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Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 02.11.2012 20:59von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Leipzig (Deutschland) - Der moderne Mensch inspirierte den Neandertaler kulturell, so das Ergebnis einer neuen präzisen C-14 Analyse von Funden aus der Grotte du Renne und aus Saint Césaire in Frankreich. Diese Einschätzung des internationalen Forscherteams um Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie deutet auf einen kulturellen Austausch zwischen modernen Menschen und Neandertalern vor etwa 40.000 Jahren hin.
Darüber, ob die archäologische Kultur des Châtelperronien (CP) am Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum von Neandertalern oder modernen Menschen stammt, streiten Fachleute schon seit Langem. Wie die Forscher aktuell im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) berichten, konnten sie mit Hilfe eines Beschleuniger-Massenspektrometers das Alter der Knochenfunde äußerst präzise bestimmen. Die neuen 14C-Daten zeigen, dass Neandertaler die anspruchsvollen Werkzeuge und den Körperschmuck aus der CP-Kultur hergestellt haben. Da sie dies aber erst taten, nachdem vor etwa 40.000 Jahren moderne Menschen in benachbarten Regionen eingetroffen waren, vermuten die Forscher, dass zwischen diesen beiden Menschengruppen ein kultureller Austausch stattgefunden hat.
"Vor 50.000 bis 40.000 Jahren, als im westlichen Eurasien das Jungpaläolithikum begann, verdrängte der moderne Mensch den Neandertaler. Um zu verstehen, wie dieser Prozess vonstatten ging, spielen 'Übergangsindustrien' eine wichtige Rolle", erläutert die Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft. "Das Moustérien, eine Steinwerkzeugsindustrie des Mittelpaläolithikums, kann eindeutig dem Neandertaler und das Aurignacien, die älteste archäologische Kultur des europäischen Jungpaläolithikums, eindeutig dem modernen Menschen zugeordnet werden. Die Schöpfer der Übergangsindustrie Châtelperronien konnten bisher jedoch nicht eindeutig identifiziert werden."
Zuvor hatten die Archäologen in der französischen Grotte du Renne auf CP-Inventare entdeckt, die gut identifizierbare Überreste von Neandertalern enthielten. In den CP-Schichten der Höhle fanden die Forscher darüber hinaus auch recht anspruchsvolle Werkzeuge sowie Schmuckstücke aus Knochen. Trotz der Fossilienfunde blieb die Frage, ob Neandertaler fähig waren, derart anspruchsvolle Objekte herzustellen, in Fachkreisen weiterhin umstritten. "Dies ist zum Teil der Tatsache geschuldet, dass das Châtelperronien ein breites Spektrum von Verhaltensmerkmalen aufweist, die bereits an nachfolgende Industrien des Jungpaläolithikums erinnern. Diese späteren Industrien wurden unbestritten von modernen Menschen geschaffen", sagt Jean-Jacques Hublin. Einige Forscher vermuteten, dass eine Vermischung von Objekten aus verschiedenen archäologischen Schichten diese Vergesellschaftung erklären könnte.
Von Neandertalern während der archäologischen Kultur "Châtelperronien" hergestellte Knochenartefakte aus der Grotte du Renne. | Copyright: Marian Vanhaeren, Francesco d'Errico und Michèle Julien
Hublins Team wählte 40 gut erhaltene Knochenproben aus der Grotte du Renne aus. Die meisten dieser Proben stammten aus Bereichen, die CP-Schmuck oder Überreste von Neandertalern enthielten. Manche hatten ihren Ursprung auch in den tiefer liegenden älteren archäologischen Schichten des Moustérien oder in den darüber liegenden jüngeren Schichten des Protoaurignacien. Darüber hinaus untersuchten die Forscher den Schienbeinknochen eines Neandertalers aus Saint Césaire. Aus den Knochenproben extrahierten sie Kollagen, einen organischen Bestandteil des Bindegewebes, dessen Alter sie mittels Isotopenmessungen bestimmen konnten. Ein Beschleuniger-Massenspektrometer lieferte den Wissenschaftlern präzise 14C-Daten.
Die umfangreiche Datierung der Knochen aus der Grotte du Renne zeige, dass sich die verschiedenen archäologischen Schichten in dieser Fundstätte nicht nennenswert vermischt haben. "Die Phase des Châtelperronien fand entsprechend der neuesten Datierungen vor 44.500 bis 41.000 Jahren statt. Das Neandertalerskelett aus Saint Césaire entspricht mit einem Alter von etwa 41.500 Jahren dem Ende dieser Zeitperiode. Dies bestätigt, dass Neandertaler sowohl die CP-Industrien in Zentralfrankreich als auch den Schmuck aus Arcy-sur-Cure geschaffen haben."
