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Die Göttin und Ihr Heros:

in Die Göttin. - 25.10.2009 14:29
von Atlan • Nexar | 15.430 Beiträge

Als Johann Jakob Bachofen 1861 das Mutterrecht (Matriarchat) entdeckte, stieß er wie einst Galilei auf strikte, ja feindliche Ablehnung. Unglaublich erschien selbst den Gelehrten, dass es außer der „von Gott so geschaffenen und ewig gültigen patriarchalen Weltordnung" jemals eine andere gegeben habe.

Die Matriarchatsforschung geriet rasch ins Schussfeld konservativer Vorurteile, und lange Zeit glaubte man, das Matriarchat sei so eine Art erdschollenhockender Mütterverein gewesen, und erst der apollinische, helle männliche Geist habe die Frauen aus ihrem erdgebundenen, dumpfen Denken befreit. Intensive ethnologische, mythologische, urgeschichtliche und sprachwissenschaftliche Forschungen bestätigen heute weitgehend die Erkenntnisse Bachofens und befruchten die weltweit auf hohem Niveau geführte Feminismus Diskussion.

Wir wissen heute, dass es nicht nur eine 3000jährige Geschichte des Patriarchats gibt, sondern dass die bewusste Menschheitsgeschichte auch ein mindestens 4000jähriges Matriarchat aufweist.

In der Forschung konnte nachgewiesen werden, dass auf dem Boden einer Bauernkultur eine hochentwickelte Stadtkultur entstehen kann, allerdings auf agrarischer Ökonomie. In der Phase des entwickelten Matriarchats kennen wir mindestens vier städtische Hochkulturen - am Indus, bei den Sumerern, in Altägypten und auf Kreta die Minoische Kultur.

Nach dem Motto: „Was nicht wahr sein darf, ist auch nicht wahr", hat das Patriarchat die Geschichte der mutterrechtlichen Kulturen restlos aus seinem Bewusstsein verdrängt!

Dieser Aufsatz konzentriert sich auf einen wesentlichen Aspekt, denn am Beispiel der Mythologie und der Religionsvorstellungen lassen sich sehr gut mutterrechtliches Denken und die patriarchale Umwertung verfolgen.

Die dreifaltige Göttin.

Die frühesten Religionen der Menschheit orientieren sich analog der Gesellschaftsstruktur an der „Großen Mutter". Die „Große Mutter" war eine Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin. Sie wurde vielfach als schwangere Frau mit deutlicher Betonung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale dargestellt, wie wir sie z. B. als „Venus von Willendorf" kennen.

Heide Göttner-Abendroth weist in ihrem bemerkenswerten Buch „Die Göttin und ihr Heros. - Die matriarchalen Religionen in Mythos, Märchen und Dichtung" nach, dass die matriarchale Göttin eine dreifaltige Göttin war und der dreifaltige Mond sie als Einheit symbolisierte.

Die weiße Sichel als Zeichen des jungen, zunehmenden Mondes ist das Symbol der Göttin in ihrer Mädchengestalt, der Göttin des zunehmenden Jahres (Frühling).

Der Vollmond ist das Symbol der Göttin in ihrer Gestalt als erwachsene Frau, der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, die am Höhepunkt des Jahres (Sommer) regiert. Sie ist auch die Schöpferin der Welt, denn der Vollmond bedeutet auch das Welt-Ei, aus dem die Schöpfung fiel, als es zerbrach. Der Neumond ist das Symbol der Greisingöttin. In der tiefsten Region, der Unterwelt, herrscht sie als winterliche Todesgöttin, die alles Leben mit in die Tiefe nimmt, um im neuen Jahr wieder zum Licht aufzusteigen.

Die drei Bethen

Bei den Kelten bildeten die Göttinnen Ambeth, Borbeth und Wilbeth die göttliche Triade. Unser Wort „beten" ist davon abgeleitet und heißt eigentlich: „die Göttin anrufen". Aber auch im Wort Samstag lebt die keltische Mondgöttin weiter. Es war ihr Tag, der 'S'ambeztac.

Bei den Griechen verselbständigt sich die Triade wieder in Einzelgöttinnen. Trotzdem bleibt die Dreifaltigkeit erkennbar: Artemis, Aphrodite, Athene (Jugend, Liebe, Weisheit).


