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Grundlagen der Naturgeschichte:
in Biomagie - Die Vereinigung von Kraft & Form: 04.05.2010 12:45von Adamon • Nexar | 15.540 Beiträge
Über dieses Buch :
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*
Dass Aegypten das älteste Kulturland der Welt sei, wird heut-
zutage Niemand mehr bezweifeln. In Aegypten selber aber das
älteste Kulturland ist das Delta. Wo der Nil aus seinem engeren,
einige Stunden breiten Thal entlassen wird — rechts die hochgele-
gene Gitadelle von Kairo, links die Pyramidenhöhe von Memphis —
breitet er zwei grössere und eine Menge kldnerer Arme soweit aus^
als die beiderseits zurückweichende Wüstenhöhe es gestattet. Das
Land zwischen diesen Armen war in der That der geeignetste Boden,
eine uranfängliche Menschenrace zu ernähren, unten am Meer und
nur durch Dünenstreifen vom Meer getrennt, liegen die Seen und
Sümpfe, in denen Lotos und Papyrus wuchs, also die Pflanzen, die
mit ihren Wurzelknollen und ihrem Wurzelschaft durch alle Zeit
Yolksnahmng blieben (Her. 2, 92). Ebendort ist heute noch üeber-
fluss Yon Fisch und Wassergeflügel. Allerdings ist man gewohnt die-
ses Delta für jüngeren Boden und mit Herodot für ein Geschenk des
Nils zu nehmen. Ein Geschenk des Nils ist es allerdings, aber doch
nicht in anderem Sinn als das Rheinthal ein Geschenk des Rheins.
Das Mass einer Menschengeschichte reicht nicht aus, um das min-
deste Wachsthum nachzuweisen. Wenn der Nil Erde niederschlägt,
80 nimmt er dafür mit einer einzigen höheren Fluth den etwaigen
Ansatz eines halben Jahrhunderts wieder mit sich fort und ins Meer
hinaus. Man hat zwar an einigen Denkmalen (dem Obelisken von
Heliopolis, der seit dem 23. Jahrhundert vor dem Eingang des Nil-
thals steht, sowie an den Memnonkolossen in Oberägypten) die all-
mälige Bodenerhöhung messen wollen, hat aber nicht bedacht, dass
diese Denkmale inmitten alter aus Nilerde gebauter und wieder auf-
gelöster Städte stehen, dass also in ihrem Umkreis der Boden sich
ungleich rascher erhöhen musste, als anderwärts. Gleichwohl beträgt
auch dort die Erhöhung nur wenige Fuss. Dass das Delta in Ur-
zeiten menschlicher Erinnerung schon wesentlich aussah wie heute,
bezeugt die ägyptische Göttersage. Durch die tanitische Mündung
schwamm der Mumiensarg mit dem Leichnam des Osiris in's Meer
14 Aegypten.
hinaus; in den Tempel von Buto am Sumpf unmittelbar hinter den
Dünen flüchtete Isis ihr Kind Horus-ApoU vor den Nachstellungen
des Typhon; durch die Deltasümpfe fuhr sie im Papyruskahn um die
Stücke des von ihr wiedergefundenen, von Typhon zerrissenen Osi-
risleichnams zu suchen. Diese vermeinte Göttersage ist aber, wie
wir sehen werden, nichts als die Familiengeschichte eines vorhistori-
schen Königshauses, das mit all' seinen Mitgliedern, guten und bösen,
nachmals in den Rang der Göttlichkeit eintrat, kosmische Aemter
und Kräfte an sich zog.
Die ältesten Denkmale stehen zwar nicht im Delta, aber auf dem
festen Felsboden über dessen oberem Ende. Es sind die Pyrami-
den — also die grössten Architekturwerke der Welt am Eingang
aller Architekturgeschichte. Ebendort ruht der grosse Sphinx —
das grösste Skulpturstück der Welt am Eingang aller Skulpturge-
scbichte. Aber nicht nur das Grösste, sondern auch das Beste wurde
in jener vermeintlichen Morgenfrühe schon geleistet. Nach Aller Up»
theil sind die in neuester Zeit im begrabenen Sphinxtempel gefunde-
nen Sitzbilder des Königs Ghafra, des Erbauers der zweiten Pyra-
mide, an Ausdrudk und Richtigkeit der Verhaltniase unerreicht in der
ganzen späteren Kunst Aßgyptens. Dieser Cliafra aber kommt nach
der gewöhnlichen Anordnung ägyptischer Chronologie etwa ins
33. Jahrhundert zu stehen — also 1000 Jahr früh^ als die ältesten
Kukurspuren, die vrir auf dem ältesten Kulturboden Asiois, in Chal-
däa, finden werden. Was aber wird vorausgesetzt dorch ein Werk
wie die grosse Pyramide! Ihre inneren Gänge sind ans mächtigen
Granitblöckai so wunderfein und spiege^Iatt gefugt, dass heute noch
die Technik davor verzagen muss. Der Dynastie der Pyramidenkö*
nige voraus g^en in den ägyptischen Listen noch 3 andere Dynastien
bis auf König Menes (etwa 3800), mit welchem die Aufzählung der
menschlichen Regentenreihe beginnt. Noch weiter hinauf folgt eine
Reihe Halbgötter bis wir vor der Dynastie der pnzen Götter, dem
Haus des Osiris, anlangen. Da es aber nicht die Götter sind, welche
Steine behauen und Hymnen schreiben lassen, Staat und Familie
gründen, Kultus ordnen etc., müssen es Mensdien gewesen sein. Aus
solchen bestand auch das nachmals vergötterte und zu kosmiadien
Aufgaben berufene Haus des Osiris. Erst des Osiris Vater oder Gross-
vater Agathodämon, der Beherrscher des goldenen Alters, ist es,
der die letzte Grenze menschUcher Erinnerung bezeichnet. Bis dort
hinauf braucht es noch ein gutes Ende Zeit, wenn wir auch verzich-
ten auf die übermenschUchen Regierungszahlen, welche die Aegypter
jenen vermeinten aber immerhin als sterblich bezeichneten Göttern
zuschreiben. Es ist die Zeit, in welcher die ägyptische Kunst und
Ldteratur sich zu der Höhe entwickelt haben muss, auf der sie am
Eingang der Geschichte uns schon begegnet. Die Entwicklungsstufen
sdbst sind nicht mehr vorhanden.
Von allen Völkern, wie Lucian versidiert (Syr. Dea 2), sollen
Aelteste Literatur. 15
die Aegypter die ersteo gewesen sein, die den Begriff von Göt-
tern geiasst, Gottesdienst und heilige Orte gestiftet und festliche
Versammlungen angeordnet, wie sie denn auch die ersten waren, die
^e heilige Sprache, heilige Sagen und Lehren besaasen. Sie sind
die ersten, denen der Götter Gunst zu Theil wurde (Jambl. Myst. 7,
5). Ihre heilige Literatur selbst wird zurückgeführt auf Hermes
den einmal grossen, welcher der hauptsächlichste Rathgeber und Kul*
tusminister des staatgrimdenden Osiris war. Namentlich 42 Bücher
unter Hermes' Namen sind bis in die späteste Zeit den Aegyptem
heilig und massgebend geblieben. Sie umfassten die Gesetze für
Staatsleben und Gottesdienst, die wissensdiafbUche Glaubenslehre und
die Hymnensammlung, femer Astronomie, Geometrie, Arzneikunde etc*
Besondere Klassen der Priesterschaft (Propheten, Ten4)elschreiber,
Stundenschauer etc.) waren yerpflicbtet den oder jenen Theil der hei-
ligen Bücher auswendig zu wissen und zur Anw^dung bereit zu ha-
ben (Giern. Strom. 6, 4. B. I, 112). Da diese Bücher noch zu
Clemens Zeit im Gebrauch waren, wird es nichts weniger als wun-
derbar erscheinen, dass wir sie theilweis heute noch besitzen. Zwar
werden die sogenannten hermetischen Schriften als Machwerk aus
chriatlicher Zeit von der »Kritik« mit Verachtung bei Seite gelassen.