"Diese Datierungen sind aus einem weiteren Grund von Bedeutung: Moderne Menschen begannen vor etwa 50.000 Jahren die letzten europäischen Neandertaler zu verdrängen und hatten Südfrankreich und Deutschland bereits besiedelt, als die Neandertaler die CP-Objekte herstellten", sagt Hublin. "Aufgrund der Datierungsergebnisse gehen wir davon aus, dass Neandertaler komplexe Knochenwerkzeuge und Schmuck erst produzierten, nachdem moderne Menschen diese neuen Verhaltensweisen in Westeuropa eingeführt hatten. Sehr wahrscheinlich standen die beiden Menschengruppen vor mehr als 40.000 Jahren in kulturellem Austausch."
Von Neandertalern während der archäologischen Kultur "Châtelperronien" hergestellter Körperschmuck aus der Grotte du Renne. (Arcy-sur-Cure, Frankreich). | Copyright: Marian Vanhaeren und Michèle Julien
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 16.04.2013 15:09von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Marseille (Frankreich) - Anhand eines schon 1957 in Norditalien gefundenen Unterkiefers glauben Anthropologen nun, den ersten direkten Beweis für die erfolgreiche Vermischung zwischen Menschen und Neandertalern führen zu können.
Wie die Forscher um Silvana Condemi von der Aix-Marseille Université aktuell im Fachjournal "PLoS ONE" berichten, stammt der Unterkieferknochen von einer Person, die vor 40.000 bis 30.000 Jahren in Riparo di Mezzena in der Region Monti Lessini lebte.
Frühere Untersuchungen anhand von DNA-Analysen und Genom-Sequenzierungen konnten zwar bereits nachweisen, dass die DNA europäischer und asiatischer Menschen zwischen ein und vier Prozent Neandertaler-DNA beinhaltet (...wir berichteten), dennoch sind diese Ergebnisse bis heute Inhalt kontroverser Diskussionen rund um die Frage, ob sich Homo sapiens und Homo neanderthalensis erfolgreich vermischt haben
In ihrer Untersuchung des Fundes belegen die Forscher ihre Interpretation. "Anhand der Morphologie dieses Unterkiefers, glauben wir sagen zu können, dass diese Person sowohl physische Merkmale von Neandertalern mit einem deutlich fliehenden Kinn und modernen Menschen mit meist ausgeprägter Kinnpartie aufzeigte."
Die anhand des Fundes durchgeführte DNA-Analyse sowie der 3D-Abbildung und -Rekonstruktion verglichen die Wissenschaftler mit denen der gleichen Merkmale des Homo sapiens, also moderner Menschen.
Aus der Genanalyse geht hervor, dass die mitochondriale DNA die eines Neandertalers ist. Da diese "mDNA" nur von der Mutter an ihre Kinder weitergegeben wird, lässt sich aus diesem Umstand schlussfolgern, dass sich hier ein weiblicher Neandertaler mit einem männlichen Homo sapiens vermischt hatte.
Anhand von Funden aus Regionen, u.a. auch aus Riparo di Mezzena, in denen mehrere Tausend Jahre Neandertalern als auch modernen Menschen lebten, schlussfolgern die Forscher weiterhin, dass zwar offenbar eine sexuelle Vermischung der beiden Menschenarten stattgefunden hatte, dass aber zumindest die Neandertaler weiterhin fasst ausschließlich an ihrer eigenen Kultur festhielten.
Für die Forscher ist diese Beobachtung von besonderem Interesse, belege sie doch, dass sich die beiden Populationen zwar getroffen und hier und da sogar erfolgreich gepaart, sich jedoch nicht zu einer gemeinsamen neuen Gruppe vermischt hatten.