Das Geheimnis der unbefleckten Empfängis

In mutterrechtlicher Zeit war lange der Zusammenhang von Zeugung und Geburt unbekannt. Es war allein die Frau, die das Geheimnis der Schöpfung kannte und das Erstaunen der Männer auslöste. Der bei vielen Völkern verbreitete Mythos von der „unbefleckten Empfängnis" bzw. der „jungfräulichen Geburt" hat hier seinen Ursprung. Entscheidend für die Vergöttlichung der Frau als Mondgöttin dürfte das „magische" Zusammentreffen der weiblichen Menstruationszyklen mit den Mondphasen gewesen sein.

... und die Götter?

Männliche Götter gab es im mutterrechtlichen Kosmos nicht. Der „menschliche" Partner der Göttin ist der Sonnenheros. Im Sommer vollzieht die Frauengöttin mit ihm das zentrale Fest, die „Heilige Hochzeit", die Land und Meer fruchtbar macht. Zu Beginn des Winters opfert ihn die Greisingöttin und führt ihn in die Unterwelt, aus der er am Anfang des nächsten Jahres wieder geläutert aufersteht. (Opfertod- und Auferstehungsmotiv).

Der Fruchtbarkeitskult

Die Heilige Hochzeit zelebrierte man z. B. bei den Sumerern und in Babylon in einer feierlichen Zeremonie als rituelle Vereinigung der Oberpriesterin der Göttin Inanna bzw. Istar mit dem König (Heros) des Landes.

Die Priesterin ist dabei Stellvertreterin der Göttin. Wird ein Kind gezeugt, so ist dieses göttlicher Herkunft. Wie die Göttin gilt die Priesterin nach einem reinigendem Bad weiterhin als „jungfräulich" und genießt unangefochten die höchste Autorität im Stadtstaat (matriarchale Theakratie).

Bisweilen entwickelten sich aus der Heiligen Hochzeit orgastische Kulte, an denen auch der einfache Gläubige beteiligt war. Tempeldienerinnen (Hierodulen) gaben sich in einer großen kultischen Feier den Männern hin, um ihnen die ekstatische Verschmelzung mit der „Liebes"-Göttin (unio mystica), die Sicherung der Fruchtbarkeit und die Wiedergeburt zu ermöglichen. Tempelprostitution war also „Gottesdienst", bevor sie im Patriarchat zur käuflichen Liebe degradierte.

Keusch und asketisch sind nur die Priester der vaterrechtlichen Religionen. Sie sublimieren und tabuisieren das Sexuelle. Es entsteht die Ideologie von den bösen Trieben, die als neurotisierende Konstante die Kultur bis heute prägt.

Vom Monisums zum Dualismus

Mit dem Übergang vom Mutter- zum Vaterrecht wird das monistische Weltbild abgelöst vom dualistischen, welches bis heute das Abendland beherrscht und den Menschen zum Suchenden machte.

Erst im Patriarchat kommt es zur Trennung von Gott und Welt und der Transzendenz des Göttlichen. Es entstehen die Gegensätze Gott und Mensch, Diesseits und Jenseits, Immanenz und Transzendenz. Es gibt„Licht" und „Finsternis". Sehr deutlich ist dies in der Lehre des guten und des bösen Prinzips bei Zarathustra ausgedrückt. Der iranische Religionsstifter degradierte alle Götter des persischen Pantheons (der ursprünglich weiblich besetzt war) außer den großen Geist Ahura Mazda zu Teufeln.

Die strengen Moralvorschriften spalten die Menschen irreversibel in Natur und Geist, Trieb und Moral, Herz und Kopf, Sinnlichkeit und Sittlichkeit, wobei ersteres zugunsten des letzteren verdrängt wird.

Es war Friedrich Nietzsche und Sigmund Freud vorbehalten, diesen Konflikt als die eigentliche menschliche Katastrophe unserer Kultur aufzudecken.

Für die moderne Feminismusdiskussion ist wichtig festzuhalten, dass es im Matriarchat noch nicht den Antagonismus männlich/weiblich gibt. Beides ist integrativ aufeinander bezogen und kann gleichwertig miteinander bestehen. Der Sonnenheros ist nicht das Gegenteil der Göttin, sondern sie selbst. Er ist ihr Sohn!

