stark in Mitleidenschaft gezogen werden würden, dass sie eine Reise in, geschweige denn durch das interstellare Medium nicht derart überstehen würden.

Die Schlussfolgerung der Forscher schließt nun also auch die Theorie aus, dass ‘Oumuamua aus einer Molekülwolke zu unserem Sonnensystem gereist ist, und schließt ferner den auch die Idee von Wasserstoffeisbällen als Erklärung für Dunkle Materie aus.

Während also die Natur des interstellaren Reisenden derzeit also ein ungelöstes Rätsel bleibt, vermutet Loeb, dass wir schon bald erneut Besuch eines ähnlichen Objekts interstellarer Herkunft erhalten werden: “Wenn ‘Oumuamua Mitglied einer ganzen Population ähnlicher Objekte auf zufälligen Flugbahnen ist, sollte etwa das „Vera C. Rubin Observatorium“ (VRO), das nächstes Jahr in Betrieb gehen soll, etwa ein ‘Oumuamua-ähnliches Objekt pro Monat Entdecken“, so Loeb abschließend. „Wir dürfen uns also alle schon jetzt darauf freuen, was es finden wird.”

Quelle: Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics
© grenzwissenschaft-aktuell.de


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#2

RE: Oumuamua:

in Astromagie & Sternsehung: 30.11.2022 02:40
von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...-objekt-im-sonn

Kontroverse um ‘Oumuamua dauert an:
War erstes interstellares Objekt im Sonnensystem Teil eines fernen, Pluto-artigen Planeten?



Diagramm der Geschichte ʻOumuamuas nach Desch und Jackson: Diese begann vor rund 0,4 Milliarden Jahren in einem fernen Sonnen- bzw. Planetensystem. Durch kosmische Strahlen begann die Erosion des Objekts, die sich bei Eintreten ins Sonnensystem und der Annäherung an die Sonne fortsetzte und dem Objekt so zusehends seine vermutlich Splitter-artige Form verlieh.
Copyright/Quelle: S. Selkirk/ASU / AGU

Tucson (USA) – 2017 durchflog ein Objekt aus dem interstellaren Raum das Sonnensystem. Seither sorgt das als 1IʻOumuamua bezeichnete Objekt für ebenso hitzige wie kontroverse Diskussionen darüber, um was es sich dabei gehandelt hatte. Nachdem der Haravard-Professor Avi Loeb in den Merkmalen des Objekts die eines technologischen Artefakts sieht, wiedersprechen immer wieder andere Astronomen dieser kontroversen These. So auch eine aktuelle Studie, die in ‘Oumuamua nun ein Fragment eines Pluto-artigen Exoplaneten vermuten. Gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.de hat Avi Loeb die Schlussfolgerungen der neuen Studie exklusiv kommentiert.
In ihrer aktuell im “Journal of Geophysical Research: Planets” der „American Geogological Union“ (AGU) veröffentlichten Studie erläutern der Astrophysiker Steven Desch und der Astronom Alan Jackson von der Arizona State University ihre Schlussfolgerungen der bisherigen Beobachtungsdaten zu ʻOumuamua derart, dass es sich bei dem Objekt vermutlich um ein Fragment eines Pluto-artigen Exoplaneten gehandelt habe und sehen darin zugleich eine Antwort auf die Frage, ob es auch um ferne Sterne Pluto-artige Planeten gibt.

Demnach wäre ʻOumuamua ein Fragment der Planetenkruste dieses Planeten gewesen und hätte dann aus festem Stickstoff bestanden. „Dieses Fragment wurde vermutlich durch einen Einschlag vor etwa einer halbe Milliarde Jahren aus der Oberfläche dieses Planeten herausgeschlagen und aus seinem Planetensystem hinauskatapultiert.“

Laut den Autoren der Studie war ʻOumuamua ursprünglich auch nicht flach, sondern erhielt diese Form erst, als er bei seiner Annäherung an unsere Sonne bis auf einen verbleibenden Splitter abschmolz und dabei mehr als 95 Prozent seiner einstigen Masse verlor.

Anhand der Beobachtungsdaten postulieren Desch und Jackson verschiedene Eigenschaften von ʻOumuamua, die es von einem gewöhnlichen Kometen unterscheide: „Das Objekt trat mit einer leicht geringeren Geschwindigkeit in unsere Sonnensystem ein als erwartet. Das legt nahe, dass es nicht länger als seine Milliarde Jahre durch den interstellaren Raum gereist ist. Auch seine Pfannkuchen-artige Form unterscheidet es von allen anderen bislang bekannten Objekten in unserem Sonnensystem. Den beobachteten raketenartigen Schub erhielt das Objekt dann von der Sonne, die das Stockstoffeis, aus dem es laut den beiden Forschern bestand, aufschmolz und die dabei entstehenden Gase dem Objekt einen Schub versetzten.“


Dieses Diagramm zeigt die Umlaufbahn des interstellaren Objekts `Oumuamua beim Durchlaufen des Sonnensystems. Es zeigt den vorhergesagten Weg von `Oumuamua und den neuen Kurs unter Berücksichtigung der neu gemessenen Geschwindigkeit des Objekts.