Der Kieferfund belegt für die Forscher sodann, dass es zu einer langsamen Verdrängung der Neandertaler kam, die durch die sich zusehends ausbreitenden modernen Menschen nach und nach ersetzt wurden. Vor diesem Hintergrund erläuterte Condemi gegenüber "discovery.com“, dass es sich bei dem Menschen, dessen Unterkiefer Inhalt der Untersuchungen war, wohl eher nicht um das Produkt einer „Liebesbeziehung“ zwischen Neandertalerin und modernem Menschen handelt. Vielmehr sei wahrscheinlich, dass die Neandertalerin - möglicherweise in Rahmen einer frühen Form von ethnischer Säuberung - von Homo sapiens vergewaltigt wurde.
http://www.plosone.org/article/info%3Ado...pone.0059781#s2
Ansichten der Fragmente des sog. Mezzen-Kiefers. | Copyright/Quelle: S. Condemi et al. / plosone.org
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 04.09.2013 20:10von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Leipzig (Deutschland) - In zwei benachbarten altsteinzeitlichen Ausgrabungsstätten im Südwesten Frankreichs haben Archäologen Neandertaler-Werkzeuge aus Knochen entdeckt, die sogenannten Lissoirs - also Schleifgeräten mit denen Leder weicher, glatter und wasserbeständiger gemacht werden kann - sehr ähnlich sind. Die Werkzeuge unterscheiden sich von allen zuvor in Neandertaler-Stätten gefundenen Geräten und stellen die ersten von einer Menschenart in Europa überhaupt hergestellten Spezialwerkzeuge dar.
Tatsächlich, so berichten die Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und von der Universität Leiden in den Niederlanden aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1302730110), werden noch heute, 50.000 Jahre nach den Neandertalern und der Ankunft der ersten anatomisch modernen Menschen in Europa, werden sogenannte Lissoirs zur Verarbeitung von Tierhäuten benutzt.
Vor dem Fund waren sich Forscher uneins in der Frage, welche kulturellen Fertigkeiten die Neandertaler schon besaßen, bevor sie auf den modernen Menschen trafen. ist noch immer umstritten: Während einige Forscher der Meinung sind, dass Neandertaler über kulturelle Fähigkeiten ähnlich denen des modernen Menschen verfügten, glauben andere, dass diese Ähnlichkeiten erst auftraten, nachdem moderne Menschen und Neandertaler einander begegnet waren. Vor etwa 40.000 Jahren hat der moderne Mensch den Neandertaler in Europa schließlich verdrängt.
"Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Knochenwerkzeuge aus Abri Peyrony und Pech-de-l’Azé I die besten Belege dafür, dass die Neandertaler selbst eine Technologie entwickelt hatten, die man bisher ausschließlich mit modernen Menschen in Verbindung brachte", erklärt Shannon McPherron vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Er und Michel Lenoir von der Universität Bordeaux haben Ausgrabungsarbeiten in Abri Peyrony durchgeführt, wo drei der Knochen gefunden wurden.
"Sollten Neandertaler diesen Knochenwerkzeugtyp selbst entwickelt haben, übernahmen moderne Menschen die Technologie möglicherweise von ihnen. Als sie Europa besiedelten, brachten moderne Menschen scheinbar nur spitze Knochenwerkzeuge mit, stellten aber wenig später Lissoirs her. Dies ist der erste Hinweis darauf, dass es möglicherweise zu einem 'kulturellen' Transfer zwischen Neandertalern und unseren direkten Vorfahren gekommen ist", sagt Marie Soressi von der Universität Leiden. Zusammen mit William Rendu vom CNRS fanden Soressi und ihr Team das erste von vier Knochenwerkzeugen während ihrer Ausgrabungsarbeiten in der klassischen Neandertalerfundstätte Pech-de-l’Azé I.
Die Forscher können jedoch nicht völlig ausschließen, dass der moderne Mensch früher in Europa eingetroffen sein könnte als bisher bekannt und so das Verhalten der Neandertaler beeinflusst hat. Um dieser Frage nachzugehen, müssen weitere Fundstätten in Zentraleuropa erschlossen werden, die besser konservierte Knochen enthalten.
Auch ist derzeit noch nicht bekannt, wie weit verbreitet diese neue Verhaltensweise der Lissoir-Herstellung bei den Neandertalern war. Bei den ersten drei Fundstücken handelte es sich um jeweils wenige Zentimeter lange Fragmente, die man kaum als Werkzeuge erkannt hätte. "Legt man aber diese kleinen Fragmente zusammen und vergleicht sie mit Funden aus jüngeren Ausgrabungsstätten, wird ein Muster deutlich", sagt McPherron. "Im vergangenen Sommer sind wir dann auf ein größeres, vollständigeres Werkzeug gestoßen, unverkennbar ein Lissoir, wie wir ihn in jüngeren Fundstätten des modernen Menschen oder sogar heutzutage in einer Lederwerkstatt finden."
