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In meinen früheren Artikeln ging es um die Definition des Begriffes der Dämonen,
deren Beschwörung und deren Erscheinungsbild in der jüdischen Tradition.
In diesem Text soll es nun um jene „Dämonologie“ der Hexen gehen,
die sich hauptsächlich in das Gewand der sogenannten Familiargeister kleidet.
Was sind Familiargeister?
Ursprünglich dem Begriff „familiar spirit“ entstammend, was wohl mit „vertrauter Geist“,
„Schutzgeist“ oder „Hausgeist“ übersetzt werden könnte,
leitet sich das eingedeutschte „Familiargeist“ oder „Familiar“ ab.
Vielleicht erinnern sich einige an die Geschichten, die durch die Hexenprozesse bekannt geworden sind:
von tierartigen Wesen, die die Hexen vom Teufel als Diener bekamen
und die mit dem Blut der Hexe gefüttert werden mussten.
Die durch die Fütterung entstehenden Muttermale, so hieß es,
seien ein eindeutiges und entlarvendes Zeichen einer Hexe.
Hierfür wendete man in der Inquisition die Nadelprobe an,
um die Echtheit dieser Bissstelle der bösen Geister zu überprüfen.
Einige Gelehrte behaupten, der Begriff und das Phänomen der Familiargeister
tauchten ausschließlich in England und Schottland auf.
Familiargeister gelten als ein typisches Erkennungszeichen traditioneller britischer Hexerei,
und man könne diese dadurch eindeutig von der kontinentaleuropäischen Hexerei unterscheiden.
Andere Quellen behaupten, dass das Phänomen auch in Frankreich auftrete.
Reginald Scot nutzte den Begriff „familiar spirit“ bereits 1584 in seinem Werk „A Discovery of Witchcraft“.
Man kann davon ausgehen, dass seit dieser Zeit das kleine Hilfswesen der Hexe
große Bekanntheit in England erlangte.
Anfang des 17. Jahrhunderts wurde mit dem Witchcraft Act „An Act against Conjuration,
Witchcraft and dealing with evil and wicked spirits“ sogar der Besitz von Familiargeistern verboten.
Im Laufe der Hexenverfolgung in Amerika und Großbritannien
ist vieles über die dienstbaren Geister einer Hexe bekannt geworden.
Das meiste davon entstammt dabei Geständnissen und Zeugenaussagen während der Prozesse.
Ungeachtet der tatsächlichen historischen Wurzeln und deren Glaubwürdigkeit
versteht man unter einem Familiar in jedem Fall den dienstbaren Geist einer Hexe,
der dieser bei ihren Werken hilfreich zur Seite steht.
Die Hexe sorgt im Gegenzug für das Wohl des Familiars.
In der Vergangenheit habe ich einen Artikel über die traditionelle britische Hexenkunst geschrieben,
in dem es ebenfalls um Familiargeister ging.
Dort verwendete ich unter anderem den Begriff „magistellus“, „Meisterchen“, und „famulus“,
„Dienerchen“, die ebenfalls als Synonyme für die dienstbaren Geister einer Hexe in Gebrauch sind.
Margaret Murray’s Werke sind wohl die bekanntesten Quellen
des Wissens über die Familiargeister.
In ihrem Werk "The God of the Witches" erläutert sie eingehend deren Natur.
Ein großer Teil des vermeintlichen Wissens ist Aussagen von Hexenprozessen entnommen,
einiges entstammt der britischen Folklore.
Murray zufolge gab es in England zwei Formen von Familiaren,
die auch „imps“ genannt wurden:
das divinatorische Familiar und das häusliche Familiar.
Das divinatorische Familiar besaß die Hexe nicht,
sondern es wurde ihr bei ihrer Aufnahme in einen Coven durch den Magister bekannt gegeben.
Es konnte jedes erdenkliche wilde Tier sein und die Hexe konnte
aus seinem Verhalten Omen herauslesen.
Oftmals handelte es sich um Pferde, Vögel und Hunde.
Die Hexe konnte mehrere dieser divinatorischen Tiere genannt bekommen,
die ihr Einblicke in zukünftiges Wissen bringen sollten.
Das häusliche Familiar gehörte der Hexe.
Es diente dafür, den Willen der Hexe auszuführen, und wurde mit Milch, Mehl und ihrem Blut gefüttert.
Oftmals fand diese Fütterung vor der magischen Arbeit statt, um das Familiar zu zähmen,
es zu kräftigen und an den Willen der Hexe zu binden.
In der Folklore ist mitunter von einer dritten Brustwarze die Rede,
die allein zum Säugen der Familiargeister dient.
Ein „imp“ war meist so klein, dass es problemlos in der Tasche mitgeführt werden konnte.