Copyright: ESA

Obwohl sich ʻOumuamua also zunächst wie ein Komet verhielt, fehlte jedoch der für diese vergasenden Objekte charakteristische Schweif. Desch und Jackson gingen in ihren Analysen zunächst davon aus, dass das Objekt aus verschiedenen Eis-Arten bestand und berechneten, damit, wie schnell diese möglichen Eis-Arten während der Sonnenpassage von ʻOumuamua sublimieren würden. In einem weiteren Schritt berechneten die Wissenschaftler, wie stark der raketenartige Schubeffekt wäre, die auftretende Form und die Reflektivität des jeweiligen Eises. „Hierbei haben wir festgestellt, dass ein Eisbrocken sehr viel reflektiver ist als bislang angenommen. Das wiederum bedeutet, dass das Objekt selbst kleiner gewesen sein könnte als bislang angenommen, weshalb sich dann auch der Schubeffekt stärker auf das Objekt ausgewirkt hätte als bei bekannten Kometen.“ Vor allem festes Stickstoffeis entsprach dabei allen Ansprüchen der beobachteten Merkmale von ʻOumuamua. Da derart festgefrorener Stickstoff die Oberfläche des Zwergplaneten Pluto bildet, vermuten die beiden Autoren auch, dass das Objekt selbst von einem solchen fernen Planeten oder Mond stammt.

Obwohl ʻOumuamua zunächst schnell als Kometen-artig erkannt und beschrieben wurde, hätten die dann bald beobachteten Unterschiede zu bekannten Kometen schnell zu Spekulationen darüber geführt, dass es sich um ein Fragment einer außerirdischen Technologie handele. Hierzu schreiben Desch und Jackson abschließend:

„Jeder ist an Aliens interessiert. Deshalb war es auch kaum zu vermeiden, dass dieses Objekt von außerhalb unseres Sonnensystems die Menschen schnell dazu brachte, über eine derart außerirdische Herkunft zu spekulieren. In der Wissenschaft ist es aber wichtig, sich nicht zu voreiligen Schlüssen hinreißen zu lassen. Es hat fast drei Jahre gedauert, um nun eine natürliche Erklärung für ʻOumuamua in Form von Stickstoffeis zu finden. Aus Perspektive der Wissenschaft ist das aber gar nicht mal so lange. Es bedeutet aber noch nicht, dass wir mit Sicherheit nun auch alle natürlichen Erklärungen ausgeschöpft haben.“

Der Astrophysiker und Kosmologe Professor Avi Loeb von der Harvard University und dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) ist nicht zuletzt wegen seines jüngst erschienen Buches „Außerirdisch“ (…GreWi berichtete) nicht nur der bekannteste sondern auch wissenschaftlich respektierteste Vertreter der Theorie von von ʻOumuamua als technischem Alien-Artefakt. Auf die von Desch und Jackson postulierten Schlussfolgerungen angesprochen, erläutert exklusiv gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi):

„Wenn ʻOumuamua aus Stickstoff bestanden hätte, so sollte es auch Spuren von Kohlenstoff beinhaltet haben, wie sie mit dem Weltraumteleskop „Spitzer“ hätten entdeckt werden können. Das war aber nicht der Fall und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sein Objekt aus reinem Stickstoff besteht. Während Wasserstoff, der rund 90 Prozent aller Atome im Universum ausmacht, entsprechend häufig ist, entsteht Stickstoff in Sternen in ähnlichen Mengen wie Kohlenstoff. Wenn man nun also postuliert, dass ʻOumuamua alleinig aus Stickstoff ohne detektierbare Anteile von Kohlenstoff bestand, so müsste ʻOumuamua aus einem Material bestehen, das Stickstoff vom Kohlenstoff getrennt hatte. Ich selbst kenne keinen einfachen Weg, unter den gegebenen Umständen Kohlenstoff von Stickstoff zu trennen. Normalerweise treten sie gemeinsam auf, weil sie auch gemeinsam im Innern von Sternen entstehen.


Hintergrund
Avi Loeb, geboren 1962, ist seit 1997 Professor für Astrophysik an der Harvard University, seit 2007 Direktor des Institutes for Theory & Computation (ITC) im Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, seit 2011 Vorsitzender des Fachbereiches Astronomie der Harvard University und seit 2012 dort Inhaber der Frank B. Baird Jr. Professur of Science. 2012 wurde Loeb in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Loeb ist Vorsitzender des Beratungskommittes des Forschungs-und Entwicklungsprojektes „Breakthrough Starshot“, das sich zum Ziel gesetzt hat, Forschungssatelliten in das der Sonne nächste Nachbarsternsystem Alpha Centauri zu entsenden.
(Quelle: DVA)

Zudem wurde bereits in zwei früheren Studien aufgezeigt, dass es für ein Objekt wie ʻOumuamua enorm viel Masse pro Stern braucht – mehr felsige Masse, als jene, von der anzunehmen ist, dass sie aus Planetensytemen herauskatapultiert wird. Als Konsequenz liefert die Vorstellung einer seltenen und exotischen Herkunft von Stickstoffbergen angesichts der notwendigen Masse eine unwahrscheinliche Erklärung für ʻOumuamua.