Mikroverschleißanalysen an einem der Knochenwerkzeuge zeigen Spuren, die auf eine Anwendung des Werkzeugs auf ein weiches Material hindeutet, wie z.B. Tierhaut. Moderne Lederarbeiter nutzen ähnliche Werkzeuge noch heute. "Lissoirs wie diese eignen sich so gut zur Bearbeitung von Leder, dass ich 50.000 Jahre nachdem die Neandertaler sie herstellten, über das Internet von einer Website, die traditionelle Handwerkszeuge verkauft, ein fast baugleiches Exemplar bestellen konnte", sagt Soressi. "Dass sich das Werkzeug im Laufe der Zeit kaum verändert hat, zeigt, wie effizient es ist. Es könnte sich dabei um das einzige Erbe aus der Zeit der Neandertaler handeln, das unsere Gesellschaft heute noch nutzt."
Dies sind nicht die ersten von Neandertalern hergestellten Werkzeuge aus Knochen; die bisher bekannten ähnelten jedoch in ihrer Form eher Steinwerkzeugen und wurden auch mithilfe von Steinbearbeitungstechniken hergestellt. "Neandertaler stellten manchmal Schaber und sogar Faustkeile aus Knochen her. Sie nutzen Knochen auch als Hämmer, um ihre Steinwerkzeuge zu schärfen", sagt McPherron. "Hier aber haben wir ein Beispiel dafür, dass Neandertaler sich die Biegsamkeit und Flexibilität von Knochen zunutze machten, ihnen eine neue Form gaben und damit Arbeiten verrichteten, die sie mit Steinen nicht hätten ausführen können."
Rekonstruktion, wie die aus den Rippen von Rotwild hergestellten Lissoirs verwendet wurden, um Tierhäute geschmeidiger, glänzender und wasserbeständiger zu machen. Die natürliche Flexibilität der Rippen sorgt dabei für einen ständigen Druck auf die Tierhaut, ohne sie jedoch zu zerreißen. Im unteren Teil der Abbildung sieht man, wie der Abwärtsdruck schließlich zum Bruch führt, bei dem kleine Fragmente – ähnlich den drei gefundenen - entstehen. | Copyright: Abri Peyrony & Pech-de-l’Azé I Projects
Die Knochenwerkzeuge wurden in Ablagerungsschichten gefunden, die typische Neandertaler-Steinwerkzeuge sowie Knochen von gejagten Tieren wie Pferden, Rentieren, Rotwild und Bisons enthielten. Sowohl in Abri Peyrony als auch in Pech-de-l’Azé I gibt es keine Hinweise auf eine Nachnutzung der Stätte durch moderne Menschen, die die darunterliegenden Ebenen verunreinigt haben könnten. Beide Fundstätten beherbergten ausschließlich Neandertaler.
Die Datierung der verweist auf ein Alter von etwa 50.000 Jahren. Somit sind sie älter als die ersten Belege der Herstellung von Spezialwerkzeugen durch modernen Menschen in Westeuropa und viel älter als andere spezialisierte Technologien zur Herstellung von Werkzeugen aus Knochen.
Vier Ansichten des am vollständigsten erhaltenen Lissoirs, der bei Ausgrabungsarbeiten in der Neandertalerfundstätte Abri Peyroni entdeckt wurde. | Copyright: Abri Peyrony & Pech-de-l’Azé I Projects
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 02.12.2013 07:20von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Bonn (Deutschland) - Ein neu entdeckter Rezeptor, mit dem das Immunsystem erkennen kann, ob Eindringlinge gefährlich sind und beseitigt werden müssen, haben internationale Wissenschaftler bereits im Genom des Neandertalers entdeckt. Der Rezeptor, so vermuten die Forscher, ermöglichte diesem Urmenschen wahrscheinlich eine bessere Immunität und war damit ein klarer Selektionsvorteil.
Wie die Forscher um Prof. Dr. Norbert Koch vom Institut für Genetik, Abteilung Immunbiologie, an der Universität Bonn in der kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry" (DOI: 10.1074/jbc.M113.515767) berichten, muss das menschliche Immunsystem beim Angriff von Krankheitserregern auf den menschlichen Körper entscheiden, ob es sich um gefährliche Eindringlinge oder körpereigene Moleküle handelt.
