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Die Philosophie der Selbstorganisation:
in Die man Philosophen nennt. - 07.09.2010 11:23von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge
Aus: http://www.bertramkoehler.de/Universum.htm
Die Philosophie der Selbstorganisation:
(nach Erich Jantsch: Die Selbstorganisation des Universums)
Vorwort
Dynamische Verbundenheit des Menschen mit der Evolution
auf allen Ebenen bedeutet nicht Ausklammerung seines Denkens
und Wirkens aus der Evolution und passives Geschehen lassen,
sondern aktiven und koordinierten Einsatz aller geistigen Fähigkeiten,
die wir auf unserer Stufe der Evolution mitbekommen haben.
Einleitung
Wissenschaftlicher Reduktionismus führt zu einer
eingeschränkten Sichtweise auf die Prozesse der Evolution.
Man sieht dann nur sich selbst regelnde Systeme,
die sich in einer optimal angepassten Struktur stabilisieren.
Evolution ist aber ein über sich selbst hinausweisender Prozess,
der sich nicht in einer Struktur stabilisiert.
Insofern ist eine völlig neue, integrale Herangehensweise erforderlich,
um Evolution zu verstehen.
Makroskopische Dynamik komplexer Systeme, ständiger Austausch
und damit Koevolution mit der Umwelt und Selbstüberschreitung
evolutionärer Prozesse sind das spezifische Charakteristikum der Evolution.
Selbstorganisation
Die makroskopische Ordnung der Thermodynamik
charakterisiert die Wendung vom statischen Strukturdenken zum
dynamischen Prozessdenken mit der ihr eigenen Irreversibilität und
"Ordnung durch Fluktuation".
Sie führt aber nicht zur Evolution, sondern zum Gleichgewicht.
Dissipative Strukturen, die durch ständigen Energie- und Stoffaustausch ihr hohes
Ungleichgewicht aufrechterhalten und sich autopoietisch erneuern, sind die Grundlage
von Evolutionsprozessen auf allen Ebenen.
Struktur und Funktion solcher Systeme entsprechen einander.
Die Funktion des Systems führt zur immerwährenden Wiederherstellung
der Struktur und umgekehrt.
Dieses Wechselspiel macht ein dissipatives System anfällig
für Instabilitäten.
Evolutionäre Prozesse werden durch autokatalytisch verstärkte
individuelle Fluktuationen ausgelöst, welche die Instabilitätsschwelle
durchbrechen und neue komplexere Strukturen und Informationen erzeugen.
Obwohl die Katastrophentheorie formal ähnliche Erscheinungen
beschreibt, ist sie für die Erklärung von Evolutionsprozessen nicht geeignet,
weil sie nur plötzliche qualitative Umschläge in vorgegebenen
Systemstrukturen betrifft.
Bei mikroskopischer Betrachtung wird die Fluktuation durch einen Zufall ausgelöst.
Makroskopisch gesehen geht das System jedoch deterministisch,
aber nicht eindeutig vorbestimmt, in einen neuen autopoietischen Zustand
über, wenn die Fluktuation durch das alte System nicht stabilisiert werden kann.
Makroskopisch verbleibt eine Unbestimmtheit in der Strukturbildung,
die für den Verzweigungsbaum der Evolution charakteristisch ist,
aber nach rückwärts eindeutig verfolgt werden kann.
Mit der Bildung der neuen Struktur ist gleichzeitig die Produktion neuer
Information verbunden, die aber auch historische Erfahrung enthält.
Die grundlegenden Evolutionsprozesse sind auf allen Ebenen
der Evolution wesensverwandt und miteinander verschränkt,
obwohl sie sich nicht aufeinander reduzieren lassen.
Das Modell der Selbstorganisation und Evolution
dissipativer Strukturen ist anwendbar auf physikalisch-chemische,
auf biologische, auf soziobiologische, auf ökologische
und auf soziokulturelle Systeme.
Koevolution
In der kosmologischen Evolution kommt die Verschränkung
der Evolutionsebenen in der wechselseitigen und gleichzeitigen Koevolution
des Aufbaus der Mikrostrukturen der Elementarteilchen und Atome
mit der Entfaltung des Weltalls und der Entstehung der Galaxien und Sterne
zum Ausdruck.
