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Aus: http://www.stereo-denken.de/goettin.htm
PRIESTERIN DER GÖTTIN ?
Etwas feministische Theologie auf katholisch (seit 1961)
Geschichten
Ja, Kinder - erzählt der Großvater - als ich klein war, herrschten strenge Bräuche. Bei Tisch durften wir nur reden, wenn wir gefragt wurden, sogar die Mutter. Einmal, das weiß ich noch wie heute, sagte meine Mutter etwas von sich aus. Mein Vater sah vom Teller auf und sagte ruhig nur: meine Liebe, ich kann mich nicht erinnern, dich etwas gefragt zu haben.
Jahrzehntelang - berichtet Dr. Sch. - habe ich ein Müttergenesungsheim geleitet. Viele dieser Frauen waren depressiv, aus mancherlei Gründen, körperlichen, seelischen, gesellschaftlichen. Ein Hauptgrund war.die Religion. Wie Sie wissen, ist man bei uns überaus katholisch. Alles Feierliche geschieht im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Dreimal des. Dreimal ist Gott ein Er. Maria, die höchste Sie, ist bloß ein Geschöpf. Diesen Tiefschlag gegen ihre gleiche Menschenwürde haben viele Frauen nie verwunden, das Ergebnis war heillose Verzweiflung.
Geschichte - weiblich gesehen
Über dreitausend Jahre müssen wir zurück, um wieder vor der Weiche zu stehen, die damals so fatal gestellt worden ist, in Richtung auf unser männisches Weltbild: Gott hoch oben im Himnel; unendlich unter Ihm, aus dem Nichts stammend, die Schöpfung, durch Evas Schuld in Sünde gefallen, so daß Er selbst kommen muß, sie zu erlösen.
Daß Feminismus besser sei als Machismo, behaupte ich nicht. Gegengifte sind keine Lebensmittel. Die feministischen Schriften, die ich in den letzten Wochen studiert habe, enthalten mancherlei Krauses, zeigen Perspektiven, die ich nicht teilen kann. Auf problematische Einzelheiten kommt es aber jetzt überhaupt nicht an. Denn die geistliche Grundströmung dieser Werke ist einheitlich, machtvoll und überzeugend. Vertrauen wir uns ihr an, dann werden wir unter den patriarchalischen Jahrtausenden hindurch vor jene schlinme Weiche zurückgespült und erhalten die Chance, sie fortan anders zu stellen.
''Die erste Schöpfungsgeschichte ist eine Geschichte der Selbstzeugung. Der Ursprung des Kosmos wird als 'Weltei' oder Mutterleib symbolisiert. Im Urleib gebiert oder teilt sich der Kosmos in Himmel und Erde, in männliche und weibliche Gottheiten. Nach dieser Vorstellung von der Entstehung des Kosmos können Himmel und Erde nicht zwei einander entgegengesetzte Pole darstellen, d.h. 'der Himmel' symbolisiert nicht die Transzendenz über eine niedere und abhängige 'Erde'. Die Zweiteilung ist komplementär, nicht hierarchisch. Selbst die Götter entstehen aus dem Urleib... Die Beziehung zwischen Mutter-Göttin und König ist eine Mutter-Sohn-Beziehung.'' (A 1)
Ein Matriarchat im strengen Sinn hat es nie gegeben, darin scheinen die Experten mittlerweile einig. Das Grundklima der Beziehung zwischen Männern und Frauen hängt aber auch nicht so sehr davon ab, wer die politischen Entscheidungen trifft, sondern vom gültigen Weltbild und Wertsystem, woran jedermann und jedefrau ablesen kann, wie denn im Ganzen und überhaupt Mann und Frau zueinander stehen.