Im Lauf der Evolution habe sich ein sehr effizientes System herausgebildet, das entfernt an die Methoden von Geheimdienstagenten erinnere, so die Pressemitteilung der Bonner Universität. Das humane Leukozytenantigen-System (HLA) bringt mit Hilfe bestimmter Gene Rezeptoren hervor, die die Gefährdungseinstufung der Krankheitserreger anhand deren Steckbrief von nur acht Aminosäuren vornehmen. "Diese Leistung lässt sich mit einem Text vergleichen, der von einem Spion anhand weniger Buchstaben eines Wortes als 'gefährlich' erkannt wird", erläutert Koch.
Um diesen geheimen unbekannten Text lesen zu können, zerlegt das Immunsystem die Eindringlinge in ihre Peptide und scannt dann einen Teil ihrer Aminosäureabfolgen. Insgesamt waren bislang drei verschiedene Peptid-Rezeptoren bekannt, die beim Menschen in mehr als 1000 verschiedenen Ausprägungen verräterische Buchstabenfolgen lesen können. "Diese Vielfalt ist erforderlich, damit das Immunsystem die gesamte Bandbreite der für den Menschen relevanten Krankheitserreger einstufen kann", erklärt Prof. Koch. Einen vierten Rezeptor als weiteren 'Spion' hat nun ein internationales Forscherteam der Universität Düsseldorf, der TU München, der Jacobs Universität Bremen und der Universität Cambridge unter Federführung der Immunbiologen der Universität Bonn gefunden.
Dieser Rezeptor mit dem Kurznamen "HLA-DRaDPa" besteht aus der Kombination von Untereinheiten bereits bekannter Rezeptoren. Die Wissenschaftler verglichen die Gensequenz, die den neu entdeckten Rezeptor kodiert, mit bestehenden Datenbanken und stellten fest, dass schätzungsweise zwei Drittel der Europäer über diese wichtige Struktur verfügen. Überraschend für die Wissenschaftler war jedoch, dass die für diesen Rezeptor erforderliche Gensequenz bei den Menschen im südlichen Afrika praktisch nicht vorkommt – obwohl dort doch die "Wiege der Menschheit" liegt. "Als der frühe Mensch als Vorfahr des heutigen Menschen Afrika verließ und vor einigen hunderttausend Jahren nach Europa einwanderte, verfügte er noch nicht über diesen Rezeptor“, so Koch.
Des Rätsels Lösung offenbarte sich dann jedoch bei der Analyse der Gensequenz des Neandertalers, die über die entscheidende Gensequenz verfügt und so den Bauplan für den Rezeptor enthält, wie sie mit der betreffenden Gensequenz bei heutigen Menschen fast identisch ist.
Der Neandertaler muss also im Gegensatz zu unseren Vorfahren aus Afrika bereits über diesen für das Immunsystem so wichtigen Rezeptor verfügt haben. "Die Neandertaler lebten wahrscheinlich viele Hunderttausend Jahre in Europa und konnten in dieser Zeit den HLA-Rezeptor entwickeln, der ihnen eine Immunität gegen viele Krankheitserreger verlieh - das war ein klarer Evolutionsvorteil", sagt der Immunbiologe der Universität Bonn. Der Wissenschaftler vermutet, dass wir moderne Menschen diesen vorteilhaften Rezeptor dem Neandertaler zu verdanken haben, als dieser sich mit dem anatomisch modernen Menschen vermischte.
grenzwissenschaft-aktuell.de
Quelle: uni-bonn.de
Rekonstruktion eines Neandertalers in modernem Outfit. | Copyright: Neanderthal Museum/H. Neumann, neanderthal.de
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 29.12.2013 14:03von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Leipzig (Deutschland) - Einem internationalen Forscherteam ist es erstmals gelungen, das Genom einer Neandertalerfrau in sehr hoher Qualität zu entziffern. Die Gensequenz gibt den Forschern damit erstmals detaillierte Einblicke in die Verwandtschaftsverhältnisse und Populationsgeschichte der Neandertaler und anderer bereits ausgestorbener Menschengruppen. "Die Ergebnisse zeigen, dass ein Genfluss zwischen diesen Gruppen durchaus üblich war, wenn auch in kleinem Umfang." Zusätzlich präsentieren die Forscher eine endgültige Liste von DNA-Sequenzänderungen, die alle heute lebenden Menschen von unseren nächsten ausgestorbenen Verwandten unterscheiden.