Während in den ersten Minuten nach dem Urknall durch die Ausdehnung
und Abkühlung des Universums in der Mikroevolution
die physikalischen Urkräfte und Elementarteilchen
entstehen und sich Atomkerne bis zum Helium und Lithium bilden,
tut sich in der Makroevolution des Universums weiter gar nichts.
Nach einer Pause von etwa einer Million Jahren wird das Universum
durch die Bildung von Atomen durchsichtig und es beginnt
die Makroevolution mit der Kondensation von Gaswolken und
die Bildung von Galaxien und Sternen unter der Wirkung der Gravitationskraft.
Die Evolution der Galaxien und Sterne wiederum erzeugt
die physikalischen Bedingungen, unter denen in den Sternen
die schweren Atomkerne bis zum Eisen und in den Explosionswellen
einer Supernova die schwereren Elemente bis zum Uran entstehen können
und bringt damit die Mikroevolution wieder in Gang, ohne die
Planetensysteme und damit die Bedingungen
für die biologische Entwicklung nicht entstehen könnten.
Auf der Erde ist die biochemische und biologische Evolution verbunden
mit der Entwicklung der Erdoberfläche, der Atmosphäre und der Biosphäre.
Erst durch die Tätigkeit der Mikroorganismen wurde die Sauerstoffatmosphäre
der Erde geschaffen und durch Oxydation die Erdoberfläche völlig
umgestaltet.
Nach der Evolution erster Lebensformen
stagnierte die biologische Evolution über
ca. 2 Milliarden Jahre, bis durch die Entstehung
der Sauerstoffatmosphäre mit der Entwicklung mehrzelliger
Pflanzen und Tiere die biologische Evolution
wieder einen großen Aufschwung nahm.
Die weitere Mikroevolution der Lebewesen über Prokaryoten, Eukaryoten,
Pflanzen, Tiere und die Heterotrophie verläuft parallel zur Entwicklung
von Makrosystemen biosozialer Gemeinschaften und Ökosysteme.
Die stammesgeschichtliche Entwicklung der einzelnen Lebewesen
wird dabei durch die Erfindung der Sexualität und die dadurch mögliche
selektive Übertragung historischer genetischer Erfahrungen bestimmt
und von der Makroevolution von Ökosystemen mit ihrer heterotrophen
Vielfalt der Arten (einer frisst den anderen) begleitet.
Sowohl die einzelnen Lebewesen (mikroskopisch) als auch
die Ökosysteme (makroskopisch) sind autopoietische Systeme,
die auf ihre Selbsterneuerung mit minimalem Energieverbrauch ausgerichtet
sind.
Aber ihre Evolution beeinflusst sich wechselseitig.
Die genetische Entwicklung der Individuen zeigt in der Phylogenese
eine immer größere Vielfalt der genetischen Anlagen, die in der Ontogenese
erst durch die jeweilige Umwelt wieder spezifiziert werden.
Dem gegenüber sind bei den phylogenetisch älteren Arten
die soziobiologischen Verhaltensweisen stärker genetisch fixiert
und werden bei den jüngeren Arten genetisch weniger gebunden
und mehr durch kommunikative Lernprozesse individualisiert.
Der Mensch entwickelt sich auf der Basis seines Zentralnervensystems
in enger Verflechtung mit der soziokulturellen Entwicklung der Gesellschaft.
Auf allen Ebenen der Evolution erfolgt die Verkopplung der Individuen
über Metabolismus und Informationsaustausch.
Die genetische Kommunikation wirkt in Zeiträumen, die im Vergleich
zur Lebensdauer der Individuen lang sind.
Sie ermöglicht Phylogenese und kohärente Evolution über viele Generationsfolgen.
Metabolische (stoffliche) Kommunikation dient der inneren
Steuerung der Organismen und ihrer Anpassung an die momentane Umwelt.
Neurale Kommunikation erhöht vor allem die Geschwindigkeit
der Informationsprozesse und ermöglicht Antizipation (Voraussicht).