Avi Loeb
Außerirdisch – Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten
DVA (Deutsche Verlags-Anstalt) München 2021
ISBN: 978-3-421-04866-0, 264 Seiten, Auflage: 1, 22,00 €
Schlussendlich müssten rund 10 Prozent von ʻOumuamua verdampft und ausgegast sein, um jene überschüssige Kraft zu erklären, die den beobachteten, raketenartigen Schub verursacht haben könnte. Diese Feststellung ergibt sich aus dem Impulserhaltungsgesetz. Derartige Mengen an (verdampfendem) Stickstoff hätten das Sonnenlicht dann aber derart stark reflektiert, dass wir diesen Vorgang tatsächlich in Form eines Kometenschweifes beobachtet hätten. Das aber, war schlichtweg nicht der Fall.“

Einmal mehr zeigt sich also, dass die Kontroverse um ʻOumuamua noch lange nicht beigelegt sein dürfte. GreWi wird weiterhin berichten…

Quelle: AGU, eigene Recherche Grenzwissenschaft-Aktuell.de
© grenzwissenschaft-aktuell.de


Dateianlage:
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#3

RE: Oumuamua:

in Astromagie & Sternsehung: 30.11.2022 08:23
von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...isberg20211115/

Neue Studie zeigt: ‘Oumuamua war kein Stickstoff-Eisberg:


Künstlerische Darstellung des Objekts ‘Oumuamua (Illu.).
Copyright: ESA/Hubble, NASA, ESO, M. Kornmesser

Cambridge (USA) – Seit dem Durchflug des ersten Objekts interstellarer Herkunft durch unser Sonnensystem im Herbst 2017 diskutieren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kontrovers und hitzig über die Natur des Objekts mit der Bezeichnung ‘Oumuamua. Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Harvard-Astronom Prof. Avi Loeb in dem Objekt ein mögliches außerirdisches Artefakt vermutet. Dies, so Loeb, könne die Eigenschaften des Objekts am besten erklären. Kritiker hingegen zeigen sich empört. Die bislang stärkste Alternativerklärung für ‘Oumuamua können Wissenschaftler nun jedoch widerlegen. Der erste als solcher erkannte interstellare “Besucher” unseres Sonnensystems war demnach doch kein Stickstoff-Asteroid.
Entdeckt wurde das Objekt erstmals am 19. Oktober 2017 (…GreWi berichtete) und hat beim Verlassen des Sonnensystems im Juni 2018 einen unerwarteten Schub entwickelt, der den eigentlichen Vorherberechnungen nicht nur widersprach, sondern auch nicht durch Schwerkraftinteraktionen mit Körpern des Sonnensystems zu erklären war (…GreWi berichtete). Auch gab es keine Beobachtungen von Ausgasungen des Objekts in Sonnennähe, anhand derer dieses als typischer Komet identifiziert werden konnte (…GreWi berichtete). Für einen gewöhnlichen Asteroiden fehlten wiederum die sonst typischen Eigenschaften und spektralen und thermalen Signaturen.

Statt also bekannter Kometen oder Asteroiden stellten dann im März 2021 der Astrophysiker Steven Desch und der Astronom Alan Jackson von der Arizona State University ihre Hypothese von ‘Oumuamua als Teil eines Pluto-artigen Planeten eines fernen Planetensystems vor. Demnach wäre ʻOumuamua dann ein Fragment der Planetenkruste dieses Planeten und bestünde aus festem Stickstoff. ʻOumuamua wäre also sozusagen ein interstellarer Stickstoff-Eisberg (…GreWi berichtete).

Der Astrophysiker Professor Avi Loeb von der Harvard University und dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hingegen, ist nicht zuletzt wegen seines jüngst erschienen Buches „Außerirdisch“ (…GreWi berichtete) nicht nur der bekannteste, sondern auch wissenschaftlich wohl meist respektierte Vertreter der Theorie von ʻOumuamua als technischem Alien-Artefakt. Auf die von Desch und Jackson postulierten Schlussfolgerungen angesprochen, erläuterte Loeb exklusiv gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi):

„Wenn ʻOumuamua aus Stickstoff bestanden hätte, so sollte es auch Spuren von Kohlenstoff beinhaltet haben, wie sie mit dem Weltraumteleskop „Spitzer“ hätten entdeckt werden können. Das war aber nicht der Fall und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sein Objekt aus reinem Stickstoff besteht. Während Wasserstoff, der rund 90 Prozent aller Atome im Universum ausmacht, entsprechend häufig ist, entsteht Stickstoff in Sternen in ähnlichen Mengen wie Kohlenstoff. Wenn man nun also postuliert, dass ʻOumuamua alleinig aus Stickstoff ohne detektierbare Anteile von Kohlenstoff bestand, so müsste ʻOumuamua aus einem Material bestehen, das Stickstoff vom Kohlenstoff getrennt hatte. Ich selbst kenne keinen einfachen Weg, unter den gegebenen Umständen Kohlenstoff von Stickstoff zu trennen. Normalerweise treten sie gemeinsam auf, weil sie auch gemeinsam im Innern von Sternen entstehen.

