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Erich Fromm:
in Die psychologische Interpretation: 13.07.2010 09:27von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge
Rezension bezieht sich auf: Die Seele des Menschen: Ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen (Taschenbuch)
Erich Fromm, Sohn orthodoxer jüdischer Eltern aus Frankfurt, leitete lange Zeit die psychoanalytische Forschung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Sein Interesse galt schon früh den Auswirkungen der Psychoanalyse auf die Gesellschaft. Das Werk seines Lehrers Sigmund Freud führt er weiter, ohne jedoch an Kritik zu sparen. Im Gegensatz zu Freud hält er den Menschen "primär für ein gesellschaftliches Wesen", welches nicht nur durch seine biologischen Faktoren, sondern auch durch die Kultur bestimmt wird.
Was ist die Bestimmung des Menschen?
Diese Frage stellt Fromm an den Anfang seines Buches ,Die Seele des Menschen'. Treibt die Menschheit einer neuen Barbarei entgegen oder wird es eine Renaissance des Humanismus geben? Droht der Untergang der Menschheit durch Klimakatastrophe oder Übervölkerung? Fromms Fragen sind ebenso allgemeingültig wie zeitlos. Seine Grundidee beruht auf dem Ansatz, den Weg zu einem dialektischen Humanismus aufzuzeigen.
"Der Mensch - Wolf oder Schaf"?
Die Überschrift des ersten Kapitels zeigt das Dilemma, in dem sich der Mensch befindet. Einerseits zieht sich eine blutige Spur durch die Geschichte, andererseits scheint der Mensch nur allzu leicht verführbar und lenkbar zu sein. Ist der ,normale' Mensch von Grund auf böse, gewaltsam, rachsüchtig oder gar sadistisch, ein Teufel?
Fromm unterscheidet fünf unterschiedliche Formen der Gewalt. Die erste Form bezeichnet er als spielerische Gewalt. In Spielen, wie z. B. dem Schachspiel kommt es nicht darauf an, den Gegner umzubringen, sondern seine Geschicklichkeit zu beweisen. Ich würde gerne die Meinung von Fromm angesichts der zunehmend brutaleren Computerspiele kennenlernen. Ob er dieser Aussage auch heute noch zustimmen würde?
Die zweite Kategorie nennt er reaktive Gewalttätigkeit. Sie dient der Selbstverteidigung und wurzelt in der Angst. Frustration, Neid und Eifersucht können Auslöser einer Verteidigungsaktion sein. Ein Verteidigungskrieg dagegen wird von Fromm zu Recht oft als Tarnung einer Aggression gedeutet.
Bei der rachsüchtigen Gewalt hingegen ist eine Schädigung bereits eingetreten. Fromm greift das Beispiel eines Kindes auf, dessen Glaube zerstört wurde oder eines Zynikers, dessen Enttäuschungen in Lebenshass münden.
Kompensatorische Gewalt ist ein Ersatz für ein unproduktives Leben. Hierzu zählt auch die sadistische Gewalt, zu denen Menschen fähig sind, denen das Leben versagt blieb.
Die höchste Stufe der Entartung stellt nach Fromm der archaische Blutdurst dar. Der Mensch tötet aus Leidenschaft und regrediert zum Tier.
Fromm charakterisiert drei unterschiedliche Phänomene der bösartigen Orientierung: die Nekrophilie, den Narzissmus und die inzestuöse Bindung. Diese Phänomene bezeichnet er als Verfallssyndrom. Biophilie (die Liebe zum Leben), Nächstenliebe und Freiheit bilden den Gegenpol, der von Fromm Wachstumssyndrom genannt wird.
"Es lebe der Tod". Diesen Spruch eines spanischen Generals erhebt Fromm zum Sinnbild der Nekrophilie. Kennzeichen der Liebe zum Tod und zur Gewalt ist die Sehnsucht nach allem Anorganischen, Mechanischen, zur Automatisation. Fromm widerspricht Freud, der einen gleichwertigen Dualismus von Eros- und Todestrieb feststellte. Die Biophilie ist für Fromm der Lebenskern, der nur dann zur Nekrophilie verfällt, wenn das Lebensziel verfehlt wird.
Der Narzissmus, die Selbstsucht, führt dazu, dass der Mensch die Wirklichkeit nicht mehr in ihrer Fülle wahrnimmt. Einen produktiven Narzissmus, der Werke schafft, bezeichnet Fromm als gutartig. Ein rein beschaulicher Narzissmus, der beispielsweise als Körperkult auftritt, ist hingegen unproduktiv und bösartig. Fromm erzählt den schönen Witz zweier Freude die sich treffen. Der eine plaudert lange über seine Erfolge und fragt anschließend den Freund: ,So nun habe ich über mich geredet; jetzt zu dir. Erzähl doch mal, was du von meinem neuen Buch hältst.' Der Egoist unterscheidet sich vom Narzisst dadurch, dass er nicht blind gegen die objektive Wirklichkeit ist. Individueller Narzissmus kann auch auf Gruppen übertragen werden. Rasse, Nation oder Religion bilden Gemeinschaften, die das Selbstwertgefühl überhöhen können. Welche Folgen dies nach sich ziehen kann, lehrte die Geschichte. Fromm erkennt aber darin auch eine Chance. Wenn es gelänge, den Gruppen Narzissmus auf die gesamte Menschheit auszudehnen, "wenn der einzelne sich primär als Weltbürger erleben und wenn er auf die Menschheit und ihre Leistungen stolz sein könnte", dann wäre der Weg zu einem Neo-Humanismus geebnet.
Die inzestuöse Fixierung an die Mutter ist das dritte Kennzeichen des Verfallssyndroms. Der Mensch ist "vom Augenblick seiner Geburt an zwischen zwei Tendenzen hin und hergerissen: Einerseits möchte er ans Licht kommen, und andererseits strebt er zurück in den Mutterschoß; einerseits sucht er das Abenteuer, und andererseits sehnt er sich nach Sicherheit ...". Im Gegensatz zu Freud sieht Fromm das sexuelle Streben des Kindes nicht als Ursache, sondern als Folge der Fixierung an die Mutter. Er unterscheidet zwischen einer gutartigen Mutterbindung, dem bemuttert-werden und der negativen Form, die zu einer Einschränkung des Vernunftvermögens, Fremdbestimmung und "Unfähigkeit, in einem anderen menschlichen Wesen einen vollwertigen Menschen zu sehen" münden kann.
Zurück zur Ausgangsfrage: Ist der Mensch also böse und sind die Handlungen fremdbestimmt?
"Das Böse ist ein spezifisch menschliches Phänomen." Aber der Mensch besitzt die Fähigkeit zwischen gut und böse zu entscheiden. Er muss sich über sein Handeln und seine Verantwortung bewusst sein. Fromm verdeutlicht, dass es Handlungsketten gibt, an deren Ende der Betroffene nicht mehr frei entscheiden kann. Doch "bis zu dem Punkt, an dem er nicht mehr die Freiheit der Wahl besitzt, ist der Mensch für sein Handeln verantwortlich."
Wir dürfen uns aber nicht darauf verlassen, dass ein Wunder geschieht. Wir müssen uns "immer der Tatsache bewusst sein, dass falsche Entscheidungen uns die Fähigkeit rauben, uns selbst zu erretten".
Am Ende steht Fromms Appell an den Humanismus: "Das Herz des Menschen kann sich verhärten; es kann unmenschlich, aber niemals nicht-menschlich werden. Es bleibt immer ein menschliches Herz".
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