Wiedergeburt oder Jenseits?

Analog der Natur und dem Vegetationszyklus (die Saat stirbt, um als Frucht wiederaufzustehen), dem Sterben und dem Auferstehen der Sonne glaubten unsere Vorfahren an eine Wiedergeburt. Selbst im frühen Christentum war diese Vorstellung noch verbreitet und wurde erst Jahrhunderte später amtskirchlich verboten.

Jenseitsvorstellungen tauchen erst sehr spät in der Menschheitsgeschichte auf. Sie sind eng verbunden mit der Sklavenhaltergesellschaft des Patriarchats.

Besonders mit dem Aufstieg Roms in zahlreichen Raub- und Eroberungszügen verschärften sich zunehmend die sozialen Widersprüche einer Gesellschaft, die auf der Ausbeutung fremder Länder und der Aneignung der Arbeitskraft von Menschen dieser Länder, den Sklaven, beruhte. Die Klassengesellschaft zeigte politische und ökonomische Macht auf der einen, soziale Ohnmacht und Unterdrückung auf der anderen Seite.

Die zunehmende Verelendung breiter Schichten der freien Bevölkerung begünstigte das Entstehen und die Verbreitung von Heilslehren, Offenbarungsgeschichten, Zukunftsprophezeiungen und Mysterienkulten. Da der Großteil der Bevölkerung von einer politischen Mitgestaltung des Gemeinwesens ausgeschlossen war, wurde er von der Ohnmacht im Diesseits auf eine soziale Utopie im Jenseits verwiesen, in der die sozialen Unterschiede aufgehoben sind und jeder gleichgestellt ist.

Eine zusätzliche Erklärung für das Entstehen der Jenseitsvorstellung bringt Ernst Bornemann in seinem Lebenswerk „Das Patriarchat": Die in allen Mythologien vorhandene Vorstellung vom verlorengegangenen Paradies ist die mythische, kollektive Erinnerung und Sehnsucht der Völker nach den verlorengegangenen mutterrechtlichen Kulturen. Das Patriarchat transzendiert das Paradies als eine wiederherstellbare Utopie ins Jenseits, in der die Entfremdung aufgehoben ist.

Der Sonnenheros ist der neue Gott.

Die unter dem Einfluss des Orients im Hellenismus entstandenen antiken Erlösungs- und Mysterienreligionen, die den Menschen für tapfer erduldete Mühen und Plagen im Diesseits den gerechten Lohn im Jenseits in Aussicht stellten, fanden rasche Verbreitung und wurden zu Weltreligionen.

Bereits im zweiten Jahrhundert v. Chr. treffen wir im Herrschaftsbereich des römischen Reiches auf die Vorstellungen einer sozialen Utopie, in der die Sonne oder der Sonnengott als Erlöser von der sozialen Knechtschaft auftritt.

Im Zentrum der Verehrung aller Mysterienreligionen stehen Erlösungsgötter - Gottessöhne, die im Auftrag eines göttlichen Vaters die Schuld der Welt auf sich nehmen und durch ihren Opfertod die Auferstehung aller ermöglichen.

Der Mythos vom sterbenden und auferstehenden Gott ist im römischen Reich weit verbreitet: z. B. als Adonis, Attis, Asklepios, Dionysos, Herakles, Horus, Mithras, Marduk, Osiris, Serapis, Silvanus u. v. a. Augenscheinlich sind die Parallelen zum später entstehenden synkretistischen Christentum. So ist Dionysos wie Prometheus und Christus ein gekreuzigter Gott. Die Fähigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln, wird auch ihm nachgesagt. Osiris feiert seine Auferstehung am dritten Tag, Attis nach vier Tagen.

Der Gottmensch Asklepios heilt Sieche und erweckt Tote. Herakles gilt wie alle anderen als Weltheiland und Erlöser. Seine Anhänger lehnen allerdings eine geschenkte Erlösung ab. Nur in der Nachahmung seiner Mühen und Plagen könne sich der Mensch selbst erlösen.