Schon 2006 initiierte Svante Pääbo, Direktor des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ein Projekt, das die Sequenzierung des Neandertaler-Genoms zum Ziel hatte. Im Rahmen dieses Projekts veröffentlichte er im Jahre 2010 eine vorläufige Version des Neandertaler-Genoms, die zeigte, dass die Neandertaler Gene an alle heute außerhalb Afrikas lebenden Menschen weitergegeben hatten. Neandertaler und moderner Mensch - so zeigte schon das damalige Ergebnis – hatten sich also erfolgreich vermischt
Ein weiteres Ergebnis des Projekts war die Entdeckung einer neuen bereits ausgestorbenen Menschengruppe, der Denisova-Menschen, die mit den Neandertalern verwandt waren und Gene an heute in Ozeanien lebende Menschen weitergegeben hatten (...wir berichteten).
Mit der Fertigstellung eines Neandertaler-Genoms in sehr hoher Qualität, hat das Projekt jetzt das einst gesteckte Ziel erreicht, indem jede Position im Genom im Schnitt 50 Mal sequenziert wurde. "Der eindeutige Teil des Genoms, der jetzt rekonstruiert wurde, ist qualitativ gleichwertig oder sogar besser als vorliegende Genome heute lebender Menschen", berichten die Forscher aktuell im Fachjournal "Nature" (DOI: 10.1038/nature12886).
Das Genmaterial für die DNA-Sequenzierung lieferte ein etwa 50.000 Jahre alter Zehenknochen einer Neandertalerfrau, der im Jahre 2010 von einem russischen Archäologenteam unter der Leitung von Anatoli Derevianko und Michael Shunkov von der Russischen Akademie der Wissenschaften in der Denisova-Höhle im Süden Sibiriens ausgegraben wurde. "Das qualitativ hochwertige Neandertalergenom verfeinert und erweitert unser Wissen über die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Neandertalern und heute lebenden Menschen sowie bereits ausgestorbenen Menschengruppen", so die Forscher in der Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft (mpg.de).
Aus diesem winzigen Zehenknochen eines Neandertalers aus der Denisova-Höhle stammt die nun entschlüsselte Erbinformation. | Copyright: MPI f. evolutionäre Anthropologie/ B. Viola
Die Wissenschaftler präzisieren, dass ein Anteil von etwa 1,5 bis 2,1 Prozent im Genom von heute außerhalb Afrikas lebenden Menschen vom Neandertaler stammt. Die neuen Daten zeigen darüber hinaus, dass etwa 0,2 Prozent im Genom heute lebender Festland-Asiaten und Amerikanischer Ureinwohner auf den Denisova-Menschen zurückzuführen sind.
Die hochwertigen Genomsequenzen von Neandertalern und Denisova-Menschen ermöglichen es den Forschern jetzt erstmals zu klären, ob es zu Kreuzungen zwischen diesen ausgestorbenen Gruppen gekommen ist.
Das Ergebnis: Neandertaler haben wenigstens 0,5 Prozent ihres Erbguts an die Denisova-Menschen weitergegeben. Darüber hinaus unterscheidet sich das Genom des Denisova-Menschen vom Neandertaler-Genom insofern, dass es zusätzlich etwa 2,7 bis 5,8 Prozent der DNA eines unbekannten Vertreters der Gattung Homo enthält. "Diese alte Population von Homininen existierte bereits zu einer Zeit, bevor sich Neandertaler, Denisova-Menschen und moderne Menschen voneinander getrennt hatten", sagt Kay Prüfer. "Es ist möglich, dass es sich bei diesem unbekannten Homininen um die als Homo erectus bezeichnete Menschenart handelt. Weitere Studien sind nötig, um dies zu bestätigen oder zu widerlegen."
Zudem entdeckten die Wissenschaftler, dass die Eltern der Neandertalerfrau aus dem Altai nah miteinander verwandt gewesen sein müssen. "Wir führten verschiedene Inzuchtszenarien am Computer durch und entdeckten, dass die Eltern dieser Neandertalerfrau entweder Halbgeschwister mütterlicherseits, Großcousin und Großcousine, Onkel und Nichte, Tante und Neffe, Großvater und Enkelin oder Großmutter und Enkelsohn gewesen sein müssen", sagt Montgomery Slatkin, ein Poulationsgenetiker der US-amerikanischen University of California at Berkeley, der einen Teil der Genomanalysen leitete. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Populationsgrößen der Neandertaler und Denisova-Menschen klein waren und Inzucht in Neandertalergruppen möglicherweise üblicher war als in modernen menschlichen Populationen.