Zudem wurde bereits in zwei früheren Studien (https://arxiv.org/pdf/1810.02148.pdf u. https://arxiv.org/pdf/1811.00023.pdf) aufgezeigt, dass es für ein Objekt wie ʻOumuamua enorm viel Masse pro Stern braucht – mehr felsige Masse, als jene, von der anzunehmen ist, dass sie aus Planetensytemen herauskatapultiert wird. Als Konsequenz liefert die Vorstellung einer seltenen und exotischen Herkunft von Stickstoffbergen angesichts der notwendigen Masse eine unwahrscheinliche Erklärung für ʻOumuamua.

Schlussendlich müssten rund 10 Prozent von ʻOumuamua verdampft und ausgegast sein, um jene überschüssige Kraft zu erklären, die den beobachteten, raketenartigen Schub verursacht haben könnte. Diese Feststellung ergibt sich aus dem Impulserhaltungsgesetz. Derartige Mengen an (verdampfendem) Stickstoff hätten das Sonnenlicht dann aber derart stark reflektiert, dass wir diesen Vorgang tatsächlich in Form eines Kometenschweifes beobachtet hätten. Das aber, war schlichtweg nicht der Fall.“

Aktuell hat sich Avi Loeb gemeinsam mit seinem Kollegen Amir Siraj erneut der Hypothese von ‘Oumuamua als Stickstoff-Eisberg gewidmet und das Ergebnis in einem Fachartikel vorab via ArXiv.org veröffentlicht, der nun auch vom Fachjournal „New Astronomy“ für eine baldige Fachpublikation akzeptiert wurde.

Erneut zeigen Loeb und Siraj darin, dass es vermutlich viel zu wenig Exo-Plutos in unserer Galaxie geben dürfte, um mit diesem Modell die Detektion eines von einem solchen Exoplaneten stammenden Stickstoff-Asteroiden erklären zu können.

Laut Desch und Jackson könnten Einschläge auf einem solchen Exo-Pluto rund eine Billion solcher Objekte in den interstellaren Raum katapultieren, von denen etwa die Hälfte aus Wassereis und Stickstoffeis bestünden. Diese Objekt-Populationen würde ausreichen, um die Entdeckung und Eigenschaften und auch den rätselhaften Schub von ‘Oumaumua hinreichend zu erklären, so die Autoren.

Hingegen argumentiert Loeb in seinem jüngsten Fachartikel, dass alleine die Entdeckung von ‘Oumaumua eine gewaltige Population an ähnlichen Objekten (was auch immer diese schlussendlich sind) nahelegt, dass jedoch in unserer Milchstraße selbst gar nicht genügend Material vorhanden sei, um die Vorstellung von einer derart notwendig großen zugrundliegenden Pluto-artigen Planeten-Population wissenschaftlich zu stützen.

Tatsächlich basiert die Hypothese von Jackson und Desch auf der (bislang keinesfalls bestätigten) Annahme, dass es ausreichend Exo-Plutos in der Milchstraße gibt. Um diese Vorstellung jedoch zu stützen, müsste ausreichend Material aus der Sternentstehung übrig geblieben sein, um die Entstehung einer derartigen Menge an Pluto-Planeten zu erlauben.

Um genau diese Frage zu beantworten, haben Loeb und Siraj das Modell eines Stickstoff-Eisbergs und die Frage untersucht, ob genügen stellares Material existiert, damit das Modell auch anwendbar ist.

„Unsere Berechnung hierfür sind sehr klar und einfach“, zitiert „UniverseToday.com“ Siraj und Loeb. „Wir nutzen alle Parameter des Stickstoff-Eisberg-Modells, mit denen das Vorhandensein von ‘Oumuamua-artigen Objekten und die Entdeckung von ‘Oumuamua in unserem Sonnensystem erklärt werden könnte, sowie die grundlegend bekannten Fakten über Sterne in unserer Milchstraße genutzt. Anhand der sich daraus ableitenden Werte können wir die Gesamtmasse der solaren bzw. stellaren Metallizität ableiten, die zu Exo-Pluto umgewandelt werden müsste, damit die Hypothese des Stickstoff-Modells plausibel wird.“

Das Ergebnis sei für das Stickstoff-Eisberg-Modell ernüchternd: „Selbst unter den optimistischsten Annahmen, verfehlt das Modell die notwendige Masse um mehrere Größenordnungen.“ Kurz gesagt: Ein Sternsystem besitzt schlichtweg nicht genügend Stickstoff, um eine robuste Population an Exo-Plutos zu erzeugen. Statistisch kann es also nicht genügend interstellare Objekte (ISOs) geben, die aus Stickstoff bestehen, um die Entdeckung von ‘Oumuamua wissenschaftlich sauber erklären zu können.“

Das Modell werde zudem noch unwahrscheinlicher, wenn man in Betracht ziehe, wie stark kosmische Strahlung interstellare Objekte auf ihrer Reise zwischen den Planetensystemen erodiert – ein Prozess der, das zeigen jüngste Untersuchungen, schneller abläuft, als lange Zeit angenommen.