Dieses entscheidende Verhältnis nun ist durch das Patriarchat geradezu umgekippt: nicht länger verwies die Frau auf die Urmutter und der Mann auf den Sohn, von ihr abhängig und ihr Ehrfurcht schuldend. Sondern jetzt repräsentierte der Mann den Allmächtigen, die Frau die ohnmächtige, höchstens zur Mithilfe taugliche Schöpfung. Alle natürliche Erfahrung auf den Kopf stellend, läßt ''man'' nun Eva aus Adam entstehen:
''Ein männlicher Gott erschafft zuerst den Mann und dann die Frau. Sie ist als Gehilfin des Mannes geschaffen. Da sie aus der Rippe des Mannes geschaffen wird, bleibt sie von ihm abhängig und hat keine autonome Existenz. Die Frau versucht den Mann zum Ungehorsam und ist deshalb verantwortlich für die Sünde der Welt: die Frau wird dazu verflucht, in Schmerzen ihre Kinder zu gebären, und der Mann bekomnt von Gott das Recht, über seine Frau zu herrschen... (Es ergibt sich,) 'daß die JHWH-Religion die religiösen Bedürfnisse der israelitischen Frauen eben doch nicht befriedigte und es in dieser Hinsicht in Israel einen eklatanten Unterschied zwischen Mann und Frau gab. Allein schon das Fehlen des Frauenpriestertums ist ein deutliches Indiz.'' (A 2)
So stehe es, behauptet die frühere katholische Orensfrau Mary Daly, noch heute: ''Die Mythen und Symbole der christlichen Religion sind im wesentlichen sexistisch. Da 'Gott' männlich ist, ist das Männliche Gott. Gottvater ist das Vorbild aller irdischen Herrgötter wie Vito Corleone, Papst Paul, Präsident Gerald Ford, der Götter in Weiß (z.B. der Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft), der Götter von Forschung (z.B. NASA), Medien, Psychiatrie und Bildung, und der Götter sämtlicher -ologien.'' (A 3)
Noch der ausgreifendste ökumenische Friedenswille bleibe parteiisch und tot, solange die Männerherrschaft währe: ''Die-vorherrschende Religion auf dem gesamten Planeten ist das Patriarchat als solches und seine eigentliche Botschaft ist die Nekrophilie. Alle sogenannten Religionen, die das Patriarchat legitimieren, sind lediglich Sekten, die unter seinem riesigen Baldachin zusammengefaßt sind. Trotz aller Unterschiede sind sie im Prinzip alle gleich. Alle - von Buddhismus und Hinduismus zum Islam, Judaismus, Christentum, bis zu so säkularen abgeleiteten Formen wie Freudianismus, Jungianismus, Marxismus und Maoismus sind Infrastrukturen des Gebäudes des Patriarchats. Alle wurden errichtet als Teile des männlichen Bunkers zum Schutz gegen Anomie. Und die symbolische Botschaft all der Sekten jener Religion, die Patriarchat heißt, ist diese: Frauen sind die gefürchtete Anomie.'' (A 4)
Die patriarchalische Weichenstellung hat die Menschheit zu ihrem heutigen Zustand gebracht, da 'der'' Mensch Angst hat vor seiner tödlichen atomaren Ejakulation. Was aber sollen wir denken? Vor jener Weiche stehen bleiben, den schaffenden Gottesgeist vergessen und nur wieder, wie in grauer Vorzeit, die göttlich belebte Natur als kosmischen Schoß verehren? Das ist zwar eine, aber bestimmt keine christliche Lösung. 'Die Ur-Mutter repräsentiert die ständig vorhandene Gefahr eines Rückfalls in das undifferenzierte Chaos.'' (A 5)
Anderseits scheint uns auch die Auffassung der entwickelten altorientalischen Religion verwehrt zu sein. Göttin und Gott als Hohes Paar gleichberechtigt nebeneinander zu sehen, hindert den Christen daran nicht sein Glaube an die lautere göttliche Einfachheit? Schade; dem Selbstbewußtsein von Frauen (und Männern) lieferte dieses Bild hilfreichste Energie:
''Das differenzierte Bild der 'nackten Göttin' spiegelt eine gehobene religiöse Grundbefindlichkeit der Frau ... Die 'Heilige Hochzeit' hat sich somit als Komplex theologischer Vorstellungen erwiesen, in dem der alte Orient die Sakralisierung der Sexualität thematisierte ... Der alte Orient kennt diesbezüglich überwiegend einen Vorrang des weiblichen Teils ... dieses weibliche 'Übergewicht' ist bei der Beurteilung des 'Gottesbildes' der altorientalischen Frau zu berücksichtigen.'' (A 6)
An die Göttin zu glauben: das scheint in der Tat eine andere Religion zu sein als die, in welcher ich erzogen worden bin. Und doch! Die Erinnerung steigt mir auf an jene Monate vor bald zwei Dutzend Jahren, da ich - im Priesterseminar zu den Bräveren gerechnet - völlig unvermutet auf die Spur der Göttin stieß und 'Mutter unser'' gebetet habe, lange bevor es so etwas wie feministische Theologie gab. Das kam so:
Noch eine Geschichte
1961 las an der Gregoriana der Kanadier P. Lonergan SJ den Traktat 'De Deo Trino''. Unvergeßlich, wie er in breit-englischem Latein zusanmenfaßte: 'Es gibt also in Gott fünf Notionen, vier Relationen, drei Personen, zwei Hervorgänge, einen Gott - und kein Begreifen.'' Sein strenges, an Thomas und moderner Wissenschaft geschultes Denken war vielen zu abstrakt: abschätzig sprach man von Trinitätsmathematik.