Es ist aber gleichwohl richtig, was Jamblichus angiebt: »Die unter
dem Namen des Hermes herumg^agaien Schriften enthalten herme-
tische Dogmen, wenn sie auch oft im Sinn griechischer Philosophen
red^i. Denn sie sind aus dem Aegyptisohen ins Griechische Ton »der
Philosophie nicht Unkundigen übertragen« (vgl. Görres, Mythengesch.
S. XXV)* Der beste Beweis ist, dass ihre Hauptlehren (wie der in
3 Stufen entwickelte Schöpf ergeist, und insbesondere die Lehre vom
Logos, der zweiten Stufe; femer die Lehre von der Menschenseele
als einem gefallenen, zur Strafe in den Menschenleib gebannten höhe-
ren Geist; endlich die Auflösung der ganzen Welt in Gott etc.) in
den urältesten Systemen aller Völker genau so wiederkehren, also in
Aegypten vorhanden gewesen sein müssen, bevor der ägyptische Geist
sänen Weltkulturgang antrat. Also die Aegypter zweifelten nicht,
dasB in Osiris' Zeit eine heilige Literatur möglich und vorhanden war.
Doch versteht es sich von selbst, dass auf dai Namen »Hermes« das
Werk verschiedener Zeittti zusammengetragen wurde, wie ja auch der
hebräische Moses als vorausgesetzter Verfasser des Pentateuch zum
Vertreter der bürgerlichen und religiösen Gesetzgebung, der Glaubens-
lehre, des Kalenderwesens, der Medizin, sowie der Hymnendichtung
wird. Selbst die mageren Notizen aus Manetho übrigens, die dem
Verzeichniss ägyptischer Dynastien (diesem Auszug aus seinem Ge-
Schichtswerk) beigegeben sind, beweisen, dass von der ältesten Zeit
sn die literarische Thätigkeit niemals ausgesetzt wurde. Der zweite
Keicfaakönig, Athothis, schrieb ein Werk über Anatomie. Wenn
fieser Athothis, wie sein unmittelbarer Vorgänger Menes oder Mne-
tis (der Gesetzgeber) auch nur Niederschläge aus der Göttersage
' 16 Aegypten.
wären (s. Menes), so TerBtärken sie doch das Zeugniss für ein Vor-
handensein der Literatur schon in Götterzeit. In der dritten Dynastie
wird König Sesorthos genannt, ein so geschickter Arzt, dass die
Aegypter ihn für Asklepios hielten. Eine der ältesten Papyrusrollen,
vieUeicht eines der hermetischen Büdier selbst (in Berlin), nennt alle
Krankheiten, beschreibt deren viele, giebt die Heilmittel, Pflaster,
Wasch ongen, Klystiere etc. an (Ghabas, Melanges egyptol. 1862). Vom
Erbauer der grossen Pyramide, von Gheop8(Suphi8) wissen wir, dass
ei^ erst ein Götterverächter war, dann aber ein theologisches Buch
schrieb, das in hohen Ehren stand (Euseb. und Syncell. R. I, p. 285).
Von moralischem Inhalt ist ein Papyrus der Pariser Bibliothek, der
nach dem Datum von im Text als gleichzeitig genannten Königsnamen
zu schliessen, an's Pyramidenalter selber hinanreicht. Dieses älteste
erhaltene Buch der Welt (Facsimile von Prisse) enthält die ausdruck-
und gedankenreichen Sentenzen eines hochgestellten Aegypters aus
noch älterer Zeit (Ghabas, Rev. arch. XV). Genug, es wird einleuch-
ten, dass die ägyptische Theologie so weit hinaufreicht als überhaupt
die Erinnerung, auch wenn wir nicht mit Plato (Leg. 2, p. 790) 10,000
Jahr alte Hymnen (zu Plato's Zeit) Yoraussetzen. Bedenke man nur,
dass die urägyptische Lehre, »der Nil sei eine Ausströmung des welt-
umfassenden und umströmenden Urgeistes Okeanos« das Urbild aller
idealistischen Systeme, z. B. ganz augenscheinlich der indischen, ge-
worden ist. Als So Ion die ägyptischen Priester über alte Dinge be-
fragte, merkte er, dass weder er noch irgend ein Grieche Kenntniss
von entfernter Vergangenheit habe. Solon, Solon, ihr Griechen
seid immerdar Kinder I rief der ägyptische Priester (Plat. Tim. p.
466. Clem. Str. 1, p. 303).
Die ersten Göttertempel sollen von Osiris und Isis erbaut sein
(Diod. 1, 15), und zwar für Amun-Zeus (den Urgeist) und Hera-
Ilithyia (die Urraumgöttin). In einem Werk »Geburtsfeier des
Uorus«, wie Plutarch überliefert Tis. 52), stand geschrieben: Horus,
der Isis Sohn, habe zuerst von Allen dem Helios geopfert. Ebenso
weiss der Phöniker Sanchuniathon (doch wohl auch aus ägypti-
scher Quelle): Usoos (Typhon-Hephästos) habe den Feuerdienst,
und Samemrum (Kronos) die Verehrung des wehenden Geistes
erfunden. Wie man auch das auffassen mag (wir werden sehen dass
überall die Götter als Einfährer ihres eigenen Dienstes gelten, und
in der That ist der genannte sagengeschichtliche Horus mit dem Son-
nengott, Typhon mit dem Urfeuer Eins geworden etc.) — so viel ist
gewiss, dass zur Zeit jener sterblichen, sagengeschichtlichen Göt-
ter (Osiris und Isis) nur grosse kosmische Mächte verehrt wer-
den konnten. Solche sind allerdings der wehende Urgeist, der im
Nil Strom herabgestiegen und im Rauschen der Katarakten vernom-
men wird, oder der unerforschliche stemfonkelnde nächtliche Urraum,
oder der allmächtige Sonnengott etc. Priesterliche Spekulation hat
diese kosmischen Götter — wir wissen freilich nicht wann? ^— zu
Aeltester Ootterdienst. 17
anem geschloss^en System ergänzt: Schöpfergeiet und Urfener,
Himmel und Erde, Oberer Raum und Unterwelt, Sonne und
Mond — Alles inmitten einer aus Geist und Weltstoff, Zeit und
Raum viereinigen Urgottheit. Dazu kommt das vergötterte
Osirishaus selbst mit all seinen Mitgliedern. Wir wissen abermals
nicht, wann man anfieng den Osiris zum Sonnengott und Inbegriff
aller kosmischen Zeugungskraft, die Isis zur Mondgöttin und weib-
lichen Hälfte der Natur, den Kronos zur Urzeit, den Typhon zum
Urfeuergott zu eriieben. Jedenfalls war auch dieses Ineinanderschmel-
zen der kosmischen und sagengeschichtlichen Figuren schon vollzogen,
eh' irgend etwas davon in's Ausland kam, denn wir finden in den
ältesten Urkunden aller anderen Völker nur die Trümmerstäcke des
fertig ausgebauten ägyptischen Systems. Dass die Aegypter alle reli-
giösen und philosophischen Ideen schon sollen erschöpft haben, wird
um so wenig«* wunderbar sein, als die Ideen, deren der Menschen-
gdst überhaupt fähig ist, so sehr wenige sind. Alle kosmischen Sy-
steme, alle Philosophien sind im Wesentlichen nur andere Namen für
dieselbe, im ältesten Aegypten bereits entwickelte Begriffsgruppe.
