Aus: http://www.textlog.de/19288.html
Der urälteste Glaube der Menschheit, der Glaube an eine Wirklichkeitswelt,
fällt zusammen mit einem anderen urältesten Glaubenssatz,
den wir für Wissenschaft auszugeben pflegen,
fällt zusammen mit dem Glauben an die Kausalität,
mit dem Glauben an eine Verkettung von
Ursache und Wirkung in der Natur.
Ich bemerke nebenbei, dass der Glaube an eine Kausalität
eigentlich noch kindlicher, noch ursprünglicher sein muss
als die Religion der Wirklichkeit.
Denn der Hund, der den Glauben an die Wirklichkeitswelt zwar zweifellos,
aber auch ganz unbewusst besitzen mag, lebt und webt doch ganz
bewusst im Glauben an eine Kausalität dieser Wirklichkeit;
er kennt im Umkreise seiner Beobachtung die Verkettung
von Ursache und Wirkung.
Wenn wir aber bis auf die letzten Elemente auflösen, was in
unserem Gehirn als Ursache und Wirkung erscheint,
und wovon wir glauben, dass es auch in einer Wirklichkeitswelt existiere,
so gelangen wir knapp zu der höchst abstrakten Vorstellung,
dass das undurchdringliche Gewebe von Raum und Zeit diese Kausalität,
diese Wirklichkeitswelt hervorbringe.
Der Raum allein in seinen drei Dimensionen stellt sich unserem Gehirn
immer noch dar als etwas Unwirkliches, als etwas Leeres, als ein unerfüllter Raum.
Wir müssen ihn mit der vierten Dimension durchweben, mit der Zeit,
um zur Wirklichkeit zu gelangen. Oder umgekehrt:
Wir müssen der Gottheit, die wir Wirklichkeit nennen, ihr Gewand ausziehen,
die drei Dimensionen des Raums, um die nackte Zeit vor uns zu haben.
Wenn uns auch die ungeheure Vorstellung erschreckt, wir müssen es fassen,
dass Raum und Zeit zusammen uns die Wirklichkeit weben helfen und
dass wir in jedem Augenblicke der unendlichen Zeit, und jeder einzelne
für sich an jener Stelle stehen, wo das Weberschiffchen der Zeit die
drei Dimensionen des Raums geschäftig durchschneidet.
Hätten wir dann - so scheint es - Raum und Zeit begriffen,
so besäßen wir auch endlich, endlich eine Erkenntnis der
Wirklichkeit und hätten mit dem diamantenen
Sporn unseres dahinfahrenden Geistes die ehernen Schranken der
Erscheinungswelt endlich durchbrochen. (Vergl. S. 623.)