In den eleusinischen Mysterien wird Demeters Gotteskind lakchos von Hirten freudig begrüßt und aufgenommen. Isis gebiert jungfräulich den Gottessohn Horus und schließt an die seit der 5. ägyptischen Dynastie offizielle Staatsideologie an, dass jeder Pharao ohne Geschlechtsakt von einem göttlichen Wort (oder dem Sonnengott Re) mit einer menschlichen Mutter gezeugt worden sei. In der bildenden Kunst findet man bisweilen Isis als „Madonna mit Kind" dargestellt.

Der von Soldaten weitverbreitete Kult des Sonnengottes und Erlösers Mithras — seinen Geburtstag feierte man am 25. Dezember als Sonnenwende — kennt neben einem Reinheits- und Keuschheitsideal die sonn(en)tägliche Verpflichtung zum Gottesdienst, das Kreuzzeichen, das „ewige Licht", sieben Sakramente, die „Kommunion" mit Brot und Wein. Die entsetzten Kirchenväter sahen darin eine bösartige Erfindung des Teufels!

Der babylonische Marduk schließlich wird gefangengenommen, verhört, gegeißelt, zum Tode verurteilt und aufersteht nach einer Höllenfahrt, in der er die gefangenen Seelen rettet. Der Mythos kennt auch eine Speerwunde, aus der das Herzblut des Gottes fließt.

Der Opfermythos

Die uralte Idee des Opfers ist immer der Ausdruck der jeweiligen sozialen Bedürfnisse und erfüllt so eine wichtige religiöse und gesellschaftliche Funktion.

Im Matriarchat ist die Opferung des Sonnenheros ein kultisches Symbol für das ewige Werden und Vergehen aller biologischen und kosmischen Vorgänge.

Kollektive masochistische Schuldgefühle und „Reinheits"bedürfnisse führen im Patriarchat zum Menschenopfer. Ein übermächtiger, strafender Gott verlangt von seinem Volk, das ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, das Blut und Leben eines seiner Kinder, damit alle anderen von seinem Zorn „erlöst" sind. (Abraham opfert seinen Sohn Isaak bzw. will es tun.)

Nicht nur bei den Azteken genoss der Geopferte das allergrößte Ansehen. Es war eine große Ehre, für den Gott getötet zu werden, und man machte reichlich Gebrauch davon. Neben der demonstrierten Macht und Autorität des Gottes und seiner Priester brachte dieses Ritual dem Volk Segen, Zuversicht und - wenn ausreichend Blut über den Altar geflossen war - auch Kriegsglück. Dem in einer feierlichen Zeremonie rituell Getöteten winkte die sichere Auferstehung in einem paradiesischen Jenseits.

Mit dem gesteigerten Erlösungsbedürfnis der Menschen setzte sich schließlich in den Mysterienreligionen die Vorstellung durch, dass ein inzwischen großzügiger Gott, in dessen Schuld die Menschen stehen, seinen eigenen fleischgewordenen Sohn zur Befreiung und Erlösung der in Sünde verstrickten Menschheit opfert und so ein sichtbares Zeichen seiner Größe und Allmacht setzt.

Die antike Mysterienfrömmigkeit

Alle Mysterien gründen sich auf ein als göttliche Offenbarung verkündetes heiliges Wort (hieros logos), das die Menschwerdung, das Leiden und Sterben, die Auferstehung und die göttliche Erhöhung zum Inhalt hat.

Meist wird das Sterben des Gottes besonders grell ausgemalt, damit seine Auferstehung in um so hellerem Glanz leuchtet. Wird nun das Schicksal des Gottes auf den ihm geweihten Menschen übertragen, so bedeutet das für ihn Heil schlechthin: „Freut euch, ihr Mysten, da der Gott gerettet ist, so wird auch euch aus Mühsal Heil zuteil."

Die Übertragung vollzieht sich zunächst im Einweihungssakrament, einer Wasser- oder Bluttaufe und zuweilen einer Einkleidung mit einem göttlichen Gewand. So wird der Myste Glied einer Gemeinde, in der Gott ständig anwesend ist und sich mit ihm in einem wiederholbaren zweiten Sakrament verbindet. Dies ist ein Kultmahl mit Brot, Wein oder auch Milch und Honig, zuweilen auch Fleisch, das entweder geistig vorhanden ist: der Gott gilt als Gastgeber, oder substantiell-theophag: der Gott selbst wird gegessen.