»Ich könnte die Namen nennen!« bemerkt Herodot (2, 123) wo er
von griechischen Philosophen (Thaies, Pythagoras) spricht, welche die
Lehre von der Seelenwanderung in Aegypten aufgenommen und für
ihre eigene ausgegeben. Es ist etwas grob ausgedrückt wenn Cle-
mens von Alexandrien versichert, die Griechen hätten ihre Philosophie
bei den Barbaren gestohlen (Strom. I, p. 303. II, 358. IV, 612. W.
zu R.'s Her. 2, 123). Doch bezeugt derselbe (Str. I, 355), Plato
verleugne nicht den Ursprung seiner Lehre. Selbst Aristoteles
beugt sich vor der ägyptischen Lehre von der weltumfassenden Ur-
gottheit und der Beseelung jedes Himmelskörpers (die er selber an-
nimmt) als dem Rest eines untergegangenen aus göttb'cher Offenba-
nmg stammenden Ideenkreises (Metaphys. 12, 8, 3. R. II, 982).
Diesen Ideenkreis, der die Grundlage aller anderen bildet, müssen
wir zunächst wieder herstellen. Wir denken dabei dankbar unseres
Meisters Roth (Gesch. unserer abendländ. Philos., Bd. I.), der die
erste Möglichkeit dazu eröffnet, die Keppler'schen Gesetze für die
künftige ReUgionsgeschichte gegeben hat. An diesen Gesetzen wird
nichts verändert, wenn auch die Mehrzahl seiner Hieroglyphenlesungen
sich nicht mehr halten lässt. Wir verdanken ihm die scharfe Tren-
nung zwischen kosmischer Spekulation und menschlicher Sa-
gengeschichte, dieser beiden hinmielweit verschiedenen Elemente,
ans deren jedem aber Götterfiguren hervorgegangen. Nur trennt er
allzoscharf, wenn er jene Tendenz, kosmische Aemter auf sagen-
geschichtliche 'Häupter herabzuziehen oder die sagengeschichtlichen
Persönb'chkeiten zu kosmischen Mächten zu erheben, für späten Miss-
Terstand und Entstellung nimmt, und darum so gut wie die »kriti-
schen« Schulen Feldzüge gegen widerstrebende Zeugnisse (z. B. im
Plutarcb) unternehmen muss. Dass jene Tendenz von unberechen-
2
18 Aegypten.
barem Alter ist, wird dadurch erwiesen, dass die sagengeschichtlicheo
Götter der Aegypter nur in kosmischer Erhöhung, oder die kosmi-
schen Götter der Aegjpter nur mit sagengeschichtlichem Anhang in
die Welt gegangen. Keine Götterfigur in der Welt aber wird ver-
ständlich, wenn wir diese beiden Elemente nicht bis auf die letzte
Faser in ihr zu trennen wissen. Darum wird im Verlauf unserer
Darstellung der natürliche Plan bei Betrachtung jeder einzelnen Figur
immer und immer wieder heissen: 1) kosmische Hälfte, 2) sagenge-
schichtliche Hälfte. Man wird sehen, wie leicht auf diesem Weg die
Widersprüche sich lösen, die in jeder Figur vorhanden sind und bis
dahin die Mythologie zur unerquicklichsten und unlernbarsten Aufgabe
gemacht haben. Lehrbar und lembar aber, sollten wir meinen, müsse
eigentlich eine Wissenschaft sein. Wir verdanken Roth femer die
nothwendigsten Quader zur Herstellung eines ägyptischen Systems in
der Begriffsbestimmung der ägyptischen Urgottheit: Amun-Kneph
(Urgeist), Neith (Weltstoff), Sebek (Urzeit), Pacht (ürraum); in
der Bestimmung dei* in 3 Stufen entwickelten Schöpferkraft, wenn
auch die Bezeichnung der zweiten dieser Stufen in der Reihe: Amun-
Kneph (Urgeist), Pan-Eros (innenweltliches Geisteswirken), Phtah-
Hephästos (Urfeuer) neu: bedingungsweise zuzugeben ; endlich in der
Bestimmung der 3 Raumgottheiten: Pacht-Ilithyia (Urraum),
Säte (innenweltlicher oberer Raum), Hat bor (Unterwelt). Dass
diese Bestimmungen und Verhältnisse richtig sind, beweist die end-
lose Wiederkehr derselben Figuren im selben Verhältniss bei allen
Völkern der Welt, und ist darum auch jede Polemik gegen etwaige
ohne den nothwendigen Kenntnisshorizont unternommene Widersprüche
überflüssig. Falsch dagegen ist bei Roth (ausser der theilweis un-
richtigen Beweisführung für richtige Sätze) die Bestimmung von Fi-
guren wie Herakles, Prometheus. Japetos, Asklepios, Jehova, die nicht
auf das richtige Urbild zurückgeführt werden. Falsch ist femer, um
bis dahin vorzugreifen, die Voraussetzung einer zweiten Urquelle
menschlicher Ide^ und Sagen oder der Glauben an eine uranfangliche
Selbstständigkeit des arischen, indogermanischen Vorstellungskreises.
Wie das gegenwärtige Werk zu erweisen hat, sind auch alle parsi-
schen, indischen etc. Ideen und Sagen, selbst die Mehrzahl aller Na-
men, auf chaldäischen Stamm und durch diesen auf die ägyp-
tische Wurzel zurückzuführen. Roth war von der Autorität unserer
Sanskritschulen etc. noch nicht frei geworden, und ist auf falschen
Boden gerathen, nicht weil er auf seinem Weg zu weit gieng, sondern
weil er nicht weit genug gieng. Die neuere Aegyptologie, der wir
für's Verständniss historischer und poetischer Urkunden so grossar-
tige Leistungen verdanken, hat, wie sie selber eingestehen wird, für
die Aufklärung des religiösen Vorstellungskreises der Aegypter noch
äusserst wenig gethan. Ihr Hauptverdienst in diesem Gebiet ist die
Beseitigung falscher Voraussetzungen. Was sie selber in Namensle-
sung und Erklärung an die Stelle bringt, kann vorerst noch nicht als
Urgottheit. 19
Quelle dienen. Das Beste wird sein, wenn wir fast alle Deutung
ägyptischer Göttemamen bei Seite lassen und auf keine Form etwas
gründen, die niclit durch griechische Nachricht überliefert ist.
1) Kosmische Götter.
Also das ägyptische System Tcrmögen wir herzustellen aus der
Vergleichung der zahlreichen griechischen Nachrichten mit den Bild-
werken und Inschriften — d. h. jenen hieroglyphischen Namensbe-
stimmnngen, die Jedermann nachbuchstabiren kann — und vermögen
es zu befestigen durch das Spiegelbild, das es allenthalben in späte-
ren Systemen, zumal in der sog. orphisch^ Theologie findet. An
seiner Spitze steht eine Urgottheit, viereinig aus Geist und Welt-
stoff, Raum und Zeit, die heilige Tetraktys oder Vierfaltigkeit
der Pythagoräer. Vor der Existenz alles Vorhandenen war eine ein-
zige und erste Gottheit (Jambl. myst. Aegypt. 8, 2). Sie war eins
mit der Welt (Plut. Is. 9), und unentstanden (Flut. 21), unsichtbar, und
hiess darum Amun, verborgen (Manetho bei Plut. 9. Vgl. R. I., n. 80) und
wurde als »unerkennbares Dunkel« bezeichnet (Damascdeprim.prin.p.
385. ed. Kopp.). Diese Gottheit war so heilig, dass man ihren Namen
nicht aussprach (Gic. N. D. 3, 22, wo der Name »Nil« fiir den Ur-
geist steht) und ihr nur durch Schweigen diente (Jambl. 8, 3). Sie
ist Eins, aber einer vierfachen Auffassung fähig als Urgeist (Kneph),
Ur Stoff (Neith), Urzeit (Sebek), Urräum (Pacht). Urgeist und
Urzeit wurden männlich, Urstoff und Urraum weiblich gedacht. Diese
Viertheiligkeit wird sich dadurch verbürgen, dass wir jeden dieser
Einzelb^iffe als Mitglied der Urgottheit nachweisen. Sie ergiebt
sich schon aus den Berichterstattern des orphischen, d. h. pytliago-
räischen Systems, welche allerdings gewöhnUch »drei« Urgründe an
die Spitze stellen, den viei-ten aber offenbar nur sdber verloren ha-
ben, denn bald ist es dieser, bald jener, der ihnen fehlt. Wenn der
Eine die Urzeit, den Ui^geist, den Urraum aufführt, findet sich bei
dem Anderen der Urstoff mit Urzeit und Urraum (R. n. 82). Voll-
ständig, wie wir sehen werden, ist die Vierfaltigkeit in der Urkunde
des orphischen Gedichtes selbst erhalten.