Eines Sonntagnachmittags spüre ich Lust, mich in diese Ableitungen zu vertiefen. Thema sind die Hervorgänge des Sohnes aus dem Vater und des Geistes aus Vater und Sohn. Ich "rechne'' P. Lonergans Beweisgänge nach - und stutze. Sie stimmen, alles ist logisch und korrekt. Nur: Es ließe sich ebenso gut und mit demselben Recht genau andersherum auch argumentieren. Kein Wunder; schließlich ist Gottes dreieiniges inneres Leben von höchster Schönheit und allseitigster Sinnfülle. Das Ergebnis allerdings verblüffte mich: Filius a Patre Spirituque. Wenn der Sohn aber nicht nur vom Vater ausgeht, sondern auch vom Heiligen Geist, was anderes ist "dieser'' dann als seine und unsere göttliche Mutter?
Abenteuerliche Wochen folgten: der Weg von spielerisch-rationaler Hypothese zu herzlich verspürtem, existentiell gewagtem und kirchlich verantwortetem Glauben. Im Kolosserbrief (1,13) las ich von Christus als dem "Sohn der Liebe'' Gottes, das war jetzt keine blumige Rede mehr, sondern höchst präzis gesagt: Sofern die Heilige Liebe sich vom Vater auf den Sohn richtet, geht Sie diesem vorauf und darf Mutter heißen: ihr anderer Aspekt ist die Gegenliebe vom Sohn zum Vater zurück, und beide Lieben sind eins. - Als ich P. Lonergan meinen Fund mitteilte, sprach er sich dagegen aus. Die Zeit für die Göttin war in der Öffentlichkeit der Kirche noch nicht da.
Privat aber betete ich zu Ihr, auch beim Brevier: Ehre sei dem Vater und dem Sohne und der Heiligen Liebe. Das traute ich mich um so eher, als damals Weihbischof Josef Zimmermann von Augsburg eine Zeitlang im Germanikum wohnte und meine These ernstnahm. Er hatte bereits 1941 den Heiligen Geist als die schenkende Liebe von der begehrenden Liebe als ihrem Gegenpol unterschieden und gefragt:
''Jedermann weiß, daß das 'männliche' und das 'weibliche' Lieben zwei ganz verschiedene Arten von Liebe sind, daß beide zusanmen erst die ganze Liebe ausmachen. Warum hat dies keiner theologisch-spekulativ ausgewertet? Der Mensch ist Gottes Ebenbild, nicht bloß der Mann oder bloß das Weib. Was darf es uns wundern, wenn sich in Gott beide Arten der Liebe finden, ja daß gerade die Gegensätzlichkeit dieser beiden sich wunderbar ergänzenden Liebesformen personenbildend ist?'' (A 7)
In einem späteren Buch klingt die These schon kräftiger: ''Der Geist ist übergeschlechtlich: er kann die Wahrheit erkennen und offenbaren, kann das Gute erstreben und verschenken in gleicher Weise. Aber von der Kraft und Unabhängigkeit seines Körperlichen her fühlt sich der Mann mehr zum machtvollen Erobern und kraftvollen Festhalten gedrängt, während die Frau als Vertreterin des schönen und schwachen Geschlechtes, die von Natur aus dem Manne das Kind und dem Kinde das Leben schenkt, mehr für die Lieblichkeit des Reizes und die tröstende Hingabe geschaffen ist. Eros und Amor sind Maskulina, Agape und Caritas Feminina. Dürfen wir diese beiden polaren Tätigkeiten um das Gute, die im Menschenleben eine so große Rolle spielen, auf das innergöttliche Leben anwenden? Wir dürfen es, denn 'Gott schuf den Menschen als sein Bild. Als Gottes Bild schuf er ihn. Er schuf sie als Mann und als Weib.' Warum dürften wir aus diesem Satz nicht herauslesen, daß der Mensch nicht bloß als Einzelperson oder gar nur als Mann, sondern gerade in der Eigenart seiner geschlechtlichen Zweieinheit ein Abbild Gottes ist? Wir machen ja nicht den Menschen zum Maßstab Gottes, sondern suchen vom Ewigen, Unendlichen als vom Urquell und der Fülle allen Lebens her das Rätsel des Menschen zu deuten.'' (A 8)
Hier fehlt zwar das Wort 'Göttin'', der Begriff aber ist da, deutlich genug, in einem Buch mit Imprimatur vom 27. April 1949. Doch schlug die These keine Wellen, noch war in den Seelen die Göttin nicht erwacht.