Dabei entwickeln sich Gehirn und Geist in gegenseitiger Wechselwirkung
auf der Basis der Prinzipien der Selbstorganisation.
Auch hier gibt es keine fixierte Struktur, sondern Struktur,
Prozess und Funktion bilden eine dynamische Einheit.
Auf der untersten Ebene des Gehirn, das bereits
bei den Reptilien ausgeprägt wurde,
erfolgen die unmittelbar mit der Auseinandersetzung
mit der Umwelt verbundenen soziobiologischen
Lern- und Steuerprozesse.
Auf der mittleren Ebene der Gehirnprozesse
werden die Abbilder der Außenwelt
reflexiv verarbeitet und in ein inneres Abbild eingefügt,
auf das zur effektiven Auseinandersetzung mit
der Umwelt zurückgegriffen werden kann,
wobei hier das emotional gesteuerte limbische
System eine bedeutende Rolle spielt.
Auf der dritten, selbstreflektiven Ebene der mentalen Prozesse
werden vergangene Prozesse erinnert und mit aktuellen Bildern
zu Zukunftsvorstellungen verbunden, die eine aktive Einwirkung
auf die Umwelt ermöglichen.
Auf dieser Ebene entwickeln sich Sprache und Kunst, ohne die eine
soziokulturelle Evolution des Menschen nicht denkbar ist.
Während die vergangene Evolution eine Koevolution von Makro-
und Mikroprozessen war, ist die kulturelle Evolution eine integrale Evolution,
in welcher sich die Tendenz zur Individualisierung der kommunikativen
Lernprozesse umkehrt und der Mensch seine Umwelt immer mehr nach
seinem inneren Abbild umgestaltet und individuell Verantwortung
für die Prozesse der Makroevolution übernimmt.
Während scheinbar objektive gesellschaftliche Prozesse zur Stabilisierung
ihrer Strukturen tendieren, entstehen durch die subjektive Tätigkeit
des selbstreflektiven Geistes der Individuen jene Fluktuationen,
die durch kollektive Verstärkung das Durchbrechen der
Instabilitätsschwelle des Makrosystems bewirken und zur völligen
Neugestaltung dieses Systems führen können.
Voraussetzung für das Wirksamwerden solcher bahnbrechender
Prozesse ist es, das der Mensch es lernt, die drei Ebenen seiner
Gehirntätigkeit besser zu koordinieren und die vom limbischen System
ausgehenden Blockierungen zu lösen und die Evolution über sich
selbst hinaus weiterzuführen.
. - Was Du aufdeckst, - offenbart sich . -
"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -
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RE: Die Philosophie der Selbstorganisation:
in Die man Philosophen nennt. - 07.09.2010 11:27von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge
Systembedingungen der Evolution
Wesentliches Charakteristikum der Evolution ist
die ständige Selbstüberschreitung
der ablaufenden Prozesse.
Ihre Grundlage sind zyklische katalytische Prozesse mit
autokatalytischen Bestandteilen, die als dissipative Systeme
organisiert sind und durch Stoffwechsel oder reinen Energiedurchsatz
in Bewegung gehalten werden.
Je nach der inneren Logik, mit der unterschiedliche Typen solcher
Prozesszyklen miteinander verbunden sind, kann das jeweilige
Gesamtsystem auf ein Gleichgewicht zulaufen, als autopoietisches System
einen linearen Produktionsprozess bewerkstelligen, exponentielles
oder hyperbolisches Wachstum zeigen oder sein Wachstum
nach Erreichen einer bestimmten Größe oder Menge durch ein
Gleichgewicht zwischen Bildung und Zerfall einstellen.
Dabei bewirkt die metabolische, energetische und kommunikative
Verkopplung jeweils einiger, insgesamt aber aller an der
Koevolution beteiligten Systeme ein ständiges und sich ständig
veränderndes Ungleichgewicht aller Systeme, wodurch die Evolution
niemals zum Stillstand kommt und durch den Zufallscharakter
der Wechselwirkungen nicht vollständig determiniert ist und in der
Zukunft offen bleibt (Ultrazyklus).