Erste Kraft dieser Urgottheit war bei den Aegyptern
Aman Kneph, der »Verborgene Geist«. Unter Kneph (auch
Neb, Noub, Noum, in griechischer Wiedergabe Knouphis, Chnubis,
Chnomis) verstanden sie, wie der ägyptische Wortstamm zu Kneph
ausweist (R. n. 83) den »wehenden« Geist. fhönikisch wird
er mit Kolpiach, Windeswehen, übersetzt (Sanch. p. 12. Vgl. R.
JL 291) und griechisch mit Pneuma, worin gleichfalls noch
der Begriff des »Wehens« liegt. Pneuma ist aber nur das ägyp-
tische vVort selbst (Noum, mit Artikel Pnoum). Pneuma (den
Geist) nannten die A^Qrpter ihren Zeus, versichern Diodor (1,
12) und Platarcfa (h. 36). Sie kannten eine lebendige Kraft vor
und über der Welt (Jambl. de myät. 8, 4, p. 160) Hnd dachten sie
als feinen geistigen Hauch über dem Chaosdonkel und Wasser des
Abgrunds (Hermetis serm. sac. ; R. n. 84. 85). Dieser Geist umfasst
die Weltkugel in Schlangengestalt. Nach Proklus (in Tim. 3, p.
216) habeü die Aegypter den Erdkreis dargestellt in Gestalt eines
gleicharmigen Kreuzes, das von einem Kreis umschlossen wird. Das.
Ki-euz in der Mitte habe die 4 Weltgegenden bezeichnet, der Ki-eia
die das Weltall umfassende Schlange Kaeph. So jst in der That da»
gewöhnliche Hieroglyphenzeichen für £rdla*eis. Diese weltumfassende
Schlange (s. Agathodämon) ist aber auch als weltumfangender Strom,
als Okeanos gedacht, welcher kreisrund um die äussere Kugelsdiale
herumfliesst und an einer Stelle als Nilstrom hereinbricht. Okea^
nos (Ocham, durch die Hieroglyphe des Adlers dargestellt, der
gleichfalls Ocham heisst, R. n. 162) hiess bei den Aegyptem der Nil
(Diod. 1, 96), und dass der Nil ein Ausfluss des Okeanos sei, dem
glaubt noch Herodot widersprechen zu müssen. »Ich kenne keinen
Strom Okeanos.« Dieser Strom bestand aber in der ägyptischen
Theologie und in Folge dessen bei Homer wie bei den Ind^n. Ho-
mer nennt den Aegyptusstrom, d. h. den Nil, »Diipetes«, d. h.
Zeusentströmt, himmelentstammt, (Od. 4. 477. 581), und wir werden
sehen, dass derselbe Begriff in dem einstigen Nilnamen Jordan ent*
halten ist, einem Namen, der wie alle Nilnamen ins Ausland getragen
wurde (s. Irad, Iredsch). Das Anwachsen des Nils wird als »An-
wachse des Gottes« bezeichnet (Inschr. b. Letronne p. 392). Er
hatte seine Priester in den Uferstädten und zumal in den Katarakt^i
(Heliod. Aethiop. 9, 20), also dort wo er nach Aegypten hereinbricht
und in seinem Rauschen die Stimme des ^Jrgeistes vernommen wird,
die Stimme jenes Amun der Alles durchdringt (Manetho bei Theodo-
ret. ni, p. 512), und Lebensgrund aller Geschöpfe ist (Diod. 1, 12).
Wir werden sehen, wie auch zu Dodona man bemüht war, den WiU
len des Zeus, des webenden Geistes, theils aus dem Rauschen einer
Eiche, theils aus dem Rauschen einer Quelle zu erkennen. Der Nil
heisst geradezu: Zeus (Ammon-Zeus) und Agathodämon (Athen.
5, p. 203. Ptol. 4, 5). Agathodämon (der gute Gott) hiess auch
bei den Phönikem dieselbe Schlange, »welche die Aegypter Kneph
nennen« (Euseb. pr. ev. 1, 10). »Sohn des Nilus« nennt Cicero bald
den Vulkanus, bald den Merkurius (N. D. 3, 22). Beide aber sind
Söhne des Amun, der im Nil sich verkörpert hat (R. n. 161). In
ähnlicher Weise stürzt die indische Ganga aus dem Himmelsgewölb
in die Welt herab, sie, die nicht nur die Sagengeschichte der ägyp-
tischen Nilgöttin wiederholt, sondern auch noch einen Fetzen von
deren Namen (Ocham, Ogan) trägt (s. d.). Eine andere innenwelt-
liche Verkörperung des Urgeistes ist der Sonnengott, Amun als
Sonne, Amun-Re. Diess ist der Gott, dem all die grossen Tempel
der Amunstadt Theben geweiht sind. Dort auf den Wänden oder
Innenweltlicber Schöpfer geist. 21
auf dar Randung der dickea Säulen ist er unzählige Mal in mensch-
lieber Gestalt abgebildet und zwar zumeist mit aufgerichtetem Phal*
lus, um ihn als Schöpfei^eist zu bezeichnen. Geist heisst ägyptisch
jBai«, und nach hieroglyphischem Pnndp können sonach Tbierbilder,
die einen ähnlich klingenden Namen haben, als Lautdeckung für den
Begriff Geist, Seele, eintreten. Solche sind der Widder und d&r
Sperb^ (R. I, 191). Darum hat Knepb und Amun-Re den Widdei^
köpf, oder erscheint ganz und gar in Widdeigestalt (z, B. als Gott
der Ammon-Oase, Gurt 4, 7). Die Alleen von Widdersphinxen, die
in Theben von einem Amuntempel zum anderen fuhren, sind nichts
als der tausendmal wiederholte Namenszug des Gottes. Es sind theils
ganze Widdw, theils LöwHÜeiber mit Widderkopf. Der Löwe bedeu-
tet »Wache« (HorapoU. 1, 19) und wenn zu diesem Löwenleib der
Widdei'kopf des Amun oder das menschliche Haupt des Sonnengottes
kommt, d. h. wenn aus dem Löw^ ein Sphinx wird, bedeutet er
den weltüberwachenden Sonnengott. »Aufseher des Irdischen«, heisst
er in griechischer Insclirift am grossen Sphinx (Letronne, reoherch.
p. 392), und »Löwe dee Himmels« in Hieroglyphen (R.n. 147). Die
kleinen Sphinxbilder in den Inschrift«! haben ein Sonnenscheibch^i
auf dem Kopf, und dass der grosse Sphinx bei den Pyramiden einst
eine kolossale Sonnenscheibe trug, beweist das Loch auf seinen
Oberkopf.