[Zusatz im Januar 2006: Die Polarität Eros/Agape ist eine rein personhaft-relationale, diesen Gegensatz arbeitet Zimmermann heraus. Ihm widerspricht nicht Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika, wo er (Nr. 10) die wesenhafte Selbigkeit beider Liebesweisen betont: "Gott ist der Urquell allen Seins überhaupt; aber dieser schöpferische Ursprung aller Dinge - der Logos, die Urvernunft - ist zugleich ein Liebender mit der ganzen Leidenschaft wirklicher Liebe. Damit ist der Eros aufs Höchste geadelt, aber zugleich so gereinigt, daß er mit der Agape verschmilzt."]
Patriarch mit stumpfer Waffe
Warum erzähle ich das? Weil die Frage, wie das männliche Gottesbild sich zum weiblichen verhalte, mittlerweile kein esoterisches Thema mehr ist, sondern ein Feld öffentlicher Polemik bis in die Kirchenpolitik hinein: Soll, darf die Kirche weiterhin den Frauen die Priesterweihe verweigern? Da macht es für das Urteil des Lesers einen Unterschied, ob ein Gedankengang auf der feministischen Modewelle mitschwimmt oder ob er schon lange vor solchem Trend unmittelbar aus katholischem Denken erwachsen ist.
Es gibt neuerdings ein respektables Standardwerk des katholischen Antifeminismus, ''Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung'' von Manfred Hauke. (A 9) Auf fast 500 Seiten bietet der Verfasser eine gründliche Gesamtdarstellung vom patriarchalisch-konservativen Standpunkt aus. Dem gestehe ich seine Christlichkeit ausdrücklich zu: es ist hier kein heidnischer Machismo am Werk. Hauke sieht Mann und Frau im letzten gleichwertig, so verschieden ihre Funktionen auch sind:
''Wenn wir nun die Geschlechtersymbolik, etwas pointiert, auf die kurze Formel bringen: Mann: Symbol Gottes, Frau = Symbol der Schöpfung - ist damit nicht doch eine Minderwertigkeit der Frau ausgedrückt? Wir müssen hier beachten, daß der Mann die Transzendenz Gottes zwar repräsentiert, aber nicht in sich verwirklicht. Der Mann ist eben nicht Gott. Die Frau hingegen versinnbildet die Schöpfung nicht nur, sondern gehört selbst dazu. Sie verkörpert die symbolisierten Werte in eigener Person. Der fraulichen Symbolik eignet also eine besondere 'Dichte', während sich im männlichen Gegenstück eine größere 'Gebrochenheit' vorfindet. Diese Uneigentlichkeit ist letztlich in der Transzendenz Gottes zu begründen, die bei aller symbolischen Aussagbarkeit im geschöpflichen Bereich nur als ganz schwacher Abglanz, als 'Schattenbild' darstellbar ist.'' (A 10) Dies ist zweifellos eine berechtigte Sicht. Als Mann ist Gott auf unserer Erde Mensch geworden und 'selig weil du geglaubt hast'', dies Wort gilt Maria, der begnadetsten Frau. Ja: Elsas treuer Glaube wäre nichts Geringeres als Lohengrins Opfermut - und was fragt überhaupt die Liebe nach groß und gering! Sofern auch die irdische Heilsgeschichte als ganze ein göttliches Kunstwerk ist, hat der Künstler sie tatsächlich gemäß dieser Lohengrinstruktur gestaltet, darin liegt keine Diskriminierung der Frau, wohl aber eine bestimmte, prinzipiell nicht notwendige, de facto jedoch auch nicht rücknehmbare Vereinseitigung der Bedeutungen. Auch die Historie ist eine Story! (A 11)
Deshalb soll auch der Glaubende den Schritt vom Kosmoszentrum Erde zum Planeten Terra, der um eine von Milliarden Sonnen kreist, endlich nachvollziehen und folglich damit rechnen, es könnte sich am Ende der Zeiten herausstellen, daß auf irgendeinem anderen Planeten (oder etwa in einem anderen Universum? Hat ein Verdi nicht Dutzende beziehungsloser Welten geschaffen?) das Turandot-Muster gilt: Die Mächtige begibt sich auf gleiche Ebene mit dem Sterblichen und läßt sich liebend von ihm besiegen. Daß Hauke (im Anschluß an Bouyer) die Idee einer weiblichen Inkarnation 'monströs'' nennt (A 12), ist eine Ohrfeige für jede Frau und läßt scharf seinen bösesten Denkfehler aufblitzen: die tatsächliche Struktur unserer Heilsgeschichte fälscht er zu der notwendigen um, die in Gottes Wesen selbst gründe. Das ìst gerade so, als sähe jemand im Troubadour den ganzen Verdi und hielte die Traviata wegen ihrer Heldin für unmöglich.