Die Größe und Komplexität der sich zyklisch reproduzierenden
Prozesse und Strukturen ist dabei durch äußere und innere zufällige
Störungen begrenzt, wobei die Grenzen durch hierarchisch
aufgebaute Strukturen aus sich wiederum autokatalytisch
reprozierenden Teilsystemen, durch sich selbst kontrollierende
Prozesse und durch sexuelle Rekombination gekoppelte
Hyperzyklen immer weiter hinausgeschoben werden.
In den vergangenen Phasen der Evolution war die zeitliche
Kopplung im wesentlichen genetisch und die räumliche Kopplung
der Individuen metabolisch vermittelt, wobei ein wachsender Anteil
von Informationen über die Zeiten hinweg auch metabolisch übertragen wurde.
(Trampelpfade, Nester, Kunstwerke, Bauwerke, Bücher).
Mit der Sprache und in jüngster Zeit mit Hilfe elektronischer
Medien erhöht sich die Kommunikationsgeschwindigkeit erheblich
mit entsprechender Rückwirkung auf die Evolutionsgeschwindigkeit.
Zunehmende Komplexität der Prozesse ist auf konservative Speicherung
von Informationen angewiesen, damit künftige Generationen auf die
Erfahrungen früherer Generationen zurückgreifen können.
Dabei bedient sich auch die schnellere neurale und elektronische Kommunikation
der evolutionär entstandenen konservativen metabolischen
Methoden der Informationsspeicherung.
Koevolution vollzieht sich in 4 Stufen.
Die Wechselwirkung einer dissipativen Struktur mit einer
nicht-dissipativen Umwelt ist Interaktion.
Sie vollzieht sich im Kognitionsbereich der dissipativen Struktur,
den man auch als Nische bezeichnet.
Überschneiden sich die Kognitionsbereiche zweier autopoietischer Systeme,
so kommt es zur Kommunikation, einem Austausch von Stoffen
und Informationen, ohne dass irgendeine gegenseitige Abhängigkeit
der beiden Systeme entsteht.
Diese Abhängigkeit bildet sich auf der nächsten Stufe der Wechselwirkung,
der Symbiose, bei der jedes der Systeme Produkte des anderen Systems
verwendet und auf deren eigene Herstellung verzichtet.
Dabei geht die Autonomie der einzelnen Systeme teilweise verloren,
erhöht sich aber meistens auf der Ebene des Gesamtsystems.
Symbiose ist der erste Schritt einer hierarchischen Organisation.
Geht die ursprüngliche Autonomie der Systeme ganz verloren,
so kommt es mit einer totalen wechselseitigen Anpassung zur Fusion
(Endosymbiose).
Wenn dabei in der Wechselwirkung zur äußeren Umwelt nichts Neues entsteht,
geht meist die Evolutionsfähigkeit des Systems verloren.
Dies ist dann der erste Schritt zu seinem Tod.
In der Verflechtung aller Ebenen der Evolution kann die
Ontogenese von kosmischen Strukturen,
Bioorganismen und Ökosystemen im wesentlichen als
die Evolution der Materie betrachtet werden,
während die biologische und soziokulturelle Phylogenese
die über Generationen reichende Evolution
eines Informationssystems darstellt, das in seiner weiteren
Entwicklung offen ist und in eher geistige
Dimensionen transtendiert und wieder mehr Kopplungen
mit kosmischen Prozessen herstellt.
Evolution ist nicht nur – in mikroskopischer Sicht – der hierarchische,
symbiotische Aufbau immer komplexerer Systeme und -
- in makroskopischer Sicht – die innere funktionale Differenzierung
und Stabilisierung autopoietischer Systeme, sondern auch
die Weiterentwicklung der evolutionären Prozesse,
die Jantsch als Metaevolution bezeichnet.
Dabei kann auf jeder Ebene der Evolution die Dynamik eines
bestimmten Systems aus 3 Blickwinkeln betrachtet werden.
Im Inneren jedes Systems laufen mikroskopisch zyklische Prozesse ab,
die auf die Selbstreproduktion der dissipativen Struktur
des Systems gerichtet sind.