Dieser ausserweltliche Urgeist, der innerhalb der Welt als Okeanos-
^il und als Sonnengott sichtbar wird, bat vorher schon im Chaos
sich als innenweltlicher Schöpfergeist in zwei Stufen entwickelt. Es
sind die Stufen Eros (Logos) und Hephästos. Der erste ist ein
geistiger Zeugungsgott, ein lichtes innenweltliches Geisteswirken,
das aus dem dunkeln Urhauch hervorgeht; der zweite ist der Ur-
feuergott, der materielle Weltbildner, d^i man als kunstreichen
Schöpfer der Einzeldinge denkt. Diese dreifache Folge : 1) dunkler
Urhauch, 2) innenweltliche Intelligenz, 3) Urfeuer, ist höchst
bedeutsam, denn wir finden sie in allen Eosmogonien der Welt wie*
der. Da man aber nicht wird behaupten wollen, diese Folge müsse
natumothwendig dem spekulirenden Völkergeist überall sich aufdrän-
ge so ist sie eine Bürgschaft für die ursprüngliche Einheit aller
Kosmogonien. In Aegypten ist sie uns angezeigt durch Gitate aus
der ägyptischen Theologie in neuplatonischen Schriften. Nach Da*
mascius (R. n. 112. 144) kannten die Aegjrpter einen dreifachen
Kamephis. Das ist Kneph, denn Isis (bei Stob. Eclog. phys. p. 120)
nennt den Kamephis als Ahn, der älter denn alle sei. Plutarch
(Amator. 19) kennt einen dreifachen Eros' der Aegypter, einen ir*
diseben (den Hephästos), einen himmUschen (den geistigen Schöpfer-
gott Eros) und einen dritten, welcher die Sonne sei (d. h. der in
der Sonne sichtbar gewordene Urgeist). Die hermetischen Schriften
fuhren reichlich aus, wie aus der Umacht (Amun) ein Schimmer
aufblähte, ein liebliches Licht, Gott als Demiurg, Gottes Sohn. Diese
22 Ae^pten.
erste innenweltliche Entwickelung des Urgeistes, dieser Gottessohn^
wird auch als Stimme, als Wort (Logos), als Schöpferwort ge-
dacht. Hier allein ist die Wurzel der weitverbreiteten Logosidee.
Dieses »Woi-t« verbreitete sich brütend über die Feuchte, und aus
ihren Eingeweiden flog das Feuer auf, d. h. der Gott des Feuers,
der zweite innenweltliche Demiurg (Poemander und Sermo sacer. Gör-
res M. 360). Wenn CyriU versichert, im »Hermes« sei deutlich die
Trinität ausgedi-ückt (contr. Jul. p. 33), so ist diese in 3 Stufen
entwickelte Schöpferkraft gemeint. Um deren Niedersteigen in den
sagengeschichtlichen Osiris (s. d.) anzudeuten, wurde Osiris mit drei-
fachem Phallus dargestellt.
. - Was Du aufdeckst, - offenbart sich . -
"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -
Das Thema wurde geschlossen. |
Grundlagen der Naturgeschichte:
in Biomagie - Die Vereinigung von Kraft & Form: 04.05.2010 12:47von Adamon • Nexar | 15.540 Beiträge
Wir müssen nun den ersten und den zweiten innenweltlichen
Schöpfergeist auf den Denkmalen suchen. Das ist nicht ohne Be-
denken, denn die Figuren, die wir finden werden (Pan-Mendes für
den ersten, Hephästos für den zweiten BegriflF) sind dermassen von
einem und demselben Gehalt, dass man zweifeln könnte, ob nicht
Beide nur den zweiten Begriff, den Ürfeuergott, vorstellen. Wir wer-
den auch die Gründe sehen, die auf der Trennung zu verharren
zwingen. Einer der Namen für die erste Stufe lautet:
Khem oder Kham. So heisst der Gott in den Ueberresten sei-
ner Stadt Chemmis in Oberägypten, die bei den Griechen den Na-
men nPanopolis« führt. Sie kannten den Gott als phallische
Figur (Steph. B. : Panopolis) und so zeigt ihn die Abbildung ( W. IV,
259), von Bäumen und Kräutern umgeben (wie Priapus in den Gärten).
Die griechischen Inschriften in den Steinbrüchen der Wüste rufen ihn
an als Pan von Theben, und eine dessgleichen zu Panopolis erklärt
den Pan und die Triphis für die grössten Götter (Letr. Ins. I, p.
106).
Triphis aber, wie wir sehen werden, ist die mit dem innen-
weltlichen Schöpfergeist vermalte Göttin der Urnacht. Nach Hero-
dot wurde »Pan« von den Aegyptem bocksfüssjg und mit Ziegenkopf
vorgestellt, wobei er ausdrücklich bemerkt (2, 46), die Aegypter hät-
ten nicht geglaubt, dass der Gott wirklich so aussehe. Zu Mendes
im Delta wurde ein lebendiger Bock als lebendige Hieroglyphe seines
Namens verehrt. Ebendort zählte man den Gott unter die »Achte«,
d. h. die 8 innenweltlichen Götter: Schöpfergeist, ürfeuer, Himmel
und Erde, Oberer Raum, Unterwelt, Sonne und Mond — verehrte
ihn demnach als kosmische Macht.
Dieser Pan der Mendesier hiess
selber Mendes (Her. k. 0.) und wir haben nicht den mindesten
Grund von diesem Mendes im Delta den Gott Menth, Monthn zu
tiennen, der auf oberägyptischen Denkmalen erscheint. Da Menth
in den Inschriften »Erzeuger der Sonne« genannt wird und wie Amun
selber als Sonne sich verkörpert (Menth-Ri, in griechischer Wieder-
gabe Mandulis, R. n. 115), kany entschieden nur ein Schöpfergeist
gemeint sein. Derselbe Gott, der seine Bocksgestalt (Abbild. Ch P.
pl. 2, quater) natürlich nur als Symbol seiner Zeugungskraft hat,
führt den seltsamen Titel Pekie, Gemal, Gemal seiner Mutter,
Fan. 23
und in dieser Eigenschaft war ihm zu Hermonthis ein Stier, der Stier
Pachis (Pekie) geweiht (R. p. 116). Seine Mutter ist aber bald die
Göttin des Weltstoffs (Neith-Athene), bald die Göttin des ürraums
(Hithyia-Hera) — jene Gottheiten, mit denen der innenweltliche Schöp-
fergeist die innenweltlichen Massen (Erde, Himmel, Sonne, Mond) und
die innenweltlichen Räume (Tagraum und Unterwelt) erzeugt. Wenn
aber er selber Stier- und Bocksgestalt hat, dann nehmen jene Göt-
tinen naturgemäss Kuh- und Ziegei^gestalt an.
Es ist das Kuh- und
Ziegensymbol, das die Athene, Hera etc. auch dui'ch die griechische
Sage noch begleitet. Als Gemal seiner Mutter heisst der ägyptische
Pan gewöhnlich Seph, Scheph, Erzeuger, Har-scheph, erzeugen-
der Gott. Auch dieser Harseph wird »Erzeuger der Sonne« genannt
(R. n. 117). Bei den Griechen lautet sein Name: Arsaphes, (Plut.
Is. 37. s. Osiris). Aber Seph, Scheph wurde ägyptisch auch Keph
geschiieben (vgl. den Kronos-Seb und Keb, Seth und Cheth etc.).
Darum heisst Haiseph auch Harkeph und kehrt wieder in Erika-
päus, einem Namen, der im orphischen Gedicht dem innen weltlichen
Schöpfergeist Phanes (Pan, Eros) ertheilt wird.
Denselben Harseph-
Pan haben wir zu erkennen in dem Sohn der zu Esue verehrten
Götter Eneph und Nebouou, d. h. des Urgeistes und der Uriaum-
göttin. Er heisst Hik (männliche Form zu Hekte, Hekate), was
einfach den »Herin« zu bedeuten ^heint. Wenn er zu Esne, wo die
prächtige Tempelvor halle noch steht, als Sohn der Urraumgöttin ge-
dacht wird (R. n. 118), so hindert das nicht, den Harseph ander-
wärts auch als Sohn der Neith (R. n. 116) d. h. des Weltstoffs, zu
denken, denn für den innenweltUchen Schöpfergeist ist natürlich Bei-
des möglich.
Dieser phallische Schöpfergeist der Aegypter ist der Liebesgott,
den wir in allen Kosmogonien, im Eingang der Dinge stehend und
hervorgegangen aus der Urnacht, wiederfinden. In Babylon heisst er
Apason, wörtlich: Verlangen, und ist Sohn des verborgenen Ur-
geistes und der Göttermutter Tauthe (Tohu, das Chaos). Bei den
Phönikem (nach der griechischen Uebersetzung aus Sanchuniathon)
heisst er Pothos, Verlangen, der ersteizeugte Sohn der mit wirrer
Finstemiss erfüllten Kluft und eines finsteren Geisteswehens. Dess-
gleichen geht der indische Kama, wörtlich:
Verlangen, aus einem
zwischen Sein und Nichtsein schwankenden Chaos hervor, und der
griechische Eros bei Hesiod, der »schönste der Götter« entsteht zu-
gleich mit Gäa und Tartaros aus demselben Chaosraum. Bei den
Parsen heisst der innen weltliche Schöpfergeist: Vohu Mano (Gut-
herz, Genius des Wohlwollens) und im Norden Wunsch und Vili,
also abermals dasselbe wie Pothos, Eros etc., nämlich Verlangen.