„Das Hauptproblem des Modells eines Stickstoff-Eisbergs ist das, dass es zur Entstehung einer ausreichenden Population solcher Objekte mehr als das zehnfache der gesamten Sternenmasse unserer Galaxie benötigen würde, um schlussendlich ausreichend Exo-Plutos entstehen zu lassen, die es braucht, um ‘Oumuamua zu erklären“, zitiert UniverseToday.com Siraj. „Wenn wir dann auch noch die unausweichliche kosmische Erosion der angenommenen Stickstoff-Eisberge miteinbeziehen, brauchen wir sogar das Tausendfache der gesamten stellaren Masse der Milchstraße. Diese Zahlen lassen das Stickstoff-Modell für ‘Oumuamua ins Unhaltbare schwinden, da zudem auch nur ein geringer Anteil der stellaren Masse in die Produktion von Exo-Plutos fließt.“


Prof. Avi Loeb
Copyright/Quelle: Galileo Project

Neben Loeb und Siraj zweifeln auch andere Autoren in Fachartikeln an der Stickstoff-Eisberg-Hypothese und haben diese ähnlich basierte Kritik und Zweifel vorab via Arxiv.org und in der Oktober-Ausgabe des Fachjournals „Bulletin of the American Astronomical Society“ (BAAS) dargelegt. Auch hier kommen die Autoren zu der Überzeugung, dass es zu wenige der Stickstoff-Asteroiden geben kann, um damit ‘Oumuamua zu erklären.

Doch bedeutet die Widerlegung der Stickstoff-Eisberg-Hypothese nun im Umkehrschluss, dass es sich bei ‘Oumuamua tatsächlich um ein außerirdisches Artefakt, eine Art Lichtsegel handelt, wie es Avi Loeb vermutet?

Nein. Auch diese Schlussfolgerung ist derzeit als solche noch nicht zulässig. Allerdings kann damit bis auf Weiteres die bislang stärkste Hypothese für eine natürliche Erklärung für ‘Oumuamua vorerst als widerlegt betrachtet werden. „Dieses Modell steht nun nicht mehr zur Diskussion“, zitiert UniverseToday Siraj abschließend. „Das bedeutet, dass das Rätsel um ‘Oumuamua wieder ganz weit offensteht und uns dazu herausfordert, zukünftige ‘Oumuamua-artige Objekte noch genauer und besser zu untersuchen.“ Denn tatsächlich legt alleine die Entdeckung des Objekts ‘Oumuamua nahe, dass unser Sonnensystem jährlich von einer Vielzahl solcher Objekte „besucht“ werden sollte.

Mit dem „Galileo Project“ haben Loeb und Kollegen genau diese Suche und Untersuchung und such nach potenziellen außerirdischen Artefakten zum Ziel (…GreWi berichtete). Teil dieser Anstrengungen werden unter anderem Beobachtungen mit dem schon 2023 seinen wissenschaftlichen Dienst aufnehmenden “Vera C. Rubin Obserbvatory” in Chile sein, das mit einem 8,4-Meter Spiegel und einer 3200-Megapixel-Kamera 10 Jahre lang ferne Sterne und Galaxien, aber auch unser eigenes Sonnensystem erforschen soll und dabei auch gezielt nach ‘Oumuamua-artigen Objekten suchen wird. Einige Astronomen schätzen, dass auf diese Weise alleine mit dem Vera C. Rubin Observatorium bis zu 5 interstellare Objekte pro Monat entdeckt werden können. Weitere Missionen, die dann auch ein solches Objekt abfangen und aus direkter Nähe untersuchen sollen, sind ebenfalls bereits in Planung.