Katholische Theologen sehen in den zahlreichen Übereinstimmungen aller Erlösungsreligionen nicht die simple Transformation des Mythos, sondern göttlich inspirierte Präfiguration und antizipierte Eschatologie (heilsgeschichtliche Vorwegnahme) des einzigen und wahren Erlösers: Jesus. (Leonardo Boff: „Das mütterliche Antlitz Gottes").

Welcher Auffassung man auch immer den Vorzug gibt, das Christentum ist in Mythologie und Kult wenig originell. Es siegte aufgrund der außerordentlichen Assimilationskraft, indem es sich die Kräfte seiner Rivalen aneignete. Es verschlang syrische, ägyptische, kleinasiatische und hellenistische Götter und Göttinnen, es machte ihre Kräfte zu einer eigenen Kraft.

Die christliche Mythenproduktion konnte auf eine reiche Tradition mythologischer und philosophischer Versatzstücke zurückgreifen, die zur Zeit der Niederschrift der Evangelien in weiten Kreisen der Bevölkerung sehr bekannt waren. (Carl Schneider: „Das Christentum").

Wer war Jesus Christus?

Mit dieser Frage beschäftigt man sich mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen seit 2000 Jahren. Wir sollten uns bewusst machen, dass die herrschenden Ansichten u. a. auch das Ergebnis einer jahrhundertelangen Machtpolitik sind, die den Andersdenkenden keine Chance ließ und sie oft nicht nur kulturell, sondern sogar physisch vernichtete.

Abweichend zur offiziellen und kanonisierten Deutung der etablierten Kirchen sollen hier einige Thesen — allerdings sehr verkürzt und ohne den dazugehörenden Argumentationsgang — aus dem in Frankreich viel diskutierten Buch von Michel Clevenot „So kennen wir die Bibel nicht" zur Diskussion gestellt werden.

Clevenot bedient sich mit der strukturalistischen Methode der modernsten sozialwissenschaftliche Analysetechnik und findet besonders unter kritischen Katholiken und in sozial engagierten Basisgemeinden eine begeisterte Aufnahme.


Der französische Historiker versucht, hinter den mythologischen Erzählungen die historische Persönlichkeit greifbar zu machen, und findet einen Jesus, der eindeutig auf der Seite der politisch machtlosen und ökonomisch verarmten Bevölkerung steht und die Auseinandersetzung mit den etablierten Schichten, deren Scheinheiligkeit, Selbstgerechtigkeit und einseitig zu ihren Gunsten gehende Schriftauslegung er anprangert, nicht scheut. Sein Scheitern ist das Scheitern eines Sozialrevolutionärs an den übermächtigen Institutionen, die die Vormacht der Etablierten sichern und die Ausbeutung der Unterdrückten in einer Sklavenhaltergesellschaft legitimieren.

Die jüdische Bevölkerung musste damals gleich zweimal Steuern zahlen: an den Tempel in Jerusalem und an die römische Besatzungsmacht. Jesus kämpft gegen die soziale Ungerechtigkeit und somit für eine gerechtere Gesellschaft. Und — er bewegt damit die Massen! „Das Heiligste" in Jerusalem — der Tempel und seine Verwalter — fühlen sich ernsthaft bedroht. Als die Situation zu eskalieren droht, verkündet Jesus die Feindesliebe. Die Gewalt, wie sie die Zeloten vertreten, ist für ihn nicht die Lösung. Viele seiner Anhänger beginnen zu zweifeln und verleugnen ihn: „Ist Jesus der Messias, den die heiligen Schriften schon lange ankündigten?"

Wo befindet sich „Das Reich Gottes"?

Jesus Christus und sein „Reich Gottes" apokalyptisch-jenseitig aufzufassen, ist die Interpretation der gesellschaftlich Unterdrückten und politisch Ohnmächtigen, die Tradition der gescheiterten Befreiungsbewegung und deren Sozialreformer, die ihren Trost nun „im ewigen Leben" suchen. Jesus dürfte sein „Reich Gottes" wohl geistig innerlich (als Sinn des Lebens) und utopisch diesseitig (als politische und ethische Handlung) verstanden haben.