Aber ausdrücklich wird in den hermetischen Büchern dieser erste
inne&weltliche Schöpfergeist auch »Wort« genannt. Das Wort des
Urgeistes, ausgehend aus seinem Schoos, mit weltbildender Kraft be-
gabt, ist herabgestiegen in die wogende Welt und hat die Wasser
24 Aegypten.
befruchtet. Es wird angerufen als »mächtiger Schöpfer des Himmels,
Stimme des Vaters, erstes Wort, das er hervorgebracht, sein einziges
Wort etc. (C-edren. Chron. p. 26). Der erste Gott, Allschöpfer, bat
diesen zweiten sichtbaren hervorgebracht als den ersten und alleimgen
und weil er schön war und an allen Gütern reich, darum hat er ihn
geheiligt und geliebt als Theil von sich selbst, als seinen eigenen
Sohn (Hermes b. Lactant. de fals. rel. 52. Asclep. p. 127. Görres,
353). Das könnte nun Alles später Herkunft, cbuistliche Fälschung
etc. sein. Aber im orphischen Gedicht, d. h. bei Pythagoras, er-
scheint derselbe »leuchtende Erstgeborene, des Aethers Sohn« als
Gott Metis (Einsicht, Intelligenz), ohne dass darüber sein Begriff
als Erzeuger und »allerfreuende Liebe« verloren geht (R. II, 660).
Dieser Phanes-Metis wird von Zeus, dem ürgeist, wieder verschlun-
gen — offenbar nur ein Ausdruck für die innige Einheit des Urgeistes
mit dem innen weltlichen Sohöpf^geist. Hesiod kennt eine Göttin
Metis, die gleichfalls von Zeus verschlungen wird, und deren ra-
thende Stimme er nun in seinem Inneren hört. Da jener Phanes
mannweiblich ist, konnte er allerdings in einen Gott und in eine Göt-
tin Metis ' auseinander gehen. So hat auch bei den Alexandrinern
und Gnostikern derselbe Begriff sich geschieden in Logos, das Seh Op-
fer wort, und Sophia, die himmlische Weisheit Mit Hesiod aber
ist uns bereits ein selu* anständiges Alter der Vorstellung verbürgt.
Es reicht noch höher hinauf, denn in der babylonischen Kosmogonie
steht derselbe Logos im Eingang der Binnenwelt als Moymis, der
»intelligible Verstand«. Es macht keinen Unterschied aus, dass die-
ser Moymis nicht mehr dei* Liebesgott Pan-Eros. sondern der baby-
lonisch verklärte Zeitgott ist. Man hat zu Babylon den Liebesgott
(Apason) in die Urgottheit zurückgezogen und an seine Stelle den aus
der Urgottheit berufenen Zeitgott Moymis (Aeon Protogonos der
Phöniker) treten lassen. Da dieser Moymis aber alle Aufgaben des
Schöpfergeistes übernimmt, ist der Tausch gleichgültig. Auch Moy-
mis (Jao, s. Bei) ist der Logos, die innen weltliche Intelligenz und
geistige Sonne. Die chaldäischen Rabbinen finden allenthalben im
alten Testament seine Spur. Sie nennen ihn Memra, das Wort (vgl.
den nordischen Mimir) und fassen ihn als ein von Gott verschiede-
nes, von ihm ausgeströmtes Wesen.
Wir können darum nicht zwei-
felhaft sein, woher der Logosbegriff des Philo von Alexandrien stamme.
Auch dort ist Logos »die älteste Schöpfung Gottes, nicht ungezeugt
wie Gott, nicht erschaffen wie endliche Wesen, Sohn des ewigen Va-
ters, sein Ebenbild, Urmensch, Schöpfer der Welt. Mittler zwisch«i
Gott und den Menschen, Schutzengel, Vertreter, Hoherpriester der
Welt, oberster Engel, Untergott und Regent der Welt, den der Herr
eingesetzt hat, weil er wegen seiner Reinheit das Unreine, die Ma-
terie, nicht berühren darf« etc. (Gfrörer, »Philo« etc. Nork, bibl.
Mythol. II, 275). Philo aber war der unmittelbare Vorgänger der
christlichen Theologie.
Phtah. 25
Zweite innenweltliche Entwickelung des Ui^eistes ist
Phtali^ Ptah, das ürfeuer. Das Feuer hielten die Aegypter für
einen grossen Gott und nannten es Hephästos (Diod. 1, 12. Clem.
Hom. 9, 6), d. h. Plitah. Als noch keine Sonne war, leuchtete Phtah,
(das Urfeuer) Tag und Nacht (Manetho b. Sync. chron. p. 51. Eu-
seb. chron. p. 6), denn der Gott des Urfeuers ist es, der naturge-
mäss dem Sonnengott als Weltregent vorausgeht. Phtah ist bei Ci-
cero »Vater der Sonne« und Sohn des Nilus (N. D. 3, 21. 22), d.
h. des Urgeistes. Aus dem Munde Kneph's war ein Ei hervorgegan-
gen (das Weltei) und aus diesem:
Phtah-Hephästos (Euseb. pr. ev.
3, 11). Was im Ei ruht ist noch unvollkommen; darum wurde Phtah
als ungeborenes Kind mit dickem Kopf und schwachen Beinen
dargestellt Da er aber gleichwohl im unfertigen Weltzustand der
Erzeugung der Dinge vorsteht erhält er den aufgerichteten Phallus
(R. n. 129). Es ist das Bild, über das König Kambyses lachte (Her.
3, 37) und das allerdings eben nicht anziehend wirkt (Gh. P. pl. 8.
W. pl. 24). Aber es drückt seine Idee aus, und diesem Ausdruck
kommen die Aegypter an ihren sonstigen Phtahfiguren mit allem Auf-
wand hieroglyphischer Mittel zu Hülfe. Ein Zeugungsymbol z. B. ist
der Skarabäus, der angeblich nur durch Bildung einer Mistkugel sich
fortpflanzte. Darum hat Phtah diesen Skarabäus statt des Kopfes
(Gh. pl. 13). In jenem unfertigen Weltzustand sind andererseits die
männlichen Schöpfungskräfte noch gar nicht zu trennen von ihrer
weiblichen Hälfte (Weltstoff und Raum).
Darum wird von Phtah
imd den beiden höheren Stufen des Schöpfergeistes in den hermeti-
schen Schriften auch ausgesagt, dass sie mann weiblich waren (vgl.
Neith). Wir werden die Mannweiblichkeit des Amun (Asclep. p. 142)
in der des Zeus, die Mannweiblichkeit des Menth-Harseph, in der
des Phanes (Giern. Homil. p. 672), die Mannweiblichkeit des Phtah
(Horapoll. 1, 12. Görres 365) in der des persischen Feuergottes,
beim indischen Siva-Hephästos, beim nordischen Loki und in man-
chem sagengeschichüichen Niederschlag auf griechischem Boden (Kai-
neus, Leukippos, den Dioskuren etc.) wiederfinden.
Uebrigens
¥rurde in Aegypten bereits der Urfeuergott zum kunstreichen Götter-
schmied, wie Hephästos, ausgebildet. Aufrichtig und kunstgerecht,
heisst es (Jambl. myst. 8, 3), hat Phtah Alles fertig gemacht, was
Amun an's Licht gezogen.