© grenzwissenschaft-aktuell.de


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#4

RE: Oumuamua:

in Astromagie & Sternsehung: 19.12.2022 18:15
von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge

Oumuamua - Besuch aus extrasolaren Welten:
https://archive.org/details/oumuamua-bes...the-cosmos-welt



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#5

RE: Oumuamua:

in Astromagie & Sternsehung: 10.02.2024 01:58
von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge

https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...elhaft20230223/

Trotz neuer Theorie: ‚Oumuamua bleibt rätselhaft:


Künstlerische Darstellung verschiedener ‚Oumuamua-Interpretationen (Illu.).
Copyright: Mark Garlick

Cambridge (USA) – In einem aktuellen Nature-Fachartikel erklären zwei US-Wissenschaftler, das Rätsel um den mysteriösen Schub des interstellaren Objekts ‚Oumuamua für gelöst – und werden für ihre Theorie zu dem Objekt als Wasserstoff-Wasser-Eisberg medial bereits gefeiert. Im folgenden Gastbeitrag erklärt der Harvard-Astronom Prof. Avi Loeb, warum es so einfach leider doch nicht ist.
UPDATE 27.3.2023: Mittlerweile liegt ein vorab via ArXiv.org veröffentlichter Fachartikel von Haravard-Proffessor Avi Loeb und Thiem Hoang vom Korea Astronomy and Space Science Institute und der Korea University of Science and Technology, als Replik zur in diesem Artikel besprochenen Nature-Studie vor. Der Fachartikel wurde auch zur Publikation bei einem Fachjournal eingereicht. Direktlink zum Fachartikel

https://arxiv.org/abs/2303.13861

– Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag von Prof. Dr. Avi Loeb, der am 22. März 2023 im englischsprachigen Original als Essay via TheMedium.com mit dem Titel „Is `Oumuamua a Hydrogen-Water Iceberg?“ erstveröffentlicht wurde. Der Text wurde – mit freundlicher Genehmigung des Autors (A. Loeb) – durch www.GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt. Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigenen.

Ist ‚Oumuamua ein Wasserstoff-Wasser-Eisberg?
In einem neuen Artikel, der heute in Nature veröffentlicht wurde (DOI: 10.1038/s41586-022-05687-w), schlagen Jennifer Bergner von der University of California in Berkeley und Darryl Seligman von der Cornell University vor, dass die merkwürdige Beschleunigung, die für das erste bekannte interstellare Objekt mit der Bezeichnung ‚Oumuamua beobachtet wurde, dadurch erklärt werden kann, dass ‚Oumuamua aus Wassereis bestand, welches auf seiner interstellaren Reise durch kosmische Strahlung teilweise in Wasserstoff aufgespalten wurde. In der Zusammenfassung des Artikels geben die Autoren zu, dass frühere Modelle die von einem Eisberg aus reinem Wasserstoff oder einem Eisberg aus reinem Stickstoff ausgingen aufgrund von theoretischen oder beobachteten Widersprüchen nicht funktionieren. Tatsächlich wurde das Wasserstoff-Eisberg-Modell in einem früheren Fachartikel aus dem Jahr 2020 von Darryl Seligman selbst vorgeschlagen. Ein paar Monate später schrieb ich gemeinsam mit Thiem Hoang eine Arbeit, in der wir zeigten, dass die Erwärmung durch interstellares Sternenlicht Wasserstoff-Eisberge viel zu schnell zerstören und ihnen nicht erlauben würde, das Sonnensystem von ihren wahrscheinlichen Entstehungsorten riesiger Molekülwolken zu erreichen.

In der neuen Nature-Veröffentlichung weisen Bergner und Seligman auch darauf hin, dass die Sublimation eines Eisbergs aus reinem Wasser nicht die volle Beschleunigung von ‚Oumuamua liefern kann, wie von Marco Micheli und Mitarbeitern in einer Veröffentlichung in Nature aus dem Jahr 2018 berichtet. Da die beobachtete Beschleunigung umgekehrt proportional zum Quadrat der Entfernung von der Sonne abnahm, schlug ich einige Monate später in einer Arbeit mit meinem ehemaligen Postdoc Shmuel Bialy vor, dass „’Oumuamua eine dünne Membran war, die vom Sonnenlicht angeschoben wurde. Da die Natur aber keine solchen Lichtsegel entstehen lässt, habe ich in Nachfolgeartikeln sowie in meinem Buch „Extraterrestrial“ (Außerirdisch) vorgeschlagen, dass ‚Oumuamua möglicherweise von einer außerirdischen technologischen Zivilisation produziert wurde. Kürzlich habe ich in einem neu veröffentlichten Artikel dann vorgeschlagen, dass diese Form von dünnem Weltraummüll ein Stück einer zerbrochenen Dyson-Sphäre darstellen könnte, die durch Asteroideneinschläge beschädigt wurde.

Da Bergner und Seligman selbst zugeben, dass ein Eisberg aus reinem Wasser oder ein Eisberg aus reinem Wasserstoff keine brauchbaren Modelle für ‚Oumuamua liefern, ist unklar, wie nun das eine Vermengung dieser zweier fehlgeschlagenen Modelle miteinander eine erfolgreiche Lösung für das Rätsel um ‚Oumuamua darstellen soll. Insbesondere wenn Wasserstoff aus einem Wassereisberg verdunstet, würde dies dem Objekt er aufgrund des höheren Molekulargewichts von Wasser weniger Schub verleihen als einem reinen Wasserstoffeisberg. Wenn Wasserstoff außerdem so leicht aus Wassereis verdunstet, wie im aktuellen Nature-Artikel vorgeschlagen, so. hätte ein solches Objekt aus dem interstellaren Raum die Reise bis in Sonnensystem gar nicht erst überstanden, gleiches gilt für einen reinen Wasserstoff-Eisberg.