Makroskopisch ist jedes System eine autopoietische Struktur,
die ihre Ordnung durch Energie- und Stoffaustausch mit ihrer
Umwelt aufrechterhält und sich dabei an diese Umwelt anpasst
und sich selbst entwickelt.
Das betrachtete System ist dabei aus der Sicht des die Umwelt
bildenden übergeordneten System eines der Elemente,
die im Zusammenwirken mit anderen Teilsystemen wiederum
dessen Struktur aufrechterhält.
Im Zuge der Metaevolution entstehen durch (Anagenese)
aufeinanderfolgende zeitliche und räumliche
Symmetriebrüche auf jeder Ebene neue, emergente
Systemeigenschaften, die durch die Kategorien
Geschichtlichkeit, Metabolismus, Lineare Selbstreproduktion,
Systemhafte Selbstreproduktion, Verhaltensanpassung,
Realitätsablösung, Neuschöpfung der Realität,
Verantwortung gekennzeichnet sind und auf fortschreitendem
Ausbau eines Systemgedächtnisses beruhen.
Nach Rupert Riedl gilt dabei analog zum Energiesatz ein Satz
zur Erhaltung der Quantität der Information des Kosmos
(10^91 Bit), wobei diese Information lokal in immer weniger
Entitäten von immer höherer Komplexität aufgewertet wird.
Evolutionsprozesse sind räumlich und zeitlich miteinander verschränkt.
Jedes in der Gegenwart betrachtete System steht nicht nur mit allen
anderen gleichzeitig existierenden Systemen in Wechselwirkung,
sondern es hat einen in die Vergangenheit zurückreichenden "Stammbaum"
aller der Prozesse und Ereignisse, die für seinen jetzigen Zustand
Ursachen gesetzt haben.
Gleichzeitig haben die in der Gegenwart parallel existierenden Systeme
eine gemeinsame Wurzel, aus der sie sich entwickelt haben.
Beide Bilder durchdringen einander und verlieren sich infolge
des Zufallscharakters der Prozesse in einer endlichen Vergangenheit.
Deshalb entstand das Bild eines sich selbst organisierenden Wurzelgeflechts,
das in der Vergangenheit abstirbt und in der Gegenwart für die Zukunft nachwächst.
Die Metaevolution darf aber nicht so verstanden werden,
als würden die unteren Ebenen der Evolution mit der Zeit ihre Bedeutung
verlieren oder in zunehmendem Maße von den hierarchisch übergeordneten
Ebenen gesteuert.
Sie beruht im Gegenteil darauf, das sich die
Systeme der unteren Ebenen spezifizieren,
stabilisieren und autonom in die oberen Ebenen eingliedern,
von denen sie höchstens koordiniert werden und in denen
noch höhere Potentiale für Innovationen vorhanden
sind und selbst überschreitend immer neue entstehen.
Auch der Mensch kann nur als dissipatives System existieren, weil alle unteren
Prozessebenen weiterhin autonom existieren
und seine Lebensbedingungen reproduzieren.
Die untergeordneten Systeme müssen dabei in der Lage sein,
sich selbständig auf die Veränderungen ihrer jeweiligen Umwelt einzustellen,
die durch die Tätigkeit der Systeme der oberen Ebenen hergerufen werden.
Das Gesamtsystem der Evolution aber wird dadurch in Bewegung gehalten,
dass gerade auf den höheren Ebenen die selbst überschreitenden Prozesse
der Evolution angesiedelt sind.
Das gilt auch für die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse.
Wenn, wie vielfach zu beobachten, auf den höchsten
Ebenen der staatlichen Organisation keine ausreichende Bewegung ist,
stagniert das System, bis untere Ebenen die Stabilitätsschwelle durchbrechen.
Auf den höchsten Ebenen der Evolution sind die
den Wechselwirkungen der Systeme zugrundeliegenden
Kräfte und Prozesse prinzipiell nicht ausreichend erforscht
und bekannt.
Auch hieraus folgt die Unvorhersagbarkeit zukünftiger Entwicklungen.
Selbstorganisation und Menschenwelt
Wie in allen dissipativen Strukturen sind auch in der
Menschengesellschaft die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten
der Evolution erkennbar.