Der Wert seiner Lehre liegt in der „Praxis", in einer Ethik der sozialen Tat und persönlichen Verantwortung — in der Nächstenliebe, die zum Menschen führt und nicht gegen ihn gerichtet ist. Das Leben dieses bemerkenswerten Menschen hatte eindeutig auch eine politische Dimension, obwohl gerade dies heute von den etablierten Erbverwaltern und Bewahrern seines Vermächtnisses vielfach geleugnet wird. Bei Markus lesen wir: „Es ist nicht ein Gott von Toten, sondern von Lebendigen. Ihr irrt euch sehr." (Mk 12,1-27).

Natürlich haben nicht „die Juden" Jesus den Prozess gemacht, wie man jahrhundertelang behauptet hat. Das Volk Israels war aus guten Gründen für ihn. Liquidiert hat ihn das sich bedroht fühlende „System", welches schon im Jahre 4 v. Chr. 2000 aufständische Zeloten kreuzigte!

Jesus ein Feminist?

In der modernen Matriarchatsforschung und feministischen Theologie wird immer wieder darauf hingewiesen, dass seine Wertvorstellungen das patriarchale Denken eigentlich sprengen bzw. eine Rückkehr zur mutterrechtlichen Geborgenheit bedeuten („Gott ist die Liebe").

Alle Charaktereigenschaften, die man Jesus nachsagt, gelten im patriarchalen Weltbild als „weiblich": Sanftmut, Güte, Friedfertigkeit, Fürsorge, Demut, Aufopferung usw. .

Patriarchalisch ist die Institution Kirche, die für männliche Ideale wie Macht, Stärke, Autorität, Unfehlbarkeit, Repräsentation und Gehorsamkeit steht. Jesus hat gerade eine solche Institution in Jerusalem heftig attackiert und in Frage gestellt!

Für die damalige Zeit ein unerhörter Verstoß gegen die Konvention und die Tiefenstruktur der Gesellschaft war auch das völlig ungezwungene und partnerschaftliche Verhältnis, welches Jesus zu den Frauen hatte — für ihn waren sie gleichberechtigt! Unter seinen Anhängern dürfte dies schon damals ein „Reizthema" gewesen sein und zu hitzigen Diskussionen geführt haben: In einem erst 1945 in Ägypten gefundenen Papyrus-Evangelium — die Wissenschaft meint, es sei älter als alle anderen überlieferten Texte — wird berichtet, dass Jesus seine Freundin (!) Maria Magdalena in der Vermittlung der Lehre den Jüngern gegenüber bevorzugt habe und es deshalb zu einem Streit gekommen sei.

Gleichberechtigt waren die Frauen unter den gnostischen Christen. Man ernannte sie zu Priesterinnen, ja sogar zu Bischöfen. Diese „Irrlehre" konnte sich freilich im Patriarchat nicht behaupten. Erst im Spätmittelalter kam es unter den Katharern zu einer Wiederbelebung des christlichen Gleichheitsgrundsatzes, der sich auch auf die Frauen erstreckte.

Die Kirche erfand zur Vernichtung der irregeführten „Ketzer", die den wahren Glauben bedrohten, die heilige Inquisition. Wie schon in Jerusalem ging es natürlich nicht um Religion, sondern um die machtpolitische Absicherung der „gottgewollten" Obrigkeit.

Die Höllenfahrt Lucifers

Nicht jeder Sonnenheros schafft die Transformation zum patriarchalen Erlösungsgott. Die Alternative ist die Dämonisierung. Lucifer, der treue Begleiter und "Lichtträger" der „Göttlichen Weisheit" (= Hagia Sophia), wird in patriarchaler Deutung als aufständischer „Gegengott" aus den himmlischen Sphären in die finstere Hölle hinabgestürzt. Dort errichtet er das Reich des Bösen und bedroht als ewiger Verführer und „Antichrist" die Menschen.

In der Apokalypse, der geheimen Offenbarung des Johannes, die sich wie die Beschreibung eines atomaren Infernos liest, wird prophezeit, dass Lucifer am Ende der (patriarchalen) Zeiten zurückkehrt, um „seine" Ordnung wiederherzustellen:

„Da erschien ein großes Zeichen am Himmel: Eine Frau, umgeben von der Sonne, den Mond unter ihren Füßen, und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie in ihren Wehen und in der Qual des Gebärens." (Offb. 12,1-2).

Ist es Zufall, wenn sich eine psychisch deformierte und sozial desorientierte männliche Kultur den eigenen Untergang prophezeit und darin sogar noch die Erlösung sieht?