Leider werden diese Fragen in der neuen Studie nicht behandelt. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Kometen aufgrund der ungleichmäßigen Sublimation von Eis auf ihrer Oberfläche häufig durch die austretenden Jets ins Schlingern geraten, und es zu einer erheblichen Veränderung ihrer Rotationsperiode kommt, wenn sie verdampfen. Nichts davon war im Fall von ‚Oumuamua zu beobachte. Dieser Punkt wurde bereits in einem Artikel von Roman Rafikov aus dem Jahr 2018 hervorgehoben, der ebenfalls Zweifel an einem kometenartigen Ursprung für die übermäßige Beschleunigung bei ‚Oumuamuas Entfernung von der Sonne aufkommen ließ.

Bergner und Seligman schlagen nun vor, dass ihr Modell generisch sei und somit alle eisigen Körper, die interstellarer kosmischer Strahlung ausgesetzt sind, eine Wasserumwandlung in Wasserstoff aufzeigen sollten. Allerdings kennen wir bereits ein eisiges Objekt aus dem interstellaren Weltraum: Es ist der erste interstellare Komet, 2I/Borisov, der 2019 vom Amateurastronomen Gennady Borisov entdeckt wurde. Dieses Objekt erschien wie ein bekannter Komet aus unserem eigenen Sonnensystem mit einem riesigen Kometenschweif. ‚Oumuamua kann kein typischer Komet wie 2I/Borisov sein, da es keine Hinweise auf kohlenstoffbasierte Moleküle oder Staub um ‚Oumuamua gibt. Das zeigen die Tiefeninfrarot-Beobachtungen des Spitzer-Weltraumteleskops. Wenn die Autoren richtig lägen und 1I/’Oumuamua also ein typischer Wassereiskomet war, der kosmischer Strahlung ausgesetzt war, dann hätte auch 2I/Borisov keinen offensichtlichen Kometenschweif haben dürfen.

Tatsächlich sind langperiodische Kometen aus der Oortschen Wolke des Sonnensystems der gleichen Umgebung mit kosmischer Strahlung ausgesetzt wie interstellare Objekte wie ‚Oumuamua, weil sie sich außerhalb der Heliosphäre befinden, wo sie der Sonnenwind schützen kann. Dennoch zeigen Kometen der Oortschen Wolke die bekannten Kometenschweife. Zu argumentieren, dass ein generischer Eis-Komet keinen Schweif hat, ist so, als würde man sagen, ein Elefant sei ein generisches Zebra, nur eben ohne seine Streifen zu zeigen. Natürlich könnte es Ausnahmen geben, bei denen die Verdunstungsrate niedrig ist, aber diese würden die übermäßige Beschleunigung von ‚Oumuamua nicht berücksichtigen, die es erfordert, dass mindestens ein Zehntel der Masse des Objekts in einem Schweif verloren geht, wenn die Beschleunigung beobachtet wird.



‚Oumuamuas hyperbolischer Weg durch das Sonnensystem (Illu.).
Copyright: ESO/K. Meech et al.‘

Interessanterweise beobachtete dasselbe Teleskop, das ‚Oumuamua im September 2020 entdeckte, das Pan-STARRS auf Hawaii, ein weiteres Objekt, das als Ergebnis der Reflexion des Sonnenlichts ohne Kometenschweif einen Schub von der Sonne weg zeigte. Dieses Objekt mit dem Namen „2020 SO“ war ein Raketenbooster aus dünnen Edelstahlwänden, der 1966 von der NASA gestartet wurde. Um zu verstehen, wie viel Masse von ‚Oumuamua verdampfen muss, lassen Sie uns einige Zahlen durchgehen:

Kometenverdunstung führt zu dem Raketeneffekt, durch den der Impuls des verdampften Gases in Richtung Sonne das Objekt von der Sonne wegdrückt. Dies ist der gleiche Mechanismus, der Raketen oder Düsenflugzeuge antreibt.

Das neue Modell erfordert nun, dass molekularer Wasserstoff einen erheblichen Teil der Gesamtmasse ausmacht und der größte Teil davon verdampft. Als ‚Oumuamua beobachtet wurde, lag die Temperatur des verdampften Wasserstoffs in der Größenordnung von hundert Grad Kelvin über dem absoluten Nullpunkt. Die Geschwindigkeit des verdampften Wasserstoffs kann nicht größer sein als die thermische Geschwindigkeit eines Wasserstoffmoleküls bei dieser Temperatur, etwa einen Kilometer pro Sekunde. Das wiederum entspricht einigen wenigen Prozent der Geschwindigkeit von ‚Oumuamua in der Nähe der Erde. Die Atommasse von Sauerstoff ist 16-mal so groß wie die von Wasserstoff, was bedeutet, dass Wasser (zwei Wasserstoffatome pro Sauerstoffatom) 8-mal mehr Masse trägt als die Wasserstoffmasse darin. Wenn wir daher im günstigsten Fall annehmen, dass der gesamte Wasserstoff von ‚Oumuamua verdampft, würde der Geschwindigkeitssprung des verbleibenden Objekts einige Prozent dividiert durch 8 betragen, was 0,3% der Geschwindigkeit von ‚Oumuamua in Erdnähe entspricht.