Alle drei Formen des Schöpfergeistes sieht man auf einer Tem-
pelwand zu Philä (Rosellin. Mon. del Culto) mit Menschenbildung
beschäftigt. Phtah und der widderköpfige Kneph (hier als Harseph)
sitzen jeder vor seiner Töpferscheibe, worauf der Lehmklos oder ein
bereits fertiges Menschenbild zu sehen. Der Nilgott giesst Wasser
zu. Vom dreimal grossen Hermes, dem Sonnengott (also dem-
selben Amun) heisst es (Stob. Ecl. phys. 1, 2), er habe den spröden
Stoff mit Wasser geschmeidig gemacht. Darum finden wir auch den
ägyptischen Nilgott als Stammvater der Menschheit in weitesten Krei-
26 Aegypten.
sen anerkannt. Sein Name Och am hat sich verkürzt in Cham (wie-
Ochna in Ghna, Ogyges in Gyges, Ogenos in Genius — alles Namei>
desselben Gottes und vom selben Wortstamm). Wie der Name Ae-^
gyptus ist der Name Cham vom Strom tiberg^angen auf Land und
Volk. Mit dem Namen Cham wird in hebräischer Ueberliefenmg
nicht nm* der Patiiarch oder Gott, sondern auch ein Drittheil der
Menschheit bezeichnet.
Weiterhin vertritt er die ganze Menschheit
(denn auch der Ausdruck Homo für Mensch ist nichts Anderes) und
den ganzen Erdboden (wie die Worte Chamai, Amathos, Humus etc»
darthun). Wir werden denselben Schöpfergeist mit demselben Na-
mensstamm bei den Griechen und Germanen als Hermes, bei den
Parsen als Haoma, Jima und Achämenes, in Indien als Jama
wiederfinden. Dort in Indien giebt es noch mehr Beispiele, wie die
Menschhdt nach dem Gott sich nennen kann, der sie geschaffen hat:
Manu, Puru, Aju, Nahuscha etc. — Alles, wie wir sehen wer-
den, nur Namen für denselben Agathodämon-Cham und zugleich Na-
men der Menschheit selbst.
Aber auch dieselbe dreifache Entwicklungsfolge (dunkler ausser-
weltlicher Urhauch, lichtes innenweltliches Geisteswirken und drittens
Urfeuer) ist, wie bereits bemerkt, in allen Eosmogonien übrig und
überall mit der Aufgabe betraut, Menschenschöpfer und Stammväter
der Menschheit zu sein. Im Norden sehen wir 3 Götter mit Namen
Odin, Vili, Ve zur Menscbenbelebung schreiten. Odin ist der Ur-
geist; Vili (Wille, Wunsch, Verlangen) entspricht dem Pothos, Eros,
Apason, Kama etc., die alle gleichfalls »Verlangen« bedeuten, ist also
der erste innenweltliche Schöpfergeist; Ve (sonst Weland, Völundr)
ist der ürfeuergott und kunstreiche Götterschmied.
Dieselbe Reihe
heisst auch Odin, Hönir, Lodr. Hönir, der »Pfeilkönig« ist wie-
der der innenweltliche Schöpfergeist, der auch als giiechischer Eros
und Chiron, als indischer Kama schon Pfeil und Bogen führt; der
dritte, Lodr, bedeutet »Feuer«. Noch einmal dieselben 3 Zeugungs-
götter erscheinen unter den Namen Naglfar. Onar, Dellingr, und
sind in der Edda ^nacheinander vermalt mit der Nacht, derUmacht.
Erster Gemal der ümacht in Aegypten aber ist Amun-Kneph. Ihm
also entspricht Nagelfar. nach welchem auch die nordische Amuns-
barke sich nennt; dem Vili-Hönir entspricht schon dem Namen nach
Onar; der dritte Dellingr, ist Vater des Dagr, des Sonnengottes,
selber also der ürfeuergott, denn auch in Aegypten ist Hephästos
Vater der Sonne.
Noch einmal dieselbe Reihe erkennen wir in den
Namen Slafidr, Eigill, Völundr, jenen 3 Brüdern, die mit 3
Schicksalsgottheiten oder Valküren, d. h. einer anderen Auffassung
der Nacht oder der 3 Göttinen der Nacht (s. Pacht) sich vermalen.
Slafidr ist der flügelschlagende Aether, der ürgeist; Eigill, der
Schütze, aus welchem bekanntlich auch der Schütze Teil geworden,
Entspricht dem Schützen Hönir-Eros; der dritte, Völundr, ist wieder
der Feuer- und Schmiedegott Hephästos. Dieselben Drei aber sind
Stammväter der Menschheit. 27
es auch, die bei den Parsen Ormuzd, Bahman und Ardibehist
heissen. Ormuzd ist der höchste Geist; Bahman (bei Plutarch: Ge-
nins des Wohlwollens, Liebesgott), der erste Amschaspand oder Erz-
engel des Ormuzd, ist der innenweltliche Schöpfergeist, denn ihm hat
Ormuzd die Erschaffung der übrigen Amschaspands überlassen. Der
nächste derselben, Ardibehist, ist Genius des Feuers. Im Norden be-
leben Odin, Hönir, Lodr die hinfällige Menschenpflanze. Odin, der
ürhauch, giebt die Seele; Hönir, als innen weltliche Intelligenz, giebt
den Verstand; Lodr, das Feuer, giebt Blut und blühende Farbe;
Ebenso verdankt nach parsischer Lehre der Mensch seinen heiteren
Sinn und Lebensmuth dem Feuergenius Ardibehist.
Eine Aendeioing in dieser Reihe trat zu Babylon ein, wo man
den Liebesgott (Apason) in die Urgottheit zurückzog und statt
seiner den aus der Urgottheit hereinberufenen Zeitgott (Belitan,
Moymis, Jao)', den Gott Ton Babel, in alle Aufgaben des innen-
welthchen Schöpfergeistes eintreten liess. In allen von dieser baby-
lonischen Fassung abhängigen Systemen finden wir darum statt der
Reibe: »Urgeist, Liebesgott und Urfeuer« die Reihe: »ürgeist,
Zeitgott und Urfeuer«, aber ganz mit denselben Aufgaben:
Welt-
schöpfer und Menschenschöpfer, Stammväter der Menschheit zu sein.
Bei den Phönikem heissen die drei: Kolpiach (Windeswehen), Ulo-
mos (Ewigkeit, in der Uebersetzung: Aeon Protogonos) und Chu-
8or (der Weltbildner Hephästos). Bei den Griechen erscheinen als
Henschenbildner: Zeus (Amun-Zeus, der Urgeist), Prometheus (ein
Name des Kronos, s. d.) und Hephästos. In Babylon selbst heissen
sie: Titan (der Sonnengott als Urgeist), Zaruam (auch beidenPar-
sen der Name des verklärten Kronos) und Japetos (Phtah.) In he-
bräischer Uebei*lieferung kennen wir von ebendort die Reihe C h am , S em ,
Japhet. Cham (Ocham) ist der Nilstrom als Urgeist; Sem (der
Hohe) ist einer der weitverbreitetsten Kronösnamen ; Japhet ist Phtah.
Keine anderen Begriffe sind gemeint mit den persischen Stammvätern
bei Firdusi: Iredsch, Seim, Tur.
Iredsch (der biblische Patriarch
Irad, Jared) ist ein Name des »vom Himmel gestiegenen« Nilstroms;
Seim ist Sem (s. d.), und Tur (s. d.) einer der am weitesten rei-
chenden Namen des Hephästos. Nichts Anderes aber sind auch die
3 grossen Götter der Inder: Vischnu, Brahma, Siva. Vischnu
ist der wohlthätige Urgeist in Schlangengestalt, aus dem die Welt
hervorgegangen und auf dem sie ruht; Brahma, sein eingeborener
Sohn, wirkt als innen weltlicher Schöpfergeist, als Menschenschöpfer
etc. Wir werden sehen wie nah er sich anschliesst an seine nächsten
Vorbilder den Zaruam-Kronos der Parsen, den Assur-Kronos der Ni-
mviten, den Bei von Babel, und wie auch sein Name Brahma wahr-
scheinlich Nichts ist als eine Entstellung des babylonischen Kronos-
namens Ab-Ram, Vater der Höhe, d. h. Höchster. Der dritte,
Siva, ist wieder der kosmische Urfeuergott.