Wo sind die Göttinnen geblieben?

Das patriarchale Denken erfasste schließlich alle Lebensbereiche. Sehr deutlich sieht man die Veränderungen in den Schöpfungsmythen, die die neue Ideologie eindrucksvoll aufzeigen. Nicht mehr die „Große Mutter" hat die Welt erschaffen: ein patriarchaler Gott ist der neue Be„herr"scher des Kosmos. Seine Weisheit und die der Männer regieren von nun an die Welt. Muttergöttinnen werden abgewertet, liquidiert, ja vielfach sogar dämonisiert. Öfters wechseln sie das Geschlecht und werden zu männlichen Gottheiten, die für die neue, hierarchische und sehr häufig frauenfeindliche Ordnung stehen.

Der allmächtige dreifaltige Gott

Die „Große Göttin" des Orients hieß nach ihrem sumerischen Namen „lahu", die „Erhabene Taube". Sie war eine universale Liebesgöttin. Die patriarchalen Stämme, die in Palästina eindrangen, raubten der Göttin den Namen und auch die Taubengestalt für ihren Gott.

lahu wurde zu Jahwe und die Taube, das Ur-Symbol des matriarchalen Eros, zum asketischen Heiligen Geist der patriarchalen jüdischen Religion. Das Christentum stellte mit Jahwe (Gottvater), Jesus (Gottsohn) und dem Heiligen Geist die Dreifaltigkeit wieder her.

Im frühen Christentum, wie es z. B. noch Mohammed kennen lernte, stand an dritter Stelle Maria. Der Prophet Allahs verwarf diese Vorstellung als polytheistisch und führte die Religion zum strengen (patriarchalen) Monotheismus zurück.

Eva oder der Verlust des Paradieses

Hawa oder Heba oder Hebe, später Eva oder Eve war die „Mutter allen Lebens", die Erdgöttin von Jerusalem. Sie herrschte in ihrem Obstgarten-Paradies, wie z. B. auch Hera oder die Hesperiden. Alles Leben brachte sie nur mit der phallischen Schlange hervor wie die ältesten Göttinnen des einfachen Matriarchats.

(Die Schlange gilt auch als Symbol der Wiedergeburt, weil sie nach der Häutung scheinbar zu neuem Leben wiedererwacht.)

Später hatte Eva auch einen Heros, er hieß Abdi-heba (Adam), sein Name war eindeutig von dem ihren abgeleitet.

Sie heiratete ihn jährlich, nachdem sie ihm den klassischen Liebes- und Todesapfel überreicht hatte. Ebenso sicher opferte sie ihn, um ihm in ihrem Apfelgartenparadies das ewige Leben und die ewige Jugend zu schenken (Opfertod- und Auferstehungsmotiv).

Den Namen dieser Göttin nahm der semitische Gott Jehova (von Jehva = Eva) in Besitz. Die Liebesgöttin Eva wurde reduziert zum sündigen Weib, das zuviel über Leben und Tod, symbolisiert im Apfel, wissen wollte. Sie wollte also zuviel über ihr ureigenstes Wissen erfahren, das sie seit grauer Vorzeit besaß!

Eva ist fortan Adam untergeordnet. Der patriarchale Mythos lässt sie sogar aus „seiner" Rippe entstehen. Die Phallusschlange, ihr Symbol der Kreativität und Lust, wird zum Prinzip des Bösen. Alles Üble kommt von nun an von der Frau! Eine Parallele zu Eva ist die griechische Pandora. Auch sie war eine Muttergöttin. Im Patriarchat wird sie zur ersten menschlichen Frau, die in ihrer Büchse das Böse in die Welt und den Männern bringt.

Die „Büchse" der Pandora ist in Wirklichkeit ein matriarchales Sexualsymbol, welches als „Füllhorn" bzw. auch sehr oft als „Kelch" für den unerschöpflichen Schoß der Göttin steht, aus dem Leben, Fruchtbarkeit und Reichtum quillt.

Die Verteufelung der Frauen

Frauen, die in mutterrechtlichen Kulturen führenden Anteil am gesellschaftlichen Leben hatten und besonders als Priesterinnen hochgeachtet waren, verbannte man zunehmend ins Haus und an den Herd. Während man den Frauen die Attribute des Teuflischen aufbürdete — ihr Charakter sei zornig, streitsüchtig, neidisch, verschlagen, lügenhaft und feig —, widmete sich das andere Geschlecht ungestört der „Herrschaft.