Gott ist auch Mutter
Es ist Sonntag, der 10. September 1978. Auf dem Petersplatz warten Tausende. Pilger, Römer, Touristen, alle schauen wir hinauf zum obersten Stock des Papstpalastes. Kurz nach 12 Uhr tritt Johannes Paul I. ans Fenster. Er spricht von den Verhandlungen in Camp David, zeigt sich bewegt darüber, daß die drei Staatsmänner ihre Hoffnung auf Gott ausgedrückt haben. So erinnerte Premier Begin daran, wie das jüdische Yolk sich in schwerster Lage schon einmal bei Gott beklagte: du hast uns verlassen, hast uns vergessen. Nein, hat Gott durch den Propheten Jesaja geantwortet. Kann vielleicht eine Mama das eigene Kind vergessen? Aber sogar wenn das geschähe, wird doch Gott nie sein Volk vergessen. Wörtlich fährt der Papst fort: 'Auch wir hier haben dieselben Gefühle. Für Gott sind wir Gegenstand einer unüberwindlichen Liebe. Wir wissen: Gott hat die Augen immer offen über uns, auch wenn es scheinbar Nacht ist. GOTT ist Papa, mehr noch, IST MUTTER, will uns nichts Schlechtes tun, will uns nur Gutes tun, uns allen. Wenn Kinder vielleicht krank sind, haben sie noch mehr Anspruch, von der Mutter geliebt zu werden. Und auch wir, wenn wir vielleicht an Schlechtigkeit erkrankt und auf Abwege geraten sind, haben noch mehr Anspruch, vom Herrn geliebt zu sein.''. Drei Wochen darauf ist Albino Luciani, dieser liebenswürdige Papst, tot, manche munkeln später: ermordet.
Bei unserer Heilsgeschichte gilt zwar de facto die Symbolgleichung Mann:Frau = Gott:Schöpfung, damit ist aber erst die zweitinnerste Schicht der Symbolik erreicht, eben das Verhältnis Gottes 'nach außen''. Im innersten Sinnpunkt repräsentiert die Beziehung Mann/Frau die ewigen, absolut notwendigen innergöttlichen Relationen selbst, und zwar dreifach: Vater/Tochter, Liebender/Liebende, Mutter/Sohn.
a) Das Verhältnis Vater/Tochter ist patriarchalischem Denken geläufig. Tochter (Zion, Kirche, Seele) wird die Schöpfung bei ihrer übernatürlichen Erhebung zur Teilhabe an der Kindschaft des Einziggeborenen. In ihm sind wir Söhne und Töchter des Vaters. Daß dies nur möglich ist, weil wir gnadenhaft in eine innertrinitarische Beziehung aufgenomnen sind, das leugnet kein traditionell denkender Katholik. Weil es die Gnade braucht, komnt hier dem Vater der Vorrang vor der Tochter zu, ist in dieser Relation die Frau der untergeordnete Pol. - Anders bei den anderen zweien.
b) Wie Josef Zimmermann überzeugend dargetan hat, steht männlich begehrende Liebe zur weiblich schenkenden Liebe in einem innertrinitarischen Wechselverhältnis. (Sollten Feministinnen protestieren, weil auch Frauen begehren dürfen und auch Männer sich schenken sollen, dann haben sie natürlich recht: Männer müssen ihre weibliche Seite leben, Frauen ihre männliche. Diese entscheidene Wahrheit ist aber nur deshalb sagbar, weil "männlich'' und "weiblich'' gültige Kategorien sind. Wer auf sie ganz verzichten wollte, dächte bald auch nicht mehr menschlich. Nicht 'das'' andere Geschlecht ist die Frau, wie machos wähnen, wohl aber sind beide Geschlechter zueinander anders.) Bei dieser Relation sind Frau und Mann absolut gleichrangig; könnte die Christenheit diese Wahrheit mit Leben erfüllen, dann hätte sie - auf höherer, vergeistigter Stufe - die wohltuende Friedenskraft des altorientalischen Hohen Paares wieder erreicht,
c) Beim Verhältnis Mutter/Sohn endlich kommt der Frau der Vorrang zu; denn geschaffene Männer können nur gnadenhaft an Christi Sohnschaft teilhaben. Deshalb ist diese Sicht in der patriarchalischen Kirche unerhört. Hauke: 'Dann gilt der Sohn als vom Heiligen Geist mithervorgebracht, was theologischer Unsinn ist.'' (A 13) Damit sind wir auf die tiefste Blindheit im Auge des Patriarchen gestoßen, ohne ihre Heilung hätte die weibliche Wahrheit in der Kirche keine Chance. Denn zur Würde der Frau gehört ihre mögliche Mutterschaft: sie der 'dritten'' Person abzusprechen heißt auch ihre Weiblichkeit leugnen; im Vater aber kann eine Frau sich nicht wiederfinden, also bliebe ohne pneumatische Mutterschaft das Gottesbild bloß männlich, Haukes Buch ist der deutlichste Beweis.
Verständlich, daß die Mutterschaft des Heiligen Geistes ihm theologischer Unsinn ist. Doch ist dies eine magere Begründung in einer Zeit, da die Frage so virulent geworden ist. Ums Jahr 1100, als Anselm 'De processione Spiritus Sancti'' schrieb, war sie das noch nicht. Dort heißt es: ''Hieraus erkennt man also klar, daß entweder der Sohn vom Heiligen Geist ist oder der Heilige Geist vom Sohn: denn beides kann nicht wahr oder falsch sein.'' (A 14)
Hier hat Anselm um ein Geringes mehr behauptet als bewiesen. Bewiesen hat er: Wir müssen, um die göttliche Einheit und zugleich den Gegensatz von Sohn und Geist zu wahren, zwischen beiden ein Ursprungsverhältnis annehmen. Deshalb kann nicht beides falsch sein, mindestens einen Hervorgang muß es geben. Daß aber beides nicht wahr sein könne, das versucht Anselm nicht einmal zu beweisen, sondern setzt es stillschweigend voraus.
Eben hier steckt sein folgenreicher Fehler, alle Späteren haben ihn übernommen. Nun wäre ein wechselseitiges Auseinander-Hervorgehen dann unmöglich, wenn wir - wie es uns Zeitverhafteten naheliegt - bei den göttlichen Hervorgängen ein Vorher und Nachher anzunehmen hätten. Denn Pol A könnte nicht aus Pol B hervorgehen, der noch gar nicht bestünde, weil er erst aus A hervorgehen müßte. Diese Vorstellung leitet jedoch irre: ''Es kann weder von der Natur noch von den Beziehungen her eine Person früher als die andere sein, auch nicht der Natur und dem Verständnis nach.'' (A 15) . Zudem sind Zeugung und Hauchung zwei grundverschiedene Weisen des Hervorgangs, keinesfalls Fälle einer irgendwie einheitlichen Art "Hervorgang als solcher'', der nicht zugleich in gegensätzlichen Richtungen erfolgen könnte.
Solche Mißverständnisse ausgeräumt, hindert nichts mehr, folgende Wahrheit anzuerkennen: Die göttliche Liebeseinheit geht als Liebe des Vaters zum Sohn diesem mütterlich vorauf und als Gegenliebe des Sohnes zum Vater zurück, beide Lieben sind eine: die göttliche Person der Heiligen 'Ruach'' (zum selben Stamm gehört das hebräische Wort für Mutterschoß). Nicht nur Jesus hatte, sprach er vom Heiligen Geist, eine weibliche Idee; auch wir dürfen damit Ernst machen, daß Gottes Kind - in seiner Ewigkeit und in uns - sich einer unendlich machtvoll liebenden Mutter verdankt. (A 16)
Wie konnte es aber geschehen, daß die gesamte Tradition den Hervorgang des WORTes aus der LIEBE übersehen hat? Ein Grund dafür war wohl auch das statische Weltbild. Von Evolution, schöpferischer Dynamik wußte man nichts. Bezeichnend ist ein Text von Suarez (+ 1619): ''Liebe ist nur so zu verstehen, daß sie der Einsicht folgt, wie überhaupt das Streben dem Sein folgt und nicht die Natur eines Dinges begründet, sondern zum schon begründeten hinzukommt. So auch bei Gott.'' (A 17) Wäre damals schon von Werdedrang und erkenntnisleitendem Interesse gesprochen worden, so hätte man leichter auch im Absoluten die Liebe als Prinzip des Wortes anerkannt, diese Grundwahrheit der feministischen Theologie, besser: des selbstbewußten weiblichen Glaubens. Theologien kommen und gehen, der Glaube wird sich klar und bleibt.
Maria Tempel und Bild der Göttin
Zu welch bitterem Extrem ein ehemals katholischer Sinn fortgerissen werden kann, wenn ihm die - kirchlich verdrängte - Wahrheit der Göttin einseitig aufgeht, zeigen Mary Daly's traurige Sätze über ihre Patronin: "Die Vergewaltigung der Göttin in all ihren Aspekten ist als Motiv fast durchgängig im patriarchalen Mythos gegenwärtig ... In der bezaubernden Story von der 'Verkündigung' erscheint dem verängstigten jungen Mädchen der Engel Gabriel und verkündet, sie sei auserwählt, die Mutter Gottes zu werden. Ihre Antwort auf diesen plötzlichen Antrag von Gottvater ist völlige Widerstandslosigkeit: 'Mir geschehe wie Du gesagt hast.' Physische Vergewaltigung ist nicht notwendig, wenn Seele/Wille/Geist bereits erobert sind ... (Thema Himmelfahrt Pflichtgemäß glanzlos und abgeleitet, aller Göttlichkeit entkleidet, verdient sie die Belohnung der ewigen Paralyse im patriarchalen Paradies. Wut kommt hoch, wenn wir uns vor Augen führen, daß diese künstliche und angepaßte Holographie ein letzter Schatten der großen Mondgöttin Marian ist ... Das ist die zerschmetterte Weise Frau, die man vor unseren Augen paradieren läßt als das Symbol unserer gezähmten Wildheit.'' (A 18)
Nein! Das Magnificat ist kein zahmes Lied. "Der Heilige Geist wird über dich kommen,'' das ist nicht nach dem heidnischen Schema von Zeus und Europa zu verstehen. Noch das Philippus-Evangelium (Spruch 17) verspottet diese Idee: "Wann ist je eine Frau von einer Frau schwanger geworden?'' Nicht ein männlicher Gott hat Maria überfallen, sondern die Kraft der unendlichen Muttergöttin hat sie erfüllt und zur Mutter Gottes gemacht. Nicht selbst Mensch geworden ist in unserer Heilsgeschichte die Göttin, wohl aber hat Sie Maria zu ihrer lebenden Ikone auserwählt, damals in Nazaret und auch später oft, z.B. 1531 in Guadalupe, als ''die indianische Himmelskönigin in der Nähe der Stadt Mexiko einem armen Indio namens Juan Diego erschien ... Yom Tepeyac-Hügel aus (wo das alte Heiligtum des mütterlichen Aspekts Gottes unter dem Namen Tonantzin stand) künden Musik und Gesang (was den Nahuatl zufolge auf eine göttliche Offenbarung hinweist) den Beginn einer neuen Zeit an. Juan Diego erklimmt den Hügel ... und erblickt eine wundervolle Frau, deren Kleid wie die Sonne strahlt (bei den Nahuatl ein Hinweis auf Gott) ... Zum Gott der Christen tritt der weibliche Aspekt hinzu, während dem Gott der Indios der personale Aspekt hinzugefügt wird in einer tiefen Bereicherung beider ... So wie der Osten und der Westen ihre theologischen Traditionen haben, so wird auch die neue Welt ihre eigene haben. Die Armen Gottes werden uns zu unverhofften faszinierenden Einsichten in das Mysterium Gottes zu führen vermögen.'' (A 19)
Priesterin der Göttin?
Die Titelfrage muß hier offen bleiben. Derzeit scheint mir: Weder haben die Frauen ein klares Recht auf die Weihe (weil in der Geschichte Gott als Mann erschienen ist, kann ein Mann ihn besser darstellen) noch muß das Priestertum den Frauen notwendig verschlossen bleiben (die innergöttliche Liebe als Seele der Kirche würde passender von einer Frau repräsentiert). Daß etwa eine Seelsorgerin nach langem Versöhnungsgespräch einen Reuigen wegen der sakramentalen Lossprechung zu einem unbeteiligten fremden Mann weiterschicken muß: das scheint ungerecht. Was könnte weiblicher sein als die Wiederaufnahme eines Verlorenen in den Schoß der Kirche?
Nicht zufälligerweise treffen patriarchalisches und feministisches Extrem sich in der Ablehung des weiblichen Amtspriestertums. Mary Daly meint: "Die Priesterschaft von Frauen braucht ihre Rechtfertigung nicht aus den christlichen Kirchen zu beziehen. Sie muß auch nicht als Titel oder Amt gesehen werden, das bestimmten offiziell ausgewählten Frauen und keinen anderen übertragen wird ... Ich hoffe, daß diese Schwestern ihre Ziele und ihren Selbstwert höher ansetzen, unendlich viel höher, und daß sie eines Tages über ihre guten alten Gebetbücher hinauswachsen und weniger gewöhnliche Träume träumen.'' (A 20)
''Der Geist kann nie Buchstabe werden,'' sagte oft unser Spiritual Wilhelm Klein. Viele kluge Frauen verspüren überhaupt keinen Wunsch, morgen zum Skelett des Kirchenleibes zu gehören, lieber bleiben sie dessen Weichteile. - Anderseits steht himmelhoch über der irdischen Heilsgeschichte das innere Leben Gottes, wo weiblicher und männlicher Aspekt gleichberechtigt aufeinander bezogen sind. Diese Ebenbürtigkeit der Geschlechter gehört auch möglichst offiziell ausgedrückt. Der kirchliche Buchstabe sollte nie geistlos sein; vollmächtige Priesterinnen könnten die Atmosphäre bestimmt zum Besseren wenden. Freilich müßten die dann auch im Namen der Göttin auftreten dürfen, nicht nur im Namen des, und des, und des ... Utopische Träume?
Möge die Ewige Güte dem Papst und den Bischöfen zeigen, was Sie will, und auch den Mut zum Gehorsam schenken.
Januar 1985 * * * Jürgen Kuhlmann, Nürnberg
Anmerkungen:
1) Rosemary Radford Ruether, Frauen für eine neue Gesellschaft (New Woman - New Earth), München 1979, 25 f.
2) Urs Winter, Frau und Göttin, Freiburg/Göttingen 1983, 4. 68 f.
3) Mary Daly, Der qualitative Sprung über die patriarchale Religion, im Heft 'Frauenspiritualität'', Frauenoffensive Journal Nr.9 (Jan. 78), 2
4) Mary Daly, Gyn/ökologie, München 1981, 61
5) Radford, Frauen (s. A.1), 26
6) Winter, Frau und Göttin (s. A. 2), 198. 367 f.
7) Josef Zimmermann, Die psychologische Trinitätserklärung, als Manuskript gedruckt Mering 1941, 22
8) Josef Zimmermann, Trinität Schöpfung Übernatur, Pustet Regensburg 1949, 47
9) Erschienen in Paderborn 1982. Vgl. die ausführliche Rezension von Ida Raming in der Orientierung 47/1983, Nr. 15/16, 176 ff.
10) Ebendort 186
11) Noch ein Geschichtlein: Walter Bouman, Theologiedozent aus Columbus, Ohio, macht im Sommer 1983 als 'Luther-Pilger'' Station in Nürnberg. Wir unterhalten uns über den Einfluß der Sprache auf das Denken des Christen. So unterscheidet der Deutsche 'derselbe'' von 'der gleiche'' und kann so die persönliche Identität eines Menschen von der Wiege bis zur Bahre leichter ausdrücken; auf Englisch tut man sich da schwerer, bin ich 'the same'' oder nicht? Gibt es, frage ich Walter, auch Fälle, da das Englische genauer unterscheidet? Sure, sagt er, euer Wort 'Geschichtstheologie'' heißt 'theology of history'', es gibt aber bei uns neuerdings auch eine 'theology of story''; jeder einzelne lebt ja täglich seine besondere Geschichte, die auch mit Gott zu tun hat. Das könnt ihr nicht so gut sagen. (Die extremsten Feministinnen in den USA sagen übrigens jetzt: herstory!)
12) S. 261
13) S. 286
14) Ausgabe Schmitt, Rom 1940, II, 183, 27 ff.
15) Thomas von Aquin, S. Th. I q42 a3 ad3
16) Vgl. meinen Beitrag "Der Heilige Geist als Mutter'' in: Begründetes Vertrauen, hgg. v. M. Plate, Freiburg 1984, 36-40
17) In I. partem, Tractatus III (Lyon 1607), liber 11, cap. 5, Nr. 17
18) Gyn/ökologie (s. A. 4), 107 f. 110
19) Virgil Elizondo, Maria und die Armen, CONCILIUM 19/1983, 642. 645
20) Mary Daly, Der qualitative Sprung (s. A. 3), 12 f.
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