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Ägypten:

in Cumhachd - Damhain Alla: 01.02.2010 15:39
von Atlan • Nexar | 15.543 Beiträge

Das Land Ägypten und seine Geschichte bieten eine enorme Fülle an Informationen.
Dieser Artikel soll nur ein kleiner Abriss über die Magie im Alten Ägypten sein.
Mehr als einen Überblick vermag ich bei der Menge an Material in diesem einen Artikel nicht zu liefern.
Jedoch werde ich in den folgenden Zeilen versuchen, ein grobes Bild zu zeichnen und Hinweise zu liefern,
denen der Leser, sofern der Artikel weiteres Interesse aufkommen lassen sollte, selbst nachgehen kann.

Von den Anfängen:

Um 6000 v.u.Z. war das Land um Ägypten nur spärlich besiedelt.
Zu dieser Zeit begannen die Menschen langsam Viehzucht zu betreiben,
woraus etwa 1000 Jahre später auch der Ackerbau entsprang,
der es zudem ermöglichte mehr Menschen zu ernähren.
Das hatte zur Folge, dass die Bevölkerung begann zu wachsen.

Die Bedingungen des Ackerbaus wurden durch die jährliche Nilschwemme
und die dazwischen vorherrschende Trockenheit erschwert, so dass es notwendig wurde,
im Kampf gegen die Dürre und das Wasser eine Art Kanalsystem zu schaffen.
Dadurch wurde es möglich, das Wasser des Nils nicht nur abzuleiten, sondern auch zu speichern.

Doch die einzelnen Bauern waren aus organisatorischen Gründen dazu kaum in der Lage,
so dass sich über kurz oder lang der Stand der Gaufürsten herauskristallisierte.
Das altägyptische Wort für Gaufürst heißt demnach soviel wie „ Der, der die Kanäle baut“.
Die Gaufürsten wurden mit den verwaltungstechnischen Aufgaben betraut.
Sie hatten nicht nur die Aufsicht über die Kanäle, sondern auch über die Getreidesilos,
von denen immer mehr angelegt wurden, um eine ganzheitliche Versorgung der Menschen zu gewährleisten.

Mit den veränderten Machtverhältnissen kam es zu Konflikten und so geschah es,
dass die Gaufürsten damit begannen, sich zu bekriegen,
bis sich etwa 3000 v.u.Z. ein Gaufürst namens Menes durchsetzte und alle Teile Ägyptens miteinander vereinigte.
Er wurde zum ersten ägyptischen Herrscher und erhielt den Titel Pharao („großes Haus“).
Durch die Abgaben, die die Menschen an den Pharao leisteten, konnte Reichtum angehäuft werden.
Dadurch konnte überhaupt erst Kultur entstehen,
besonders durch die Förderung von Bildhauerei und Architektur.

Der hauptsächliche Auslöser für viele kulturelle Entwicklungen war der
in Ägypten stark ausgeprägte Jenseitsglaube und Totenkult.
Mitunter waren die Menschen ihr ganzes Leben damit beschäftigt,
ihre Grabstätten auszustatten und auszugestalten.

Ägypten wurde zu einer absoluten Monarchie, der Pharao hielt alle Machthebel in der Hand.
Wenig später entwickelte sich der Titel des Pharaos zu einer Art göttlichem Mittler,
einem Geistwesen, welches zwischen den Menschen und den Göttern interagierte.
Das hatte natürlich den Nachteil, dass er auch für schlechte Dinge wie Dürreperioden
oder Unfruchtbarkeit des Landes verantwortlich gemacht wurde.



Die früheren Gaufürsten stellten den Beamtenapparat dar,
der sich nunmehr aus Schreibern und Verwaltern zusammensetzte.
So trennte sich die Bevölkerung in Stände auf, mit dem Pharao an der Spitze,
gefolgt von den Schreibern und Gelehrten und wiederum gefolgt von Bauern und Handwerkern,
wobei man hier erwähnen muss, dass die meisten Bauern gleichzeitig auch Handwerker waren.
Gab es also eine Phase, in der kein Ackerbau möglich war,
sei es durch große Trockenheit oder Überschwemmung,
waren die Bauern verpflichtet Militärdienst zu leisten oder beim Pyramidenbau zu helfen.