Ein häusliches Familiar konnte der Hexe vererbt werden,
aber sie konnte es auch von einer anderen Hexe geschenkt bekommen.
Mitunter ist sogar die Rede davon, dass man es kaufen und verkaufen könne.
Eine alternative Möglichkeit zur Erlangung eines Familiars bestand
durch das Ausführen magischer Rituale und das Rezitieren bestimmter Zauberformeln.
Einmal erworben, wurde es häufig in Kisten oder Boxen mit weichem Stoff oder Watte aufbewahrt,
damit es eine Ruhestätte hat.
Niemals wurde das häusliche Familiar zur Divination eingesetzt,
sondern nur zum Zwecke der Zauberei, insbesondere der Verhängung von Flüchen.
Murray zufolge sind divinatorische Familiare lebende Tiere,
während es sich bei den häuslichen wahrscheinlicher um dämonische Geistwesen handelt.
Ob das heute bekannte Wissen über die Familiargeister der Hexen wirklich
historische und kultische Wurzeln hat oder im Rahmen der Hexenverfolgung
schlichtweg erfunden wurde, kann man nur sehr schwer nachvollziehen.
Fakt jedoch ist, dass magische Tierwesen und den Menschen helfende Geistwesen
schon seit der Antike bekannt sind.
Vom Schamanismus her kennen wir das sogenannte „Krafttier“ oder auch das „Totem“,
das sich durchaus mit dem Familiargeist einer Hexe vergleichen lässt.
Wenn wir sogar davon ausgehen, dass die Praxis der Hexerei
Wurzeln im Schamanismus hat, verstärkt sich diese Annahme noch.
Beide, sowohl Krafttier als auch Familiargeist, werden als unabhängige Geistwesen gesehen,
die bestimmte Aufgaben für den Besitzer erfüllen.
In der nordischen Tradition können wir wesenartige Erscheinungen feststellen,
die zwar Ähnlichkeiten mit dem Familiar der Hexe aufweisen,
aber nicht wirklich mit ihm gleichgesetzt werden können.
Ein typisches Beispiel ist die sogenannte „fylgja“, was sich am besten
mit „Folgegeist“ oder „Doppelgänger“ übersetzen lässt.
Sie kann zwar Tierform annehmen, führt bestimmte Aufgaben aus
und sorgt sich um das Wohl ihres menschlichen Besitzers,
jedoch ist es naheliegend, dass es sich mehr um einen Seelenbestandteil
oder Astralkörper des Trägers handelt als um eine unabhängige Wesenheit.
Analog verhält es sich mit Begriffen wie hamr, hugr, hamingja und vordr.
Sie bezeichnen ebenfalls Kräfte, die sich losgelöst und frei
vom physischen Körper ihres Besitzers bewegen und Ereignisse hervorrufen können,
aber auch hier haben sie stets ihren Ursprung im Besitzer selbst
und stellen somit nicht wirklich unabhängige Geistwesen dar.
Und selbst wenn es sich um eigenständige Wesenheiten handelt,
so ist ihre Aufgabe meist nur auf Schutz beschränkt und in vielen Fällen
nicht vom Besitzer willentlich hervorgerufen.
Des Weiteren sind sie von ihrem physischem Vehikel, dem Menschen, abhängig,
was im Falle von Familiargeistern nicht unbedingt der Fall ist.
Der Familiargeist scheint in modernen Formen der Hexenkunst
etwas in Vergessenheit geraten zu sein.
Hauptsächlich ist er nur noch in einigen wenigen ländlichen Formen der Hexerei
fester Bestandteil der Kunst.
Beispiele hierfür können wir vor allem in südlichen Gegenden Englands finden.
Dort gibt es noch heute Hexen, die Familiargeister in Flaschen oder Kistchen beherbergen
und um Rat und Hilfe bitten.
Die dienstbaren Geister sind dabei an einen Fetisch gebunden,
über den die Hexe Kontakt aufnehmen und Opferungen darbringen kann.
Je nach Aufgabe des Familiars kann ein solches „spirit house“
die unterschiedlichsten Formen annehmen.
Von der einfachen mit Wolle und anderen magischen Substanzen gefüllten Flasche
bis hin zur getrockneten Kröte oder zum Menschenschädel
können alle möglichen Dinge als Wohnstätte für das Familiar dienen.
Mittlerweile scheint das Familiar aber zunehmend wieder ins Blickfeld
der modernen Hexenkunst zu rücken.
Autoren wie Robin Artisson und Andrew D. Chumbley beleben die alte Idee
des dienstbaren Geistes der Hexen aufs Neue.
Dabei orientieren sie sich stark an Folklore und mündlichen Überlieferungen,
interpretieren dieses Wissen im Spiegel der Neuzeit und machen es auf
unterschiedliche Weise anwendbar.