Wir können vorerst nur Namen nennen, um anzudeuten, was
28 Aegypten.
künftig auszuführen ist. Aber diese Namen geben du Gerüst für
den Ideenbau der Menschheit, an dem die Einheit dieses Baues sich
vorerst wenigstens ahnen lässt. Ausser den genannten Dreiheiten fin-
den wir dieselben Götter zu Babylon in der Namensfolge: Aos, Illi-
nosundAnos; bei den Phönikern alsDagon, Ilos, Atlas; oderAegyp-
tus, Danaus, Phineus; bei den Hebräern als Nachor, Abraham, Lot;
bei den Griechen als Epimetheus, Prometheus, Atlas; oder Gyges,
Kottos, Briareos; oder Xuthus, Aeolus, Doms; oder Achäus, Jon, Dorus;
oder Achäus, Pelasgus, Phthios; oder Dymas, Hyllus, Pampbylos; bei den
Germanen als Hermio, Iskio, Inguio; als Ottar, Fafnir, Regin; bei den Sla-
ven als Perkunos, Potrimpos und Pikullos; in Indien als Ghaima, Scher-
ma, Japati etc. Von allen diesen, wie wir sehen werden, ist immer
der erste ein Agathodämon, der zweite ein Kronos, der dritte ein
Hephästos.
Wir sehen, dass die babylonische Fassung, wonach an die zweite
Stelle der Zeitgott tritt, eine weitaus grössere Bedeutung und Ver-
breitung gewonnen hat, als die ursprünglich ägyptische, wonach an
zweiter Stelle der Liebesgott steht. Doch scheint jenes Einrücken
des Zeitgottes schon in Aegypten sich vorbereitet zu haben. Für
diesen gab es Platz, weil nämlich der zweite und der erste imien-
weltliche Schöpfergeist in Eins zusammenschwanden. So wenig wir
auf gi-iechischem Boden im Stande sein werden, ihrem inneren Gehalt
nach einen Pan und einen Hephästos von einander zu trennen (s.
d.), so wenig ist es (abgesehen von der äusseren Gestalt) in Aegyp-
ten möglich. Der Pan von Chemmis führt einen Hephästosnamen,
denn Kham (vgl. Baal Chamman) bedeutet (ägyptisch und semitisch)
die »Gluttt. Diesen Gott von Chemmis nenut Heiodot: Perseus,
was vollkommen richtig ist, weil Perseus-Typhon (s. d.) im Hephäs-
tos und also auch im Pan von Chemmis aufgeht.
Die ägyptischen
Listen der Götterregenten haben niemals beide Stufen, sondern ent-
weder (nach der Lehre von Memphis) den Phtah als Vorgänger des
Sonnengottes, oder (auf oberägyptischen Denkmalen, Leps. Aegypt
Götterkr.) den Monthu-Pan. Sowohl der Eine als der Andere heisst
»Vater des Sonnengottes«, und nicht nur Hik-Harscheph ist Sohn
des Urraums, sondern auch von Phtah heisst es (s. oben) : er sei zu-
erst aus dem Weltei hervorgegangen. Auch im orphisdien Gedicht
steht der eine Phanes als Weltregent für beide Entwicklungsstufen,
ist zugleich Metis (innenweltlicbe Intelligenz) und Gemal der Un-
terwelt (statt des kosmischen Typhon oder Hephästos).
Vielleicht
ist diese einfachere Fassung, wonach es nur einen einzigen innenwelt-
lichen Schöpfergeist gab, sogar das Ursprüngliche, und jene Zweiheit
nur durch ein Zusammenschieben des ober- und unterägyptischen
Systems entstanden — Systeme, in denen derselbe Begriff äusserlich
verschiedene Gestalt angenommen (Pan und Phtah) und darum auch
zu innerer Unterscheidung auffordern mochte. Jedenfalls aber gienge
eine solche theologische Konkordatsformel wieder über den Welter-
Neith. 29
oberungsgang des ägyptischen Geistes hinauf, denn wie wir sehen,
steht in allen Systemen der Welt der Feuergott erst an der dritten
Stelle, während die zweite in Aegypten (nach unserer Voraussetzung)
und sicher bei den Parsen und Germanen vom Liebesgott, bei den
Babyloniem etc. vom Zeitgott eingenommen wurde. Vollständig
dürfen wir den Pan-Mendes und Phtah-Hephästos nicht zusammen-
schwinden lassen. Dagegen streitet die unläugbar verschiedene Auf-
fassung der Figuren in ihrer äusseren Erscheinung, sowie die be-
stimmte Nachricht von einem dreifachen Eros, einem dreifachen
Kamephis.
Auch die Verzeichnisse der 8 innenweltlichen Götter
(Theo Smyr.; R. n. 108) nennen den Phanes »neben« dem Feuergott.
Also geschaffen wurde die Stelle eines ersten innenweltlichen Schöp-
fergeistes jedenfalls für den Liebesgott, und ei-st, als <lie Unterschei-
dung nicht Stand hielt, als die innere Wesenseinheit mit der dritten
Stufe fühlbar wurde, konnte der Zeitgott und nur der Zeitgott an
die Stelle des Liebesgottes rücken. Auf griechischem Boden müssen
wir die Begriffe: Eros, Pan, Hephästos sämmtlich unter einen
und denselben Titel (Typhon, kosmischer Typhon oder Hephästos)
bringen. Der in Hephästos aufgegangene sagengeschichtliche Typhon
(Kriegsgott, Bogenschütze etc.) ist durchaus auch in ihnen enthalten.
Zweites Mitglied der ägyptischen ürgottheit ist
Neith^ die Göttin des Weltstoffs. Dieser Weltstoff wurde gegen-
über der Monas, der Einheit (d. h. dem Geist) als Dyas, als Zwei-
heit, bestimmt und in Wasser und Erde (Wasser und Staub) bestehend
gedacht (Damasc. p. 381. 385. R. n. 82.88).
Dass Neith der Velt-
Btoff sei. ergiebt sich aus ihrer eigenen inschriftlichen Aussage zu
Sais: »Ich bin Alles was war, ist und sein wird. Die Frucht, die
ich gebar, ist die Sonne« (Plut. Is. 9. Procl. in Tim. 1, p. 30).
»Mutter der Sonne« heisst auch Neith in hieroglyphischer Inschrift
(Ch. P. pl. 23. R. n. 90). Es ist aber klar, dass nur eine über der
Sonne stehende kosmische Macht so heissen kann. In den Amun-
tempeln von Theben, wo Neith stehend hinter ihrem thronenden Ge-
mal erscheint, heisst sie Muth, »Mutter«, und wurde als Mutter des
Mondgottes gedacht, denn dieser (unter dem Namen Chonsu) ist die
dritte Figur in jener ewig wiederholten Göttergruppe. Symbol der
Mütterlichkeit ist der Geier (weil es blos weibliche Geier giebt, und
diese vom Wind befruchtet werden, Horap. 1, 11). Darum hat Neith
(die Göttin der Stoffmasse, die vom wehenden Urgeist befruchtet wird)
den Geierbalg als Haube (Ch. P. pl. 6) und erscheint selber geier-
köpfig. Ihrem Gemal, dem widderköpfigen Amun zu lieb, nimmt sie
auch dessen heih'ges Thier zum Namenszeichen an und ist schafs-
köpfig als Tamun (Amun mit weiblichem Artikel, die Göttin Amun,
Ch. pl. 6, quinq.; W. pl. 59). Da als ihr Gemal auch der innen-
weltliche Schöpfergeist, der stiergestaltige Pe-kie-teph-mau (Ge-
mal seiner Mutter) gelten kann, erhält sie selber Kuhgestalt. Auch
diese Kuh, heisst »Gebärerin der Sonne« (Ch. pl. 23. d.;R. n. 135).
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"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -
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