Durch die Ständedifferenzierung wurde später auch in der Schriftsprache
die Hieroglyphe für „Mensch“ mehr und mehr beiseite gelassen
und die Menschen immer differenzierter dargestellt und ausgestaltet.

Das Land der Götter:

Mit der ägyptischen Kultur gedieh auch das religiöse Leben.
Beispielsweise kamen dem Bauwesen nicht nur Aufträge aus dem Pyramiden- und Palastbau zu,
sondern auch die eine oder andere Errichtung eines Tempels.
Im Ägyptischen Reich hatte jeder Gott seinen eigenen Tempel,
wo man auch riesige Bildnisse und Statuen selbiger finden konnte.
Auch der Pharao hatte seine eigenen Götterstatuen,
um seinen Status zwischen Göttern und Menschen zum Ausdruck bringen zu können.
Dessen Statue wurde, wie alle anderen Götterbildnisse bestimmten Riten unterzogen,
vor allem, wenn es um das Wohl des Landes ging.

Die Priester eines jeden Tempels hatten spezielle Aufgaben.
Es wurde darauf geachtet, dass das tägliche Zeremoniell eingehalten wurde,
die Opfergaben reichlich waren und die jeweilige Statue sorgsam
als die Verkörperung der verehrten Gottheit behandelt wurde.

Jeden Morgen wurde durch bestimmte Riten die Gottheit in der Statue erweckt.
Sie wurde gesalbt, beräuchert, gewaschen und ihr wurden Speisen und Getränke gereicht,
gemäß den Tempelregeln.
Zu den Opfergaben gehörten auch Wein und Weihrauch.

Der Weihrauch hatte die Aufgabe, böse Geister zu vertreiben und fern zu halten.



Mit Hilfe der vielen Riten waren die Ägypter der Ansicht, die guten Götter auf ihrer Seite zu haben.
Es wurden immer wieder Vorkehrungen zum Schutz vor Spukgeistern oder Betrügern getroffen.
Doch auch die Spukgeister, die Seelen Verstorbener, deren Gräber verwüstet wurden,
genossen den höchsten Respekt.
So hat ein Pharao, wie es heißt, eine zerstörte Grabstätte wieder herrichten lassen,
nachdem ihm ein Spukgeist im Traum sein Leid geklagt hatte.

Auch hatten die Tempel oft ihre eigene Bibliothek zur Sammlung meist
wissenschaftlicher Schriften und ihre eigenen Observatorien.
Die Priester waren also Sternendeuter, Gelehrte, Ärzte und oft auch Stadtverwalter zugleich.

Doch gerade weil sie diese vielen Aufgaben in sich vereinten, waren sie auch Magier,
die mit Hilfe ihrer Gottheiten heilten oder Wissen aufbewahrten.
Und damit diese Kräfte nicht versiegten, mussten sie rein sein.
Es wurden schlichte Leinengewänder getragen, enthaltsam gelebt,
zweimal in der Nacht und zweimal am Tag gebadet.

Nur ausgebildeten Priestern und Novizen war es gestattet, den Tempel zu betreten.
Das einfache Volk musste seine Opfergaben vor den Tempelpforten ablegen.



Göttliche Magie:


Der ägyptische Begriff „heka“ steht für Zauberkraft oder Magie.
„Heka“ ist die übermächtige Zaubersubstanz,
die sich von den Göttern über den Pharao bis hin zu gewissen Menschen abstufte
und diese befähigte, in ihren Taten über manche gegebenen Regeln hinwegzugehen
und außerordentliche Taten zu vollbringen.

Es ist die Kraft, die Lebenserhaltung und Wachstum fördert und alles,
was dieses gefährden würde, abwehrt.