Mithilfe des hochwertigen Neandertalergenoms hat das Forscherteam aus Leipzig jetzt auch einen endgültigen Katalog der Änderungen im Genom zusammengestellt, in denen sich heute lebende Menschen von Neandertalern, Denisova-Menschen und den Menschenaffen unterscheiden. "Diese Liste von DNA-Sequenzänderungen ist vergleichsweise kurz", sagt Svante Pääbo. "Es handelt sich dabei um einen Katalog genetischer Änderungen, die alle modernen Menschen von allen anderen lebenden und bereits ausgestorbenen Organismen unterscheiden. Ich glaube, dass unter allen Änderungen in diesem Katalog auch diejenigen versteckt sind, die für die enorme Expansion menschlicher Populationen sowie die Entwicklung menschlicher Kultur und Technologie in den letzten 100.000 Jahren verantwortlich sind."
Svante Pääbo mit Neandertalerschädel. | Copyright: Frank Vinken, mpg.de
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 07.09.2014 07:12von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Gibraltar - In der Gorham-Höhle auf Gibraltar haben Archäologen Felsritzungen und Gravuren entdeckt, die sie Neandertalern zuschreiben. Bislang glaubte man, dass erst der moderne Mensch dekorative Kunstwerke erschuf. Die Felsgravuren datieren die Forscher auf ein Alter von mehr als 39.000 Jahren und stützen damit die schon 2012 erstmals geäußerte Theorie, dass schon die Neandertaler Kunstwerke an Höhlenwänden hinterlassen haben.
Wie das internationale Team um Ruth Blasco und Clive Finlayson vom Gibraltar-Museum aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1411529111) berichtet, fanden sich die kreuzartigen Gravuren auf einer natürlichen Plattform in der zum Meer hin geöffneten Gorham-Höhle, die schon lange als einstige Behausung von Neandertalern bekannt ist.
Mit einem Alter von mehr als 39.000 Jahren stammen die Felsritzungen also aus einer Zeit, als der moderner Mensch (Homo sapiens) noch nicht auf Gibraltar angekommen war. Weitere Funde von Werkzeugen in der Deckschicht der Höhle ordnen die Forscher der "Moustérien-Kultur" der Neandertaler zu.
Der Eingang zur Gorham-Höhle auf Gibraltar. | Copyright: The Gibraltar Museum/ Clive Finlayson
Auch, dass die Gravuren unbeabsichtigt entstanden und somit keine weitere Bedeutung haben, schließen die Forscher aus, da Versuche mit dem Höhlen-Kalkstein und spitzen Steinen für die Fleischverarbeitung eine gänzlich andere Art von Rillen hinterließ als die gefundenen Gravuren. Es handele sich also wahrscheinlich vielmehr im weitesten Sinne um Dekor also um Gebrauchsspuren.
Um das vorgefundene Muster in Versuchen mit vorhandenen Materialien zu reproduzieren, benötigten die Forscher für die tiefsten Rillen mindestens 54 Schläge. Das Gesamtbild wurde erst mit 317 Schlägen erreicht - ein weiterer Grund, weshalb die Wissenschaftler von einem absichtlich in die Wand gebrachten Muster ausgehen. Somit scheinen Tiefe und Länge der Rillen auf ein zielgerichtetes Wirken des einstigen Neandertaler-Künstler hinzudeuten.
Während die meisten Anthropologen ausschließlich moderne Menschen als Schöpfer der ersten Höhlenmalereien und Gravuren sehen, zweifelte schon eine 2012 veröffentlichte Studie an dieser Vorstellung. Mit einer Neudatierung von Hand-Negativen und symbolischen Darstellungen in nordspanischen Bilderhöhlen auf ein Alter von mindestens 40.800 Jahren rückten die Forscher seither die Neandertaler als früheste Künstler überhaupt in den Blickpunkt
Kreuzförmige Felsritzungen in der Gorham-Höhle auf Gibraltar. |
Copyright: The Gibraltar Museum/ Clive Finlayson
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 14.10.2014 15:10von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Leipzig (Deutschland) - Eine, internationalen Anthropologenteam ist der Nachweis gelungen, dass der modernen Mensch den zentraleuropäischen Raum schon deutlich früher besiedelt hatte als bislang bekannt. Anhand von Werkzeugfunden datieren die Wissenschaftler die Anwesenheit früheste von Homo sapiens auf rund 43.500 Jahre. Eine Untersuchung des Bodens ergab, dass damals ein kühles Klima vorherrschte und in der steppenähnlichen Landschaft Nadelholzwälder entlang der Flusstäler wuchsen. Das Alter der Fundstücke belegt damit aber nicht nur, dass moderne Menschen Zentraleuropa früher besiedelten sondern auch, dass sie sich die Region über einen längeren Zeitraum hinweg mit den Neandertalern teilten als bisher angenommen.