Die statistischen Gesetze der großen Zahlen führen zur
Stabilisierung der Strukturen und zum Einschwenken in ein
Gleichgewicht, das nur durch ständige Fluktuationen
durchbrochen werden kann.
Je stabiler ein System bereits geworden ist, um so stärkerer
Fluktuationen bedarf es, um die Instabilitätsschwelle
zu durchbrechen.
Diese Fluktuationen gehen vom Geist des Individuums aus und
können nur durch Selbstorganisation in Subsystemen so verstärkt
werden, dass sie die stabilisierte Ordnung des Makrosystems
in Bewegung bringen können.
Die marxistische Revolutionstheorie entsprach dieser Erkenntnis
nur zum Teil, betrachtete eine Revolution aber nicht als Fluktuation,
sondern als Gesetzmäßigkeit, in deren Folge ein neuer
Gleichgewichtszustand eintreten müsse, der sich letztlich
über die ganze Welt ausbreitet.
Die tatsächliche Entwicklung entspricht aber wesentlich
besser einem Bild von statistisch verteilten Fluktuationen
unterschiedlicher Art, die unterschiedliche Verstärkungen
erreichen, dadurch das Makrosystem zwar in evolutionäre
Bewegung versetzen, aber dessen Instabilitätsschwelle
noch nicht überschreiten konnten.
Die Tendenzen zur Stabilisierung des Makrosystems wirken deshalb weiter,
auch in den Staatsformen parlamentarischer Demokratie, wie überall unübersehbar.
Kultureller Pluralismus ist dennoch wesentlich besser geeignet,
die Evolution der Menschheit weiterzutreiben, als die im realen Sozialismus
gehabte Einheitsideologie mit ihrer Tendenz zur Stabilisierung zwar anders,
aber auch hierarchisch strukturierter und zentral gesteuerter Systeme.
Im Unterschied zur Ethik der Religionen, die auf Offenbarung beruht,
und zur Ethik der westlichen Welt, die als Verhaltenskodex auf
gesellschaftlicher Ebene fast nur darauf gerichtet ist,
die freie Entfaltung des Individuum zu sichern, definiert Jantsch
ethisches Verhalten als evolutionsgerechtes Verhalten
und verändert damit den Begriff einer
absoluten Ethik und gibt ihm einen evolutionsinhärenten
Charakter, der das Gebot zur Sicherung von
Menschenrechten zu menschlicher Verantwortung erweitert.
Dabei können ethische Werte auf jeder Ebene
der Evolution durchaus unterschiedlich sein.
Evolutionsgerechte, verantwortungsvolle Planung hat sich deshalb
langfristig nicht auf die Verminderung von Unsicherheit,
sondern auf die Vermehrung des Spektrums der Optionen
auszurichten.
Die Manager der obersten Ebenen müssten die beweglichsten sein,
heute ist es vor allem in der Politik noch umgekehrt.
Nicht neue Strukturen, sondern neue Prozesse sind zu planen.
"Wie jedes dissipative Phänomen entfaltet sich Leben in
einem Energiestrom, wobei es freie Energie in Entropie
umwandelt."
Zunächst wurde dabei die aktuell von der Sonne zur Verfügung
gestellte Energie angezapft.
Von der ursprünglichen Einstrahlung von 173 x 10^15 Watt
werden 52 x 10 ^15 Watt direkt reflektiert und 121
über Wasserverdampfung und die Wettermechanik in
Wärme umgewandelt.
Nur 95 x 10p^12 Watt werden über die Photosynthese in die
Lebensprozesse investiert, von denen über viele trophische Ebenen
hinweg 0,5 x10^12 Watt beim Menschen ankommen (1971).
Bedeutend größer aber ist bereits der vom Menschen erzeugte technische
Energiefluss von 10^13 Watt, der nur zum geringen Teil aus
aktueller Sonnenenergie, zum größten Teil aber aus den in der
Frühgeschichte des Lebens im Kambrium angelegten fossilen
Speichern stammt.
Mit der Kernenergie werden noch früher in der Evolution des
Planetensystems angelegte Energiespeicher nutzbar gemacht,
bis schließlich mit der eventuellen Nutzung der Fusionsenergie
die Energiereserven der Frühgeschichte der kosmischen Evolution
nach dem Urknall zur Wirkung gebracht werden.