„Heka“ konzentriert sich im Körper der Magie ausübenden Person
und bringt sie dadurch auch den Göttern näher.

Als „weret-hekau“ wurden viele Götter gerühmt, was sich mit „groß an Zauberkraft“ übersetzen lässt.

Zeitweise hielt „heka“ in Ägypten sogar den Status einer Gottheit,
wurde also personifiziert und dessen Verehrung zu einem Kult.
Nur ist es schwierig, ägyptische Magie zu definieren,
denn sie deckte einen gesamtreligiösen Anwendungsbereich ab
und somit auch einen gesamtgesellschaftlichen,
da in der ägyptischen Gesellschaft nahezu alles auf religiöse Aspekte
zurückzuführen war oder auf ihnen aufbaute.

Doch die eigentliche Praxis der Magie daraus hervorzuheben,
gestaltet sich gerade durch ihre übergreifende Präsenz als schwierig.
Eines ihrer Gesichter zeigte sich in dem vermeintlichen Zwiespalt
zwischen den sakralen Kulten der Priester, in denen sie ihre Götter inbrünstig verehrten,
und bestimmten Ritualen, die beispielsweise in Krisenzeiten notwendig wurden,
in denen die Götter nicht zum Handeln gebeten, sondern gezwungen wurden.

Auch der ägyptische Totenkult weist vielerlei komplexe magische Riten und Handlungen auf.
Die kreative Kraft des gesprochenen Wortes nahm hier einen besonderen Stellenwert ein.
Ein wichtiges Beispiel für die in Ägypten üblichen Riten innerhalb des Totenkultes
stellt das sogenannte Mundöffnungsritual dar.
Dieses Ritual wurde den Mumien kürzlich Verstorbener innerhalb der siebentägigen Einbalsamierung zuteil.
Man glaubte dadurch den Toten zu ermächtigen,
auch nach seinem Tod seine körperlichen Funktionen nutzen zu können.



Ein weiteres Beispiel stellen hier die so genannten „Verklärungen“ dar,
in denen mittels bestimmter Beschwörungen und Anrufungen
der meist durch einen Schlangenbiss oder Skorpionstich Verstorbene
transformiert werden sollte, auf dass er im Jenseits lebensfähig war, da sein Körper vergiftet wurde.

Bei einem Überlebenden sah die Behandlung anders aus.
Dieser sollte dann vielmehr in seinen Zustand vor der Schädigung gebracht werden,
oder wenigstens vor potentieller Gefahr, beispielsweise durch Schlangen, bewahrt werden.

Es ging also für den Einzelnen in erster Linie um die magische Lebensbewältigung
im eigenen persönlichen Bereich.
In der Öffentlichkeit hingegen beschäftigte er sich ausschließlich mit der täglichen Ausübung der Kulte.
Magie war also kein Seitenzweig der Religionen und Kulte,
sondern ein fest integrierter und nicht wegzudenkender Bestandteil dessen.


Magische und medizinische Literatur:


Wie schon erwähnt, hatte jeder Tempel seine eigene Bibliothek
und somit auch seine eigenen umfangreichen Ritual- und Spruchsammlungen.
Nur unterlagen die Umsetzungen der Riten auch strengsten Geheimhaltungsvorschriften.
Diese Vorschriften hatten einzig und allein den Zweck,
die eigene Kunst vor Nichtinitiierten oder profanem Gebrauch zu schützen.
Magie und Geheimnis verschmolzen also zu einer Einheit.

Doch selbst das Netz aus Geheimhaltung hatte Maschen
und hielt Laien wie Hirten oder Bauern nicht davon ab,
den einen oder anderen Spruch bei akuten alltäglichen Gefahren
wie zum Beispiel bei der Begegnung mit wilden Tieren oder bei Krankheiten zu rezitieren.

So kam es, dass manche den Priestern vorbehaltene Schrift zu so genanntem
„gesunkenem Kulturgut“ und damit profaniert wurde.

Auffällig ist auch die Ähnlichkeit zwischen den „Totentexten“ und den „Zaubertexten“,
auch wenn die Anwendungen, also sowohl Begräbnisse als auch Alltagsmagie,
sich hier jeweils in Aufwand und Umsetzung stark voneinander unterscheiden.



In vielen der magischen Rezitationen finden sich kleinere Mythen wieder,
die dem magischen Kontext entsprechen und die Rezitation bekräftigen sollen.
Gerne wird hierbei auf die Konstellation zwischen Isis und Horus zurückgegriffen,
was oft bei Heilungstexten der Fall war.
Aber darauf komme ich später noch einmal zurück.

Magische Texte im Alten Ägypten waren oft in drei Teile strukturiert.
Der erste Teil war der Titel mit dem Zweck, gefolgt von einem Rezitativ,
welches von unterschiedlichster Länge sein konnte.
Abgeschlossen wurde der Text mit dem dritten Teil,
den genauen Instruktionen an den Magier, welche Requisiten benötigt wurden
und auf welche Schritte zu achten war.

Ein Ritual für einen Klienten oder Patienten wurde meist als kleines Ritual gewertet,
im Gegensatz zu den täglichen Tempelriten.
Also kann man davon ausgehen, dass sich die kleinen Rituale
vorrangig in der Privatsphäre des Hilfesuchenden abgespielt haben.

Es ist also durchaus vorstellbar, dass es auch auf Feldern, Baustellen
oder bei Expeditionen einen Bedarf an begleitenden Priestern gegeben hat
ebenso wie Priester bei ihren Patienten Krankenbesuche gemacht haben.

Auch Amulette und Zaubersprüche durften nach Vorlage
einer bestimmten Urkunde in Privathäusern ausgehändigt werden.


Medizin und Magie sind also nicht wirklich voneinander trennbar
und wurden im Alten Ägypten in den so genannten Lebenshäusern der Tempel unterrichtet.
Jeder Arzt war gleichzeitig Magier und Beschwörer,
aber auch Sachverständiger für Amulette, wenn er sie auch nicht selbst herstellte.

Heute würde man diesen Menschen wohl den Titel Heiler geben,
um sowohl die Komponente der Magie als auch der Medizin zu erfassen.

In den Tempelwerkstätten gab es parallel dazu spezielle Handwerker,
die für die Herstellung von Amuletten verantwortlich waren,
wenn auch nicht vertraut mit deren Gebrauch.
Was die verschiedenen Rezepturen oder Drogen angeht,
so wurden die Zutaten meist nur mit Decknamen oder
in anderweitig verschlüsselter Form wiedergegeben.

Aber schon vom Aufbau her kann man unterscheiden,
ob die Texte nun eher magischer oder medizinischer Natur sind.
In medizinischen Texten tauchen eher vereinzelt zu rezitierende Zaubersprüche auf.
Auch sind sie häufig als Anweisungen in der zweiten Person geschrieben,
während der Magier immer in der Ich-Form zu sprechen pflegte,
was im Zuge verschiedener Beschwörungen von Göttern oder Dämonen naheliegend ist.

Wesenheiten in magischen Texten werden immer direkt angesprochen.
Auch die für Zwangmagie typischen Warnungen und Einschüchterungen
kommen hier zum Einsatz.
So konnte der Magier beispielsweise mit Kultentzug oder kosmischen Katastrophen drohen.
In solchen Fällen sprach der Magier gerne im Namen einer Gottheit
oder diese äußerte sich direkt durch ihn.
In diesen Fällen hätte also die Gottheit und nicht der Magier die Drohung ausgesprochen.



Fragmente magischer Texte des Alten Ägyptens wurden jedoch nicht nur
in Form von Papyri gefunden, sondern in vielen anderen Formen.
Da die Nachfrage nach Amuletten jeglicher Art zu dieser Zeit am Blühen war,
lassen sich neben den Papyrusaufzeichnungen auch auf den unterschiedlichsten
Text- und Bildträgern wie Ton- oder Steinscherben, Stelen, Holztafeln,
Figuren verschiedenen Materials oder Knochen magische Formeln wiederfinden.
Kleine Papyrusrollen wurden beispielsweise in Metallbehältnissen als Amulett um den Hals getragen.
Aber auch Illustrationen in Form von kleinen Vignetten konnte man
vereinzelt auf all diesen Trägermaterialen entdecken.



Formen der Magie:


Die Magie ausübenden Priester mussten, wie oben schon erwähnt,
strenge Reinheitsvorschriften befolgen.
Die Kleider, die sie trugen, durften nicht aus tierischen Produkten sein,
ihre Gewänder durften keine Ringe oder Knoten ausweisen und
sie hatten die Pflicht enthaltsam zu leben, was das Verbot von Schweinefleisch,
Hülsenfrüchten und Sex beinhaltete.
Auch bedurften sie vielerlei verschiedener Amulette,
um sich vor wehrhaften oder erbosten Gestalten und Wesenheiten zu schützen.


Man kann die magische Vorgehensweise in vier Typen teilen.
Jedoch muss man hier vermerken, dass die folgende Einteilung
nicht aus ägyptischer Zeit stammt, sondern nur eine Zusammenfassung darstellen soll.
So kann man unterscheiden zwischen Bannungen, Zauberei zur Heilung,
verändernde bzw. transformierende Zauberei und Wahrsagerei.

Mit einer speziellen Form der Magie, der Bannungsmagie,
versuchte man drohendes Unheil abzuwenden.
So hatte man in der magischen Praxis einen Weg gesucht,
beispielsweise Giftschlangen nicht von vornherein ausgeliefert zu sein.
Eine Möglichkeit war die Besprechung der Tiere mit dem Ziel,
dass die magischen Worte diese lähmten und so an ihrem giftigen Biss hinderten.

Eine weitere Praktik waren Papyrusamulette, die den Träger schützen sollten.
Diese kann man als Götterdekrete bezeichnen,
da das Geschriebene den allumfassenden Schutz bestimmter Gottheiten versicherte.
Besonderes Augenmerk lag hier natürlich auf Krankheiten, frühzeitigem Tod oder Gefahren.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch
die Ächtungstexte und die dazugehörigen Figuren und Gefäße.
Es wurden potentielle Feinde des Königs oder Ägyptens beschworen.
Diese Beschwörungen standen auf Lehm- oder Steinfiguren,
die bei oder in Gräbern deponiert wurden.

So wurde die potentielle Gefahr von außen vorsorglich ins Jenseits überführt.
Ein Fund, der in die Zeit des Mittleren Reiches zurückdatiert werden kann,
zeigt neben den Gefäßen und Figuren einen abgetrennten Schädel,
der separiert vom Körper zusammen mit ihnen bestattet wurde.

Vielleicht handelte es sich um eine Exekution oder einen Schauprozess,
der Feinde abschrecken sollte, woraufhin die Überreste sogleich
in den magischen Akt mit einbezogen wurden.

Bei der magischen Heilung sieht es nun ganz anders aus.
Hier war das Übel bereits eingetreten, dem man dann versuchte
mit verschiedenen Mitteln und Wegen entgegenzutreten.
Sowohl die schon erwähnten Schlangenbisse als auch Skorpionstiche
gehörten zu den alltäglichen Problemen im Alten Ägypten.
Für den Umgang mit diesen Tieren und deren Gift gab es spezielle
Skorpion- und Schlangenbeschwörer, die sich um die entsprechenden Vergiftungen kümmern konnten.

Auf Expeditionen war es zum Beispiel unerlässlich,
einen professionellen Heiler mitzunehmen, der direkt vor Ort erste Hilfe zu leisten vermochte.

Eine gern und auch nicht selten verwendete Methode in der kurativen Magie war es,
den Patienten zu einem mythischen Patienten zu machen und ihn mit einer Gottheit gleichzusetzen,
die in ihrem Mythos schon Heilung erfuhr.
Bevorzugt eingesetzt wurde der falkenköpfige Horus oder Harsiese,
was soviel bedeutet wie Horus, Sohn der Isis.

Als Ursache von Kopfschmerzen galten Dämonen, die durch eine der sieben Kopföffnungen eindrangen,
insbesondere wurden das linke Auge oder die linke Schläfe bevorzugt.

Durch diese Vorstellungen fiel es dem Patienten leicht,
in die Rolle des Horus zu schlüpfen, der Isis um Hilfe ersucht,
damit sie die Dämonen von ihm nimmt.

Sogar zwischen Horus und Bauchschmerzen bei Kleinkindern
lässt sich ein mythischer Bezug herstellen.
Horus soll als Knabe einmal von heiligen Fischen versehentlich etwas zu sich genommen haben.
Als er daraufhin Schmerzen erlitt, wurde er von Isis geheilt.
So wurden Bauchschmerzen auf die gleiche Weise wie die dämonischen Kopfschmerzen kuriert.
Auch bei Komplikationen während einer Geburt wurde auf Horus und Isis,
die Gottesmutter und deren Kind, zurückgegriffen.
Eine ähnliche Mutterrolle wie Isis spielte übrigens auch die Göttin Hathor.

Eine beliebte Heilmethode der Ägypter war die so genannte Gliedervergottung.
Das bedeutete nichts anderes als, dass nicht der Patient im Ganzen,
sondern nur Köperteile von ihm besprochen und unter den Schutz bestimmter Götter gestellt wurden.
So entstand vom Scheitel bis zur Sohle eine Auflistung des Körpers in seinen Einzelteilen.
Ähnliche Praktiken fand man später im damaligen Griechenland oder in Mesopotamien.

Kommen wir nun zur Transformationsmagie.
Hier ist von der Magie die Rede, die beispielsweise eine Identität hervorruft
oder eine Person herbei zwingt.
Der Magier agiert hier selbst als Gott.


Besonders aus hellenistischer Zeit (um 330 bis 27 v.u.Z.) gibt es viele Überlieferungen,
die auf diese Form der Magie hindeuten, besonders der Liebeszauber
schien zu dieser Zeit sehr beliebt zu sein.
Es handelte sich um herbeizwingende Riten, die oft von kleinen Figurinen begleitet wurden.
Der oder die Angebetete sollte dem Beschwörer auf der Stelle verfallen.
Diese Zauber wurden immer auf Distanz vollführt, indem bestimmte Zutaten eingesetzt wurden,
die auf verschiedene Körperstellen der Figur aufgetragen wurden.
Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass unter den Ausgrabungen und Funden
vorwiegend weibliche Figurinen geborgen wurden.
Liebeszauber scheinen also zu jener Zeit mehr ein Geschäft der Männer gewesen zu sein.

Ein entschlüsseltes Rezept für einen Liebestrank,
womit man unweigerlich leidenschaftliche Zuneigung und Begehren einer Frau hervorruft,
bietet einen kleinen Einblick.

Dazu brauchte der Bittsteller sieben Gerstenkörner, die in einem Grab gelegen hatten,
und ein Stück vom Kopf eines Mannes, der durch einen Mord zu Tode gekommen war.
Das wurde mit Apfelkernen zerrieben.
Dann wurde das Blut einer Hundelaus und das Blut des Bittstellers aus dem linken Zeigefinger
sowie sein Sperma hinzugefügt.
Das Gemisch wurde in Wein aufgelöst und der Frau zu trinken gegeben.

Auch die Jenseitshoffnungen der Ägypter bargen die Verwandlung in sich.
Man glaubte, nach dem Tod die Möglichkeit zu haben,
sich in ein anderes Wesen zu verwandeln.
So konnte man beispielsweise, wenn man wollte, die Gestalt diverser Tiere annehmen.

Die vierte Form der magischen Praxis der Ägypter war
die Wahrsagerei oder Divination und prognostische Magie.
So wurde der Rat der Götter eingeholt und nach zukünftigen Ereignissen
oder Schicksalen gefragt.
Selbst zu Zeiten des Alten Reiches (ca. 2707–2216 v.u.Z.)
soll es ein von den Göttern sanktioniertes Orakel gegeben haben,
bessere Überlieferungen findet man aber erst ab dem 15. Jh. v.u.Z.

Selbst im privaten Bereich wurde der Rat des Orakels eingeholt.
Oft ging es dabei um Rechtsstreitigkeiten.
Es wurden zwei Versionen einer Geschichte vorgetragen und die Gottheit,
die entscheiden sollte, zeigte die Antwort durch das Gottesbildnis.
Neigte es sich zur einen Seite, bekam die eine Partei Recht,
neigte es sich zu der anderen, sprach man jener Recht zu.

Seit dem 13.-12. Jh. v.u.Z. ist auch eine Divinationstechnik belegt,
bei der man interpretierend in eine Schale schaute, die mit Wasser und Öl gefüllt war.
Diese Technik ist durch zahlreiche Papyri aus hellenistischer Zeit und
der Ramessidenzeit (ca. 1290-1070 v.u.Z.) belegt und nennt sich Lekanomantie.

Eine erst später bezeugte Technik ist die Lychnomantie.
Hier wird in eine Lampe geschaut, was der Herbeiführung von Götter- oder Totenerscheinungen dient.
Man kann diese Praxis aber ebenso im Bereich der Nekromantie ansiedeln.

Seit der Ramessidenzeit ist ebenfalls die Traumdeutung oder Oneiromantie belegt.
Auch in der Bibel findet man hierfür Textstellen, die darauf hinweisen,
wie beispielsweise jene, als Josef dem Pharao einen Traum deutete.

„Da sprach Josef zum Pharao:
Der Traum des Pharao ist einer. Gott hat dem Pharao mitgeteilt, was er tun will.“ (Gen. 41: 25)

In der divinatorischen Magie findet man häufiger Frauen, zauberkundige Seherinnen.
In fast allen Gemeinden gab es so eine „weise Frau“, die Neugeborenen einen Namen verlieh,
der deren Schicksal widerspiegelte, die Zukunft voraussagte
oder seelische und körperliche Leiden linderte.

Auch konnte sie Wahrheit von Lüge unterscheiden oder verlorene Gegenstände wiederfinden.
Diese Seherinnen gaben ihr Wissen, Legenden und Mythen mündlich weiter.
Die Seherinnen waren zugleich auch Magierinnen.
Man konnte ihnen die gleichen Fähigkeiten zusprechen,
wie sie auch die Magier der einzelnen Tempel hatten.

Sie kannten die positiven und negativen Wirkungen gefährlicher Tiere
wie Schlange und Skorpion, arbeiteten mit Göttern und anderen Wesenheiten
oder stellten Amulette her.
Die eine oder andere hatte die Möglichkeit, in einem der Tempel Priesterin zu werden.
Das war ein Privileg, was zudem einen gesicherten Lebensabend im Tempel versprach.

So mancher Frau wurde die Ehre zuteil, in Mysterien eingeweiht zu werden.
So heißt es aus der Zeit des Mittleren Reiches etwa 2000 v.u.Z.,
dass es ebenso Priesterinnen des Osiris gab, die an seinen Mythen teilhaben durften.
Jedoch hatten diese Priesterinnen weniger die Rolle des Magiers inne,
sondern vielmehr die eines Orakels.


Lilye

Quellen:
Klaus Koch, Geschichte der Ägyptischen Religion
Christian Jacg, Die Ägypterinnen
Egon Friedell, Kulturgeschichte Ägyptens und des alten Orients
Manfred Görg, Die Barke der Sonne
Dieter Arnold, Die Tempel Ägyptens
Mircea Eliade, Geschichte der religiösen Ideen, Band 1
Rainer Schmidt, Das Weltbild des Epheserbriefes: Eine religionsgeschichtlich-exegetische Studie
Elberfelder Bibel



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