So stellen Familiargeister bei Artisson alle Wesen dar,
mit denen sich die Hexe in irgendeiner Weise für ihre Magie verbindet
und mit denen sie sympathisiert.
Dabei kann es sich sowohl um Götter oder persönliche Geister als auch um Geister eines Ortes handeln.
Andrew D. Chumbley, ehemaliger Magister des „Cultus Sabbati“,
einem geschlossenem Kreis von Praktizierenden der sogenannten „sabbatischen Hexerei,
erläutert in seinem Werk „Azoetia“ vier Erscheinungsformen des Familiars.
Das „häusliche Familiar“ benutzt als materielle Basis den Körper eines Haustieres.
Hierzu muss das Tier nach seiner Geburt geweiht und heimlich
auf den Namen des Familiargeistes getauft werden.
Den Familiargeist selbst bindet man an das Tier,
indem die Hexe über den Augenbrauen des Tieres mit ihrem eigenen Blut ein Symbol markiert.
Um sich den Dienst des Familiars zu sichern,
sollte es zu jedem Vollmond mit wenigen Tropfen des eigenen Blutes gefüttert werden.
Solch ein Tier soll sich durch besondere Langlebigkeit auszeichnen.
Es kann über Generationen weitergegeben werden und dient somit als Familiargeist der Erblinie.
Anders als bei Murray kann das häusliche Familiar auch bei Riten der Divination hilfreich sein.
Des Weiteren kann auch ein wildes Tier spontan vom körperlosen Familiargeist genutzt werden
und erscheinen, um der Hexe Botschaften zu überbringen.
Dies bezeichnet Chumbley als das „ungezähmtes Familiar“.
In seiner körperlosen Form kann das Familiar sich auch direkt über ein Trancemedium äußern,
was dann als „Orakelfamiliar“ bezeichnet wird.
Chumbley spricht dabei vom Wissen der Ahnen, das hierbei ans Licht kommt.
Das Familiar spielt in diesen beiden zuletzt genannten Fällen
eine Mittlerrolle zwischen den Menschen und den unsichtbaren Welten.
Eine letzte Form des Familiars ist der sogenannte „Altar-“ oder „Schreinwächter“.
In dieser Form ist der Geist an magische Objekte, Fetische und Artefakte gebunden
und übermittelt Wissen oder Kräfte aus anderen Welten,
die er direkt in die magische Arbeit einbringen kann.
So unterschiedlich die Vorstellungen über das Wesen der dienstbaren Geister einer Hexe auch sind,
so vielfältig sind auch die Möglichkeiten, sich mit diesen Wesen zu verbinden.
Ich möchte dem interessierten Leser abschließend einen Weg der Praxis vorschlagen,
um einen Familiargeist anzurufen:
Zunächst solltest du einen Tag im Freien verbringen, wo du die Zeit hast, dich zu entspannen
und das Leben um dich herum zu genießen.
Wähle einen Ort, an dem du möglichst allein bist. Ich empfehle dir, an diesem Tag zu fasten.
Wenn die Abenddämmerung anbricht, entzünde ein kleines Feuer
(ein paar Kerzen in einem Kessel tun es zur Not auch),
streue Beifuss, Katzenminze, Wermut und die Wurzel vom Salomonsiegel in die Glut,
atme den Duft ein und beginne dich mit einer beliebigen Methode in Trance zu versetzen.
Trommle oder rassle, tanze oder sitze ruhig, sprich oder schweig,
wie es dir passend erscheint.
Nach einer Weile solltest du deinen Ruf nach deinem Familiargeist laut aussprechen.
(Es kann durchaus geschehen, dass dies gar nicht mehr notwendig ist)
Lasse anschließend deinen Geist völlig offen und höre zu!
Weihe einen Becher Rotwein mit einfachen Worten und teile ihn mit den anwesenden Geistern.
Trinke davon und gieße den Rest an die Wurzeln eines Baumes
oder in ein Gewässer. Bedanke dich, es ist getan.
Vielleicht habe ich mit meinem Artikel in dem einen oder anderen Leser
den Wunsch erwecken können, nach einem persönlichen Familiar zu suchen
oder es zu Wort kommen zu lassen, um die eigene Magie zu bereichern.
In diesem Sinne wünsche ich Euch eine Zeit voller magischer Überraschungen!
Danny
Quellen:
Andrew D. Chumbley, Azoetia – A Grimoire of the Sabbatic Craft, Xoanon Publishing
Robin Artisson, The Horn of Evenwood, Pendraig Publishing
Margaret Murray, The God of the Witches, Oxford University Press, 1970
Jan De Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, Berlin 1970
Internetseiten, Stand August 2009:
http://www.historicum.net/themen/hexenfo.../ca/eb89ec8d1e/
http://en.wikipedia.org/wiki/Familiar_spirit
http://www.hulford.co.uk/familiar.html
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