Für die Anagenese der Evolution bedeutet dies eine weitere
zeitliche Verschränkung der unterschiedlichen
Ebenen der Evolution mit der Vergangenheit.
Für die zukünftige Evolution der Menschenwelt
zeichnen sich 5 Grundvarianten ab:
* Dominanz der Menschenwelt über die Umwelt mittels ihrer
Umstrukturierung durch Technik, was ihre Kontrolle
erleichtert, aber zu einem Gleichgewichtszustand führt,
in dem sich weder Umwelt noch Menschenwelt
weiterentwickeln können.
* Anpassung der Eigenstruktur der Menschenwelt an die Umwelt,
die möglichst unverändert gelassen werden soll,
ebenfalls mit dem Ziel eines Gleichgewichtszustandes
ohne Weiterentwicklung.
* Symbiose mit der Umwelt durch Gestaltung von Kreisprozessen
nach biologischem Vorbild mit Anzapfung des Energiestromes der Sonne.
Diese Haltung betont Autopoiese, aber noch nicht Evolution.
* Evolution und Erschließung neuer Entfaltungsmöglichkeiten
durch Erweiterung der Umwelt, d.h. durch Kolonisierung des
Sonnensystems und weiterer Teile des Weltraums.
Dies bedeutet Kreation neuer Welten bis zur Neuerschaffung
der Welt in der soziokulturellen Evolution.
* Evolution und Erschließung neuer Nischen durch Erweiterung
des Bewusstseins. Dies bedeutet Schaffung virtueller Welten
durch Erweiterung der Informationstechnik in Richtung einer
Informationsgesellschaft bis in heute
noch nicht vorstellbare Bewusstseinsebenen.
Von diesen 5 Varianten führen die ersten beiden zur Erstarrung
das Lebens, die dritte zu einer harmonischen,
autopoietischen Existenz ohne Evolution.
Die letzten beiden charakterisieren die Offenheit der soziokulturellen
Evolution, die der Menschheit eine schöpferische Rolle bei
der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft zuweist.
Im Kapitel "Der schöpferische Prozess" beschreibt Jantsch
Selbstorganisationsprozesse bei der Entstehung
von Kunstwerken und schöpferischen wissenschaftlichen
Werken sowie beim Kunsterlebnis, bei Ekstase,
Meditation und religiösen Ritualen in konkreten Beispielen,
deren weitere Verkürzung und Abstraktion wegen
ihrer Offenheit nicht möglich ist, jedenfalls von mir nicht
geleistet werden kann.
Nach Jantsch setzt der schöpferische
Prozess das "vielschichtige Vibrieren vieler Bewusstseinsebenen"
voraus.
Offenheit der Zukunft der soziokulturellen Evolution bei
zunehmender zeitlicher Verschränkung mit der Vergangenheit
durch Nutzung der Energiereserven und der gespeicherten
Informationen früherer Evolutionsebenen kann auch
als Tendenz der Zunahme räumlich-zeitlicher
Durchdringung in pluralistischen Parallelprozessen,
die sich mehr räumlich auffächern als zeitlich entwickeln
verstanden werden.
Diese Betrachtungsweise nähert sich dann dem in den
östlichen Weisheitslehren verankerten zyklischen Entwicklungsprozess.
Das Bedürfnis nach Sinn ist ein Akt der Selbsttranszendenz
und erweist sich als mächtiger autokatalytischer
Faktor in der Evolution des menschlichen Bewusstseins
und damit in der Evolution der Menschheit überhaupt.
Das Gefühl des Eingebettetseins in eine universale, zusammenhängende
Dynamik sollte uns nicht nur die Furcht vor dem eigenen biologischen Tod
nehmen, sondern auch jene Furcht, die das Überleben der Gattung als höchsten
Wert verteidigt.
In der Selbsttranszendenz können wir nicht nur über uns selbst
als Individuen, sondern auch über die Menschheit hinaus gelangen.
Dateianlage:
. - Was Du aufdeckst, - offenbart sich . -
"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -
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