Der beobachtete Schub von ‚Oumuamua betrug etwa 0,1 % der Geschwindigkeit von ‚Oumuamua. Dies impliziert, dass ein Drittel des gesamten verfügbaren Wasserstoffs im Wassereisberg hätte verdampfen müssen, um ‚Oumuamua den beobachteten Kick von 0,1 % seiner Geschwindigkeit zu geben. Angesichts der Tatsache, dass ‚Oumuamua die Größe eines Fußballfelds hatte, ist unklar, wie ein Drittel seiner gesamten Wasserstoffmasse aus einer Tiefe von mehreren zehn Metern an seine Oberfläche entweichen kann, ohne dabei auch Wassermoleküle herauszudrücken. Tatsächlich zeigen bekannte Kometen Wasserdampf mit Staub. „’Oumuamua kann kein typischer Komet sein, weil er nicht wie ein typischer Komet aussah.“ Wie ich in einem 2021 veröffentlichten Artikel zusammenfasste, „zeigte Oumuamua auch noch andere Anomalien als seine Beschleunigung. Die Schwankung der Helligkeit des reflektierten Sonnenlichts um den Faktor zehn, wenn es alle 8 Stunden taumelte, implizierte laut einer detaillierten Analyse der Lichtkurve von ‚Oumuamua durch Sergey Mashchenko aus dem Jahr 2019, dass es eine extreme Form hatte – höchstwahrscheinlich scheibenförmig und nicht zigarrenartig. Diese scheibenartige Form, die von Mashchenkos Analyse mit einem Konfidenzniveau von 91 % bevorzugt wird, stimmt mit der Interpretation der flachen Membran überein.


Grafische Darstellung der mit verschiedenen Teleskopen beobachteten Helligkeitsveränderungen von ‚Oumuamua.
Copyright: ESO/K. Meech et al.

Darüber hinaus entstand ‚Oumuamua in der Nähe des Lokalen Ruhesystems (LSR), dem Referenzrahmen, der den Durchschnitt über die zufälligen Bewegungen aller Sterne in der Nähe der Sonne abbildet. Laut einer Veröffentlichung von Eric Mamajek aus dem Jahr 2017 hätte „weniger als 1 von 500 Feldsternen in der Sonnenumgebung eine Geschwindigkeit, die so nahe an der mittleren Geschwindigkeit dieses Rahmens relativ zur Sonne liegt“, so wäre ‚Oumuamua in seiner früheren Anfangsgeschwindigkeit vor dem Schwerkraft-Schub durch unsere Sonne extrem selten.

Insgesamt ist es aber schon fantastisch, das anhaltende Interesse innerhalb des Mainstreams der Astronomie zu sehen, die anomale Beschleunigung von ‚Oumuamua mehr als fünf Jahre nach seiner Entdeckung zu erklären. Es ist gut, alternative Modelle zur Hand zu haben, wenn wir mit dem bevorstehenden „Legacy Survey of Space and Time“ (LSST) am Vera C. Rubin Observatory nach dem nächsten ‚Oumuamua-artigen Objekt suchen.

Die grundlegende Frage, die mich interessiert, ist die, ob ‚Oumuamua nun natürlichen oder künstlichen Ursprungs war. Wenn das nächste ‚Oumuamua -Objekt künstlich erscheint, dann fühlen wir uns vielleicht wie Hausbesitzer, die alle Gegenstände in ihrem Hinterhof als Steine ​​identifiziert haben, einschließlich jener Tennisbälle, die von der kosmischen Straße stammen und von unseren kosmischen Nachbarn geworfen wurden.

Manchmal fühle ich mich wie das Kind in Hans-Christian Andersens Märchen, das behauptete, dass „der Kaiser keine Kleider hat“, während die „Erwachsenen“, die der Prozession zuschauten, darauf bestanden, dass der Kaiser schicke Kleidung trug. In meinem Fall ist der Kaiser ‚Oumuamua und die Kleider sind sein unsichtbarer Kometenschweif.


Prof. Dr. Avi Loeb ist Leiter des „Galileo-Projekts“ in Harvard, einer systematischen wissenschaftlichen Suche nach Beweisen für außerirdische technologische Artefakte. Loeb ist Gründungsdirektor von Harvards Black Hole Initiative, Direktor des Institute for Theory and Computation am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Vorsitzender des Beirats des Breakthrough Starshot-Projekts. Er ist Autor des Buches „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“.
© Avi Loeb / grenzwissenschaft-aktuell.de (Übers.)

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