Bereits im antiken Athen galt die Frau als das Eigentum des Mannes, sie durfte das Haus nur mehr unter Aufsicht verlassen. In der überlieferten Meinung drückt sich nicht nur die Verachtung, sondern auch die Angst der Männer vor den Frauen aus.

Menander zum Beispiel: „Ein böses Gewächs im Leben ist das Weib, als nötiges Übel aber kaufen wir es doch!" Oder Euripides: „Stets sind die Weiber hinderlich dem Wohlergehen der Männer, dass zum Schlimmeren es sich wenden muss." Für den Arzt Hippokrates ist klar: „Die Frau bedarf eines Zuchtmeisters, denn sie hat von Natur aus das Zügellose an sich, so dass sie, wenn sie nicht täglich ausgerodet wird wie die Bäume, zu üppig ins Kraut schießt."

Die streng patriarchalen Juden beteten nun sogar zu ihrem Gott: „Herr, ich danke dir, dass ich nicht als Frau auf diese Welt gekommen bin."

Die Kirche der Männer

Selbst Paulus ist — im Gegensatz zu Jesus — nicht ganz unbeeinflusst vom Zeitgeist. Sein Satz gilt bis heute: „Mulier taceat in ecciesia." — „Die Frauen sollen in der Kirche schweigen, denn es kann ihnen nicht gestattet werden zu reden, sondern sie haben sich unterzuordnen." (1. Kor. 14.34).

Die Kirchenväter hinterließen reichlich Zeugnis, dass sie nicht immer die Radikalität des Denkens Jesu realisierten, der sich wie sonst niemand in seiner Zeit für die Gleichheit aller eingesetzt hatte. Z. B. Thomas von Aquin: „Das Weib verhält sich zum Mann wie das Unvollkommene und Defekte zum Vollkommenen." Immer wieder beruft man sich auf Eva, um die Sündhaftigkeit des Weibes zu veranschaulichen.

Das Zentralproblem war stets, wie man der weiblichen Erotik entgeht, der Versuchung widersteht. Folgerichtig galt all das als unanständig, was ständig in den Köpfen der Männer spukte. Bis ins 19. Jahrhundert grübelten manche gelehrten Männer, ob Frauen auch eine Seele haben. Als besonders fatal hat sich die Tatsache ausgewirkt, dass man am Beginn der Neuzeit alle einschlägigen Zitate der Theologen, vielfach aus dem Kontext gerissen, im „Hexenhammer" sammelte und damit den paranoidesten Frauenhass und die größte Frauenverfolgung der Geschichte auch noch als „Wille Gottes" rechtfertigte.

Hexen und Satansbräute

Matriarchale Gegenkulte zum Christentum überlebten länger, als es allgemein bekannt ist. So gab es heidnische Kulte, von der Kirche auf das heftigste diffamiert, bis in die Neuzeit.

Zumindest einige jener Frauen, die man mit der Anschuldigung anklagte, sie hätten geschlechtlich mit dem Teufel verkehrt - in Wirklichkeit feierten sie die „Heilige Hochzeit" -, waren Anhängerinnen uralter Fruchtbarkeitskulte und Trägerinnen großer Weisheit.

Die weltweite Frauenbewegung führte inzwischen zu einer positiven Neubewertung und Wiederbelebung der weiblichen Spiritualität. So soll es in Großbritannien bereits 1 Million Frauen geben, die sich zur „Hexenreligion" bekennen und den entsprechenden Geheimkult mit uralten Ritualen auch praktizieren. Viele dieser Frauen sind engagierte Vorkämpferinnen in der Öko- und Friedensbewegung und versuchen so, ihre Göttin, die „Mutter Erde", vor der drohenden Vernichtung zu bewahren!




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"Die Erlösung kann nicht verdient, nur empfangen werden, - darum ist sie die Erlösung". -

"Es ist alles Illusion, - was nicht aus mir selber spricht,
- denn es ist ein Zusatz, - dieses Eine nicht". -

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zuletzt bearbeitet 15.10.2014 10:57 | nach oben springen
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