Wie die Forscher um Philip Nigst von der University of Cambridge und vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und Bence Viola am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1412201111) berichten, haben sie Steinwerkzeuge untersucht, die sie während einer Neuausgrabung in der Fundstätte der sogenannten "Venus von Willendorf" in Österreich entdeckt hatten. Diese Werkzeuge konnten nun der archäologischen Kultur des Aurignacien zugeordnet werden, die generell als Indiz für die Präsenz moderner Menschen gilt.
"In Willendorf konnten wir das frühe Aurignacien auf ein Alter von 43.500 Jahren datieren, um einiges früher als anderswo. Darüber hinaus überschneidet sich das mit direkt datierten Überresten von Neandertalern“, erläutert Philip Nigst.
Über welche Fähigkeiten Neandertaler verfügen, wird noch immer heiß diskutiert. Während einige Forscher der Meinung sind, dass die kulturellen Fertigkeiten der Neandertaler denen der modernen Menschen ähnelten, bevor sie von diesen verdrängt wurden, denken andere, dass die Ähnlichkeiten erst dann auftraten, als Neandertaler mit modernen Menschen in Kontakt kamen. "Die neuen Daten aus Willendorf zeigen deutlich, dass moderne Menschen schon im heutigen Österreich lebten, als Teile Europas noch von Neandertalern besiedelt waren. Die beiden Arten trafen also möglicherweise aufeinander, und es kam zu einem Partner- und Ideenaustausch", so der Forscher Nigst. "Die Veränderungen der materiellen Kultur der letzten Neandertalergruppen stehen also sehr wahrscheinlich mit dem direkten oder indirekten Kontakt der Neandertaler mit modernen Menschen im Zusammenhang", fügt Jean-Jacques Hublin, Direktor der Abteilung für Humanevolution am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hinzu.
Besonders interessant sei, dass das Aurignacien in Willendorf in einer relativ kalten Klimaperiode auftritt, wie dies die Forscher anhand von Bodenanalysen aufzeigen konnten. "Diese frühesten (die aus den wärmeren Landschaften Südeuropas kamen) Siedler waren also bereits an verschiedene klimatische Bedingungen angepasst, für die sie verschiedene Überlebensstrategien benötigen“, sagt Nigst abschließend.
Archiv: Schädelvergleich zwischen modernem Menschen (l.) und Neandertaler. | Copyright: Foto/Bearbeitung: Matt Celeskey via Flickr/DrMikeBaxter via Wikimedia.org / CC-bySA 2.0
Dateianlage:
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 16.12.2014 20:31von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Knochenspitzen aus Mokriška jama, Slowenien. | Copyright: Foto: Tomaž Lauko, Slowenisches Nationalmuseum Ljubljana
Neuwied (Deutschland) - Dass sich Neandertaler und moderne Menschen zweitweise nicht nur einen weitflächigen Lebensraum teilten, sondern auch aufeinander trafen und sich sogar vermischten, gilt mittlerweile anhand von DNA-Analysen als gesichert. Wie sich das Nebeneinander beider Menschenarten jedoch genau gestaltete und wo sie sich trafen, bleibt indes eine kontrovers diskutierte Forschungsfrage. Zumindest Mitteleuropa war, das zeigt nun eine aktuelle Studie, jedoch nicht wie bislang vermutet, die Kontaktzonen der beiden Menschenarten.
Wie das internationale Team um Dr. Luc Moreau vom Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution (MONREPOS) am Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) - Forschungsinstitut für Archäologie aktuell im Fachmagazin "Journal of Human Evolution" (DOI: 10.1016/j.jhevol.2014.09.007) berichtet, haben sie untersucht, welchen Beitrag Neandertaler zur ältesten modernmenschlichen Kultur Europas, dem sogenannten "Aurignacien", geleistet haