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KYBELE / ATTISKULT:

in Formen & Namen der Göttin: 14.01.2010 00:23
von Atlan • Nexar | 15.430 Beiträge

Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Kybele-_und_Attiskult

Kybele (griech. Κυβέλη, die Große Göttermutter (Megále Meter) vom Berg Ida; lat. Mater Deum Magna Ideae, kurz Magna Mater) ist eine Göttin, die zusammen mit ihrem Geliebten Attis ursprünglich in Phrygien (Kleinasien) und später in Griechenland; Thrakien und Rom verehrt wurde. Der Kybele- und Attiskult war bis in die Spätantike – ähnlich wie der Mithraskult – ein im ganzen römischen Reich verbreiteter Mysterienkult.



Nach dem von Pausanias und Arnobius überlieferten Mythos schlief Zeus einmal auf dem Berg Agdos in Phrygien ein und ließ dabei seinen Samen zu Boden fallen. An dieser Stelle wuchs sofort der zwitterhafte Agdistis aus dem Felsen empor. Er hatte ein furchterregendes Wesen und wurde deshalb von den übrigen Göttern kastriert. Der so von seiner Männlichkeit befreite Agdistis wurde zur Großen Mutter Kybele, aus den abgetrennten Genitalien aber entstand Attis. Da Kybele und Attis ursprünglich eine Person waren, zogen sie sich gegenseitig an.

Eine Zeit lang streifen beide glücklich durch die phrygischen Berge, doch dann beschließt Attis, die Tochter des Königs von Pessinus zu heiraten. Die Hochzeit ist schon in vollem Gange, da erscheint die vor Eifersucht rasende Kybele am Hof und schlägt die Hochzeitsgesellschaft mit Wahnsinn. Auch Attis verliert den Verstand. Er rennt hinaus in den Wald und entmannt sich unter einer Pinie, wodurch er verblutet. Kybele bittet Zeus, den Jüngling wieder zum Leben zu erwecken. Doch der gewährt nur, dass der Leichnam des Attis nie verwesen sollte. Kybele bestattet Attis in einer Berghöhle in oder bei Pessinus, setzt eine aus Eunuchen bestehende Priesterschaft ein und stiftet einen Kult der Beweinung mit einem jährlichen großen Fest.


Es wird versucht, die Verehrung der Magna Mater (Große Mutter) in Kleinasien bis ins 7. vorchristliche Jahrtausend zu verfolgen. Einzelheiten, vor allem die Existenz matrilokaler Gesellschaftsformen, sind umstritten. Der Ausgräber der jungsteinzeitlichen Großsiedlung Çatalhöyük in Anatolien, James Mellaart, deutete Wandmalereien sowie eine große Anzahl von weiblichen Statuetten als Anzeichen einer Verehrung einer Großen Mutter Kybele[2], eine Deutung, die nicht unbestritten blieb.[3]

Der Name der Großen Göttin wird im Anatolischen mit Kybele oder Kubaba überliefert. In Phrygien hieß sie ursprünglich Matar Kubile (Mutter Kybele). Kybele galt als Herrin der Tiere, wurde als Berg- und Naturgöttin, aber auch als Erdenmutter verehrt. Als Mutter vom Berg Ida (Magna Mater Idaea) wurde sie im Heiligtum von Pessinus, etwa 130 km südwestlich vom heutigen Ankara in Gestalt eines Kometen verehrt, in welcher Form sie in die römische Geschichte eintrat (vgl. unten).



Das älteste Zeugnis der Verehrung von Kubaba stammt aus dem Karum Kaneš im 19. Jh. v. Chr., wo sie Kubabat genannt wird. In bronze- und eisenzeitlichen Inschriften der Stadt Karkemisch am oberen Euphrat wird Kubaba als Herrin der Stadt angeführt.


Der Mythos dreht sich offenbar um den Geschlechterdualismus. Der Mythos erklärt die Entstehung der Welt durch ein Zusammenwirken des männlichen und des weiblichen Elements des Universums: Der himmlische Attis muss die Mutter Erde Kybele mit seinem Blut befruchten, damit die Welt entstehen kann. Der Religionshistoriker Carsten Colpe bestreitet die üblicherweise angenommene Deutung von Adonis, Attis und Osiris als Fruchtbarkeitsgötter und sieht einen Zusammenhang mit den beiden Geschlechtern.[5] So kann der Mysteriengott zwar nicht als „Vegetationsgott“, aber doch als ein „Fruchtbarkeitsgott“ im fundamentalen Sinn verstanden werden.



In der Zeit des Zweiten Punischen Krieges (218–201 v. Chr.), als Hannibal sich auf dem Vormarsch in Norditalien befand, fanden die Römer in den Sibyllinischen Büchern den Schicksalsspruch: Dir fehlt die Mutter; drum such – ich befehl es dir, Römer – die Mutter[6] … Erst nach einer Auskunft durch das delphische Orakel verstanden die Römer, dass die Göttermutter auf den idäischen Höhen Phrygiens gemeint war. Im Jahr 205 v. Chr. wurde sie in Gestalt eines faustgroßen Meteoriten (s.a. Steinkult) feierlich von Pessinus nach Rom geholt und in eine schwarzgesichtige Silberstatue eingearbeitet. Sie wurde im Victoria-Tempel auf dem Palatin aufgestellt. 203 v. Chr. zogen die Karthager aus Italien ab, und 202 v. Chr. wurden sie von den Römern besiegt. Dieser Sieg wurde dem Schutz der Großen Mutter zugerechnet, und im Jahr 191 v. Chr. erhielt sie einen eigenen Tempel auf dem Palatin errichtet.[7] Die Göttin wurde zu einem wichtigen Bestandteil des Staatskultes. Es wurden ihr jährliche Spiele, die ludi Megalenses (4.–11. April) geweiht,[8] und der Prätor brachte ihr ein jährliches Opfer von Staats wegen dar.[9]



Einer der wichtigsten Bestandteile des Kultes waren die sogenannten Ludi Megalenses. In diesem Zeitraum wurden Opferungen durchgeführt, Wagenrennen im Circus Maximus bestritten und verschiedene Theaterspiele aufgeführt. Am ersten Tag der Spiele fand eine Prozession statt, während der eine Statue der Gottheit auf einem Stuhl durch die Stadt geführt wurde. Das Ziel war der Circus Maximus, wo sie letztendlich für die Dauer des Festes aufgestellt wurde, um die Wagenrennen zu beobachten. Während des Marsches war es den Priestern des Kultes, den Galli, erlaubt, Geld zu sammeln.[10] An den beiden Hauptfesttagen wurde von einem der beiden Magistrate ein weibliches Kalb geopfert. Neben dem Opfer wurde der Statue der Magna Mater von den adligen Familien Moretum gebracht. Dabei handelt es sich um eine aus Ziegenkäse, Knoblauch und verschiedenen Kräutern zubereitete Paste, welche später bei einem Bankett verspeist wurde. Das Moretum hatte wohl eine tiefere Bedeutung, da damit die Rolle der Gottheit als Erschafferin der Kräuter und damit der Verpflegung der Menschheit geehrt werden sollte. Diese Festessen wurden mehrmals während der Feiertage durchgeführt, zu welchen sich die Teilnehmer immer gegenseitig einluden.[11] Die Spiele, die im Circus Maximus stattfanden, wurden finanziell meist von der Stadt Rom selbst getragen, aber vereinzelt übernahmen auch reichere Bürger die Kosten. Erst später wurden die Feierlichkeiten durch Theateraufführungen ergänzt. Diverse Stücke hatten dabei ihre Uraufführung, wie z. B. Das Mädchen von Andros von Terenz oder Pseudolus von Plautus.[12]


Der Kult scheint in den nächsten 500 Jahren einen kontinuierlichen Aufschwung genommen zu haben. Bis zu Beginn der römischen Kaiserzeit stand dabei aber die Verehrung der mütterlichen Schutzfunktion der Göttin im Vordergrund, so dass die orgiastisch-ekstatischen Züge ihres phrygischen Kultes, wie die – nach römischem Recht verbotene – rituelle Selbstkastration der Priester, in den Hintergrund traten. Dies änderte sich jedoch in der Kaiserzeit. Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. kehrte die phrygische Ekstatik zurück, wie auch die Beziehung Kybeles zu Attis wieder stärker in Erscheinung trat. Die Göttin avancierte zu einer der wichtigsten Gottheiten des Pantheons. Unter Kaiser Claudius (41–54 n. Chr.) wurde der Ablauf der Feierlichkeiten geändert und die von Anfang an gefeierten ludi Megalenses wurden durch das später eingeführte Märzfest in der Zeit vom 22. bis zum 27. März, zum Frühlingsanfang, ersetzt.[13] Der Christ Arnobius gibt schon einen Überblick über die Festbräuche, wenn er die Römer höhnisch fragt: Was bedeutet z.B. die Pinie, die ihr immer an vorgesehenen Tagen ins Heiligtum der Göttermutter tragt? Ist sie nicht ein Symbol des Baumes, unter dem der wahnsinnige und unglückliche Jüngling Hand an sich legte, und den die Mutter der Götter heiligte als Trost in ihrem Kummer? …Was bedeuten die Galli mit ihrem aufgelösten Haar, die sich mit den Händen an die Brust schlagen? … Warum, kurzum, wird die Pinie, die noch kurz zuvor im Wald rauschte …, gleich darauf als eine hochheilige Gottheit im Wohnsitz der Göttermutter aufgestellt?[14]

Hugo Hepding hat das Märzfest aus zahlreichen Quellen rekonstruiert. Es begann damit, dass – wie Arnobius erwähnt – am 22. März, also pünktlich zum Frühlingsanfang, eine frisch gefällte Pinie durch die Stadt in den Tempel der Großen Mutter auf dem Palatin getragen wurde. Die Pinie, unter der Attis gestorben war, galt als eine Verkörperung des Attis, das Fällen der Pinie galt daher als ein Bild des Todes des Attis und der Umzug mit der Pinie als eine – zweifellos von Klagen begleitete – Leichenfeier. Aber erst am 24. März erreichten die Klagen ihren Höhepunkt (zum Phänomen des Beweinungskultes allgemein siehe Isis- und Osiriskult). Jetzt hatten auch die von Arnobius erwähnten Galli, die Eunuchenpriester der Großen Mutter, ihren Auftritt. Hugo Hepding schrieb:

Die Gallen versetzten sich durch das Getöse der Tympana, der Zimbeln und Klappern, durch den Ton der phrygischen Hörner und die enthusiastischen Weisen der Flöten, durch ihr Klagegeheul und den mit besinnungslosem Umherschwingen ihres aufgelösten Haares verbundenen Tanz in eine heilige Raserei. Mit scharfen Astragalenpeitschen zerfleischen sie sich selbst den Körper, und mit Messern ritzen sie sich selbst Schulter und Arme, um ihr eigenes Blut als Opfer darzubringen. Hugo Hepding vermutet auch, dass es bei dieser Gelegenheit zur Aufnahme neuer Gallen ins Kultpersonal der Großen Mutter kam, indem sich gesunde junge Männer nach dem Vorbild des Attis entmannten. In orgiastischem Taumel, hingerissen vom Klang der Flöten, verstümmelten sie sich freiwillig, ohne Schmerzen zu empfinden.[15]

Von einer Auferstehung des Attis ist, wie gesagt, nicht die Rede. Aber auf den Tag des Blutes (dies sanguinis) am 24. März folgen doch die Freudentage (hilaria) vom 25. bis wahrscheinlich zum 27. März. Das große Märzfest endete mit dem Bad (lavatio) der Großen Mutter am 27. März. Am Morgen dieses Tages wurde das silberne Kultbild der Großen Mutter auf einem mit Kühen bespannten Wagen von dem palatinischen Heiligtum zu dem kleinen Bach Almo (Fluss) gefahren. Dort wusch ein alter Priester im Purpurgewand mit des Almos / Wasser die Herrin sowie all ihr sakrales Gerät. / Laut heult die Jüngerschar auf, es ertönt eine rasende Flöte ….[16] Auf dem Heimweg sitzt (die Göttin) auf dem Wagen und zieht durch die Porta Capena, /und die Rinder im Joch werden mit Blumen bestreut. Der Sinn dieser weitverbreiteten lavatio – auch in Athen wurde Athene im Meer und in Germanien die Mutter Erde Nerthus in einem See gebadet – ist rätselhaft.


Alle diese – meist mit aufsehenerregenden Umzügen durch die Stadt verbundenen – Riten waren öffentlich. Es gab aber darüber hinaus zweifellos noch Mysterien und geheime Initiationsriten. Auf einen Geheimkult deutet ein vom Christen Clemens von Alexandrien überliefertes Glaubensbekenntnis: Aus dem Tympanum aß ich, / aus der Zimbel trank ich, / den Kernos trug ich umher, /ich stieg ins Brautgemach (pastas) hinab.[17] Firmicius Maternus, ebenfalls ein Christ, ergänzt diese Formel noch mit dem Satz: Ich wurde ein Myste des Attis.[18]

Das Bekenntnis unterstreicht die Bedeutung, die bestimmte phrygische Musikinstrumente im Kybele- und Attiskult hatten. Bildwerke zeigen, dass die Pinie des Attis wie ein Weihnachtsbaum mit den phrygischen Musikinstrumenten geschmückt wurde. Ob wirklich aus diesen Instrumenten gegessen und getrunken wurde, ist fraglich. Vielleicht ist nur das Hören bestimmter Weisen, vielleicht sind bestimmte heilige Speisen gemeint. Der umhergetragene Kernos ist ein Behälter, der wahrscheinlich die Hoden eines geopferten Stieres enthielt – ein Beweis, dass das Prinzip des Männlichen dem Kybele- und Attiskult nicht weniger heilig war als anderen Mysterienkulten.

Unklar ist auch, was mit dem Abstieg ins Brautgemach (pastas) gemeint ist. Er könnte eine Anspielung auf eine Heilige Hochzeit sein, wie sie nachweislich zum Isis- und Osiriskult und zum Mithraskult gehörte (s. Initiation, Mysterieninitiation). Da aber pastas auch Grab bedeutet, so könnte darin auch eine Anspielung auf die Taufgrube liegen, in der die Bluttaufe durch das Taurobolium stattfand.

Kaiser Julian kennt im Unterschied zu den allgemein bekannten Riten des Kultes der Großen Mutter auch Feiern gemäß dem mystischen und geheimen Gesetz.[19]



In den Darstellungen des Kybele- und Attiskultes nimmt das Taurobolium breiten Raum ein, die Bedeutung dieses Ritus ist aber unklar. Der christliche Schriftsteller Prudentius (4. Jahrhundert) gibt eine polemische Beschreibung des Ritus: Ein Stier wird auf einer Art Gitter über einer Grube geschlachtet. Der Täufling befindet sich in der Grube unter dem Gitter und wird mit dem Blut des sterbenden Stieres berieselt.[20] Sie ist entweder frei erfunden oder bewusst verfälscht, in Wirklichkeit wurde das Taurobolium ähnlich wie ein römisches Tieropfer praktiziert. Zum Taurobolium gehörte offenbar stets die Stiftung eines Altares mit Angabe des Namens des Tauroboliatus und des Zeitpunktes des Tauroboliums. Es waren stets Priester und angesehene Personen des öffentlichen Lebens, die diese Religionshandlung pflegten. Im Rom des späten 4. Jahrhunderts vereinigten sie meistens Priesterämter der verschiedensten Mysterienkulte in einer Hand, da die heidnischen Kulte zunehmend behindert wurden. Hugo Hepding bringt unter anderem das Beispiel eines Tauroboliatus, der ein Priester nicht nur der Großen Mutter und des Attis, sondern zugleich auch Priester des unbesiegten Sonnengottes Mithras, des Liber Pater, der Hekate und der Isis ist.[21] Der früheste bekannte Taurobolium-Altar stammt aus dem Jahr 160 n. Chr. aus Lyon. Er erinnert an das Taurobolium im Vatikanischen Phrygianum in Lyon, sehr wahrscheinlich zur Einführung eines Archigallus.[22] Ein römischer Altar aus dem Jahr 376 n. Chr. preist den Tauroboliatus als in aeternum renatus, also etwa als wiedergeboren in das ewige Leben. Diese Inschrift ist der einzige sichere Hinweis auf einen Wiedergeburtsritus im Kybele- und Attiskult.

Interessant ist der Zusammenhang des frühesten bekannten Taurobolium-Altares mit dem Vatikanischen Phrygianum in Lyon. In Rom entstand im Laufe der Zeit neben den Heiligtum der Kybele auf dem Palatin das sog. Phrygianum auf dem Vatikanischen Hügel. Es scheint sich direkt unter dem jetzigen Petersdom befunden zu haben, denn bei dem Umbau des Domes im Jahr 1608 oder 1609 wurden eine Reihe schön gearbeiteter und reich beschrifteter Taurobolium-Altäre ausgegraben.[23] Sie sind jetzt im Vatikanischen Museum zu besichtigen. Es hat den Anschein, dass nach dem Vorbild Roms zu jeder Gemeinde des Kybele- und Attiskultes auch außerhalb Roms ein eigener „mons Vaticanus“ gehörte, denn ein solcher ist außer in Lyon auch in Mainz nachweisbar.



Die Zentren des Kultes im römischen Germanien waren Mainz, Trier und Köln. Getragen wurde der Kult nicht, wie im Fall des Mithraskultes, von römischen Legionären, sondern von der einheimischen Zivilbevölkerung, also von Kelten und Germanen.[24] Vermutlich war hier der angestammte Matronenkult der Ausbreitung des Kultes der Großen Mutter förderlich.

Aus Mainz-Kastel stammt die viel besprochene Inschrift aus dem Jahr 236 n. Chr., wonach die Hastiferi (Speerträger, eine Kultgenossenschaft) der Stadt der Mattiaker den aus Altersschwäche zusammengebrochenen mons Vaticanus zu Ehren der Göttin Bellona (wahrscheinlich identisch mit Kybele) wiederherstellten.[25] Das wirft die Frage auf, wie ein Berg oder Hügel aus Altersschwäche zusammenbrechen kann. Die einzig mögliche Antwort scheint zu sein, dass es sich bei dem mons Vaticanus um ein Grottenheiligtum gehandelt haben muss. Das kann zusammenbrechen, und das kann auch wiederhergestellt werden. Die genaue Lage dieses Heiligtums ist unbekannt. Dagegen wurde ein anderes Heiligtum in der Innenstadt von Mainz entdeckt, das der Isis Panthea Regina und der Mater Magna gemeinsam geweiht war.
Siehe auch: Heiligtum der Isis und Mater Magna (Mainz)



Der Kult überstand alle politischen Wirren der spätrömischen Zeit und konnte auch noch eine Zeit lang dem Christentum trotzen. Selbst das von Kaiser Theodosius I. 391 erlassene Verbot aller sogenannter heidnischer Kulte brachte noch nicht das Ende, vielmehr wurde die Verehrung der Magna Mater vom weströmischen Kaiser Eugenius (392–394) ausdrücklich wieder eingeführt. Ihre Verehrung verlor sich dann im fünften Jahrhundert.[7] Das hartnäckige Festhalten von Teilen der Bevölkerung des römischen Reiches an ihrer Göttin gilt als einer der Gründe, die die Mehrheitsentscheidung von 431 auf dem Konzil von Ephesos stützten, mit der Maria zur Mutter Gottes (Gottesgebärerin) erklärt wurde. Manche Autoren sehen darin eine Fortsetzung der Verehrung der Großen Gottesmutter vom Berg Ida.[26]



In römischen Inschriften wird Attis häufig als Attis Menotyrannus (einmal Minoturanos) bezeichnet. Die Bedeutung dieses Beinamens ist ungeklärt. Möglicherweise klingt hier der Name der etruskischen Göttin Turan, der Großen Mutter des altmediterranen Bereichs, an.[27] Ihr typischer Begleiter hieß Atunis (Adonis).

In seinem Drama „Die Bakchen“ betrachtet Euripides Dionysos als Begleiter der Kybele und somit Dionysos und Attis als vollkommen identisch (s. Dionysoskult). Das ist nur erklärlich, wenn man beide als so etwas wie den Ursamen der Welt versteht, der die Welt hervorgebracht hat und von innen her beseelt.

Der Kybele- und Attiskult steht dem Mithraskult schon durch die gemeinsame Tracht von Attis und Mithras nahe. Beide tragen die gleiche Phrygische Mütze und die gleichen exotischen Beinkleider. In Ostia lag ein Metroon der Großen Mutter Wand an Wand mit einem Mithräum. Da es zur Eigenart des Mithraskultes gehört, Götterbilder anderer Kulte gewissermaßen zu zitieren, ist es nicht verwunderlich, dass der aus dem Felsen geborene Agdistis des Kybele- und Attismythos regelmäßig in den Mithrasgrotten abgebildet wird. Er gilt offensichtlich wie der orphische Phanes (s. Weltenei) als eine Erscheinungsform von Mithras. Es sind offenbar alles Bilder des Himmel und Erde umfassenden Allgottes.


Am erstaunlichsten ist jedoch die Übereinstimmung der Großen Mutter Kybele mit der Großen Mutter des indischen Tantrismus, Kali/Durga/Ganga. Wie Kybele zum mythischen – mal hier und mal dort lokalisierten – Berg Ida, so gehört Kali zum mythischen Berg Meru. Beide werden vom Löwen begleitet, dem zerreißenden und verschlingenden Tier. Vor allem aber gehört zu beiden ein toter Geliebter. Wie Kybele ewig am Grab des Attis trauert, so steht Kali in allen ihren Tempeln über dem Leichnam ihres Geliebten, des Himmels- und Sonnengottes Shiva. Beide sind auch selbst am Tod ihres Geliebten schuld. Denn Kybele hat zumindest Attis in den Selbstmord getrieben, und Kali hat nach einer esoterischen Lehre Shiva sogar zerrissen und verschlungen.[28] Aber auch Kybele scheint solch einen sehr dunklen und sehr esoterischen Aspekt zu haben, denn Nikandros berichtet im 4. Jahrhundert v. Chr. in seiner medizinischen Schrift „Alexipharmakon“ beiläufig, dass an einem bestimmten Tag im Jahr die Kernophoris-Priesterin der Rhea auf die Straße stürzt und den schrecklichen Schrei der Idaia ausstößt, und er fügt hinzu, dass der Schrei Schrecken verbreitet in den Herzen aller, die ihn hören.[29]


Kybele trägt meist als Attribut eine Krone in Form einer Stadtmauer auf dem Kopf und wird besonders im 18. Jahrhundert in Schlössern, Klöstern und barocken Gartenanlagen dargestellt. In Zyklen, die die vier Elemente zeigen, verkörpert sie die Erde.



Kybele, römisch, um 50 n. Chr., J. Paul Getty Museum, Malibu


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#2

KYBELE:

in Formen & Namen der Göttin: 08.10.2014 14:00
von Adamon • Nexar | 15.430 Beiträge

Aus Wikipedia:

Der "Kybele-Kultkeller" in Neuss
Abschied von einem Mythos?

Carl Pause

1956 wurde am heutigen Gepaplatz in Neuss bei Rettungsgrabungen des Rheinischen Landesmuseums Bonn ein Steinkeller mit Stampflehmfußboden entdeckt, der als "Kybele-Kultkeller" Eingang in die Literatur gefunden hat.

Der Keller ist aus römischen Spolien errichtet - darunter eine Steinurne, Unterlegsteine für Holzpfosten sowie ein Weihealtar für den "besten und größten Jupiter", den höchsten der römischen Staatsgötter.

Auffallend ist das unregelmäßige und laienhaft gesetzte Mauerwerk des Kellers, das keinen Steinbau im Aufgehenden getragen haben kann: Die Steine sind ohne Mörtel in den anstehenden Sand gesetzt, die Fugen mehrerer Steinlagen liegen nicht versetzt übereinander. Spuren eines Holzdaches oder -gebäudes, das sich über dem Keller befunden haben muss, wurden bei den Ausgrabungen nicht dokumentiert.
Außergewöhnlich sind eine kleine gemauerte Bank und die beiden sich gegenüberliegenden Treppen des Kellers, die in keinem Verhältnis zu dem kleinen Innenraum von ca. 1,80 m x 1,80 m stehen und offensichtlich eine gute Zugänglichkeit des Raumes gewährleisten sollten.

Die Bauweise des Kellers unterscheidet sich klar von dem soliden römischen Werksteinmauerwerk des 2. und 3. Jahrhunderts und spricht für eine Errichtung des Kellers in der Spätantike, als die Frankeneinfälle am Niederrhein zu einem rapiden wirtschaftlichen und technischen Niedergang geführt hatten.
In dem Erdreich, mit dem der Keller nach seiner Aufgabe verfüllt worden war, befanden sich 42 Münzen. Die beiden jüngsten Münzen sind je ein Follis der Kaiser Constantin I. (313/315) und Constans (341/346). Die Verfüllung des Kellers muss somit nach dem Jahr 341 n.Chr. erfolgt sein.

Die Interpretation des Kellers als Kybele-Kultstätte geht zurück auf Harald von Petrikovits, den damaligen Direktor des Rheinischen Landesmuseums. Bereits während der Grabungen hatten er und sein Ausgrabungsteam, darunter die Archäologen Wilhelm Piepers, Walter Janssen und Gernot Jacob-Friesen erkannt, dass sich im 2./3. Jh. am Gepaplatz ein heiliger Bezirk befunden haben muss, zu dem eine Säule mit einem throndenden Jupiter gehörte. Die beiden Treppen des Kellers ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass auch diese Anlage kultischen Zwecken gedient hatte.

1947, wenige Jahre vor der Freilegung des Kellers am Gepaplatz, hatte der italienische Archäologe Guido Calza einen Artikel über das Heiligtum der Magna Mater in Ostia bei Rom veröffentlicht. Calza hatte die Vermutung geäußert, dass das Taurobolium, die Stierbluttaufe, nicht, wie bis dahin angenommen, in einer Erdgrube, sondern in einem Keller nahe des Kybele-Tempels gefeiert wurde. Bei diesem Ritual wurde ein Stier über einer mit Bohlen abgedeckten Grube geschlachtet, so dass das Blut auf den in der Grube befindlichen Priester tropfte.


Von Petrikovits übertrug nun dieses Modell auf den Neusser Befund und schlug seine Deutung als Kybele-Kultkeller vor. Verschiedene Indizien stützten seine These. Aus heutiger Sicht sind diese Hinweise aber kritisch zu hinterfragen:

1. Der spätantike Dichter Prudentius, der als einziger das Taurobolium im Kybele-Kult beschreibt, berichtet nicht von einem Keller, sondern von einer in die Erde gegrabenen Grube.
2. Alle bisher bekannten römischen Kybeleheiligtümer befinden sich in normalen Podiums- bzw. Umgangstempeln.
3. In den erforschten Magna-Mater-Heiligtümern wurden bislang keine Taufkeller entdeckt. Die in Ostia gefundene Anlage gehörte vermutlich gar nicht zum Kybele-Tempel und diente auch nicht dem Taurobolium.
4. Zwei kleine Frauenterrakotten, die in der Nähe des Kellers gefunden wurden, sowie eine dritte Figur, die wohl nicht vom Gepaplatz stammt und eine thronende Göttin mit Krone zeigt, deutete von Petrikovits seinerzeit als Darstellungen der Kybele. Mittlerweile hat sich aber herausgestellt, dass es sich bei diesen Figurinen wohl eher um einheimische, germanische bzw. gallo-römische Muttergöttinnen handelt.
5. Die Votivfigur eines liegenden Stieres wurde als Opferstier des Kybele-Kultes gedeutet. Zu der Terrakotte gibt es mittlerweile ein Gegenstück aus Köln, das den Namen der Göttin Isis trägt.
6. Alle Votivfiguren stammen aus dem 2. Jh. und sind deutlich älter als der Keller.
7. Bei der in der Verfüllung des Kellers gefundenen "Zimbel" handelt es sich um ein getriebenes Bronzeblech, das wohl als Schildbuckel oder Phalera, keinesfalls aber als Klanginstrument anzusprechen ist.

Für die Verehrung der Kybele am Gepaplatz sowie in Neuss überhaupt gibt es somit keine Belege. Auch das im Mannheimer Reiss-Museum aufbewahrte Kybele-Relief stammt nur "angeblich" aus Neuss und war bis 1789 im herzoglichen Schloß zu Düsseldorf verbaut.

Gleichwohl muss der Keller eine irgendwie geartete sakrale Funktion besessen haben, auch wenn eine letztendliche Deutung der Anlage durch die fehlende Aufarbeitung der Ausgrabungen am Gepaplatz erschwert wird. Aus den Funden in der Kellerverfüllung lassen sich keine Hinweise auf die Funktion des Kellers ableiten. Zu ihnen gehören neben kleinteilig zerscherbter Siedlungskeramik aus der nahegelegenen Canaba und den erwähnten Münzen mehrere kleine Weihealtäre (davon einer mit Jupiter-Inschrift) sowie Teile der erwähnten Jupitersäule aus dem nahegelegenen Heiligen Bezirk. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Kellers scheint diese Anlage bereits aufgegeben gewesen zu sein, da ein weiterer Altar mit Jupiter-Weihung im Mauerwerk des Kellers verbaut war.

Der Verwendungszweck der Anlage läßt sich durch den Bau des Kellers (frühestens im späten 3. Jh.) und seine Auflassung (nach 350 n.Chr.) etwas eingrenzen: Im 4. Jh. ist die Errichtung eines Tempels für römische Staatsgötter, zu denen übrigens auch die Kybele gehörte, im Rheinland unwahrscheinlich. Eher könnte es sich bei dem Keller um eine noch nicht bekannt gewordenen Art von Heiligtum für eine einheimische Gottheit, z.B. für die in Neuss verehrte Muttergöttin Sunuxal gehandelt haben. Die Figur einer thronenden Mater sowie zwei weitere Votivterrakotten in Gestalt der Venus und der Fortuna, die sich bis zum 2. Weltkrieg unter den Sammlungsbeständen des Clemens-Sels-Museums in Neuss befanden, weisen ebenfalls auf die Verehrung lokaler Muttergottheiten im römischen "Novaesium" hin.

Aber auch eine völlig andere Deutung des Kellers wäre denkbar: Bei den 42 Münzen, die in der ca. 6 qm umfassenden Kellerverfüllung gefunden wurden, könnte es sich um Weihegaben aus dem benachbarten Heiligen Bezirk handeln. Dieser scheint demnach bis um die Mitte des 4. Jhs. bestanden zu haben. Sofern der Keller nach Aufgabe dieses Heiligen Bezirks angelegt wurde - und hierfür spricht der im Keller verbaute Jupiterweihestein, wäre der Keller erst im späten 4. oder gar im 5. Jh. entstanden. Dann wäre er aber unter Umständen auch als christliche Anlage zu deuten.

Wie immer auch die Interpretation des Kellers ausfallen mag, zwei Sachverhalte bleiben bestehen: Auch 45 Jahre nach der Freilegung des Neusser Kellers sind keine Parallelen zu ihm bekannt. Die Deutung als "Kultkeller" im weitesten Sinne kann nach wie vor aufrecht erhalten werden. In welchem religiösen Kontext der Keller aber zu betrachten ist, läßt sich vorerst nicht klären.
Literatur

* Harald von Petrikovits, Novaesium. Das römische Neuß. Führer des Rheinischen Landesmuseums Bonn 3 (Köln - Graz 1957).
* Harald von Petrikovits, Die Ausgrabungen in Neuß (Stand der Ausgrabungen Ende 1961). In: Bonner Jahrbücher 161, 1961, S. 449-485.


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RE: KYBELE:

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