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Neue Theorie zu steinzeitlichen Venusfigurinen:
in Die Göttin. - 26.02.2021 14:06von Adamon • Nexar | 15.548 Beiträge
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Neue Theorie zu steinzeitlichen Venusfigurinen:
Die “Venus von Willendorf“ in verschiedenen Ansichten
Copyright: Bjørn Christian Tørrissen (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0
Aurora (USA) – Mit einem Alter von rund 30.000 Jahren gehören die sogenannten „Venusfigurinen“, wie etwa die berühmte „Venus von Willendorf“ zu den ältesten Beispielen figürlicher Kunst. Bis heute rätseln Wissenschaftler über Sinn und Aussage der wohlproportionierten, teils vermutlich schwangeren Frauendarstellungen. Eine neue Theorie setzt das Ideal der Venusfigurinen erstmals in einen konkreten Kontext zu klimatischen Veränderungen.
Im Fachjournal „Obesity“ (DOI: 10.1002/oby.23028) haben Mediziner und Anthropologen um Prof. Dr. Richard Johnson der University of Colorado nun ihre neue Theorie veröffentlicht, wonach der Schlüssel zum Verständnis der Statuen im damaligen Klimawandel und in der Ernährung der Menschen zu finden ist.
“Einige der frühesten Kunstwerke der Welt sind diese mysteriösen Figuren übergewichtiger Frauen aus der Zeit der Jäger und Sammler des altsteinzeitlichen Europas, in denen man eigentlich keine derartige Fettleibigkeit erwarten würde. In unserer Arbeit können wir nun aufzeigen, dass das Erscheinen dieser Figuren einhergehend mit Zeiten extremen Ernährungsstresses korreliert.”
Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erläutern, kamen die frühneuzeitlichen Menschen ursprünglich während einer Erwärmungsperiode vor etwa 48.000 Jahren nach Europa. Bekannt als Aurignacianer, jagten sie Rentiere, Pferde und Mammuts mit knochenspitzen Speeren. Im Sommer aßen sie Beeren, Fisch, Nüsse und Pflanzen. Einen natürlichen, ernährungstechnischen Grund zur Idealisierung von Fettleibigkeit, wie sie die Venus-Figuren zeigen, gab es eigentlich nicht.
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„Aber damals wie heute blieb das Klima nicht statisch. Als die Temperaturen sanken, rückten die Eisplatten und Gletscher vor und es kam zu einer Katastrophe. In den kältesten Monaten sanken die Temperaturen auf 10-15 Grad Celsius. Einige Gruppen von Jägern und Sammlern starben aus, andere zogen nach Süden, wiederum andere suchten Zuflucht in Wäldern. Das Großwild wurde überjagt. Es sind nun diese verzweifelten Zeiten, in denen nun die berühmten fettleibigen Figurinen auftauchen.“
Die Venusfiguren waren zwischen 6 und 16 Zentimeter hoch und bestanden aus Stein, Elfenbein, Horn oder gelegentlich aus Ton. Einige wurden eingefädelt und als Amulette oder Totems getragen.
Gemeinsam mit seinen Kollegen Miguel Lanaspa-Garcia und Dr. John Fox von der American University of Sharjah und vermaß Johnson das Verhältnis von Taille zu Hüfte und Taille zu Schulter der Statuetten und entdeckten dabei, dass diejenigen, die näher an Gletschern gefunden wurden, auch fettleibiger sind als diejenigen, die sich weiter davon entfernt fanden.
Die Forscher glauben deshalb, dass die Figuren einen idealisierten Körpertyp für diese schwierigen Lebensbedingungen darstellten: “Wir schlagen vor, dass sie Ideale der Körpergröße für junge Frauen vermitteln, insbesondere für diejenigen, die in der Nähe von Gletschern lebten. Wir fanden heraus, dass die Körpergrößenanteile am höchsten waren, als die Gletscher vorrückten, während die Fettleibigkeit abnahm, wenn sich das Klima erwärmte und sich die Gletscher zurückzogen.”
Laut den Forschern wurde Fettleibigkeit zu einem gewünschten Umstand: „Eine beleibte Frau in Zeiten der Knappheit könnte ein Kind besser durch die Schwangerschaft tragen als eine unterernährte. Auf diese Weise könnten die Figuren eine spirituelle Bedeutung gehabt haben – eine Art Fetisch oder magischer Zauber, der eine Frau durch Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit schützen sollte.“
Tatsächlich weisen viele der bislang gefundenen Frauenidole Abnutzungsspuren auf, was darauf hinweist, dass es sich um Erbstücke handelte, die über Generationen von Mutter zu Tochter weitergegeben und wie auch immer benutzt wurden. „Frauen, die in die Pubertät eintreten oder sich in einem frühen Stadium der Schwangerschaft befinden, haben sie möglicherweise in der Hoffnung erhalten, die gewünschte Körpermasse zu erlangen, um eine erfolgreiche Geburt zu gewährleisten, da so das erhöhte Fettgewebe eine Energiequelle während der Schwangerschaft und die dringend benötigte Isolierung liefern konnte”, so die Autoren. Die Förderung von Fettleibigkeit, so Johnson weiter, sorgte dafür, dass die Gemeinschaft auch unter den prekärsten klimatischen Bedingungen weitere Generation erhalten blieb. “Die Figuren haben sich als ideologisches Instrument herausgestellt, um die Fruchtbarkeit und das Überleben von Mutter und Neugeborenen zu verbessern”, sagte Johnson abschließend. “Die Ästhetik der Kunst hatte daher eine wichtige Funktion bei der Betonung von Gesundheit und Überleben, um den immer strengeren klimatischen Bedingungen gerecht zu werden.”
Quelle: University of Colorado Anschutz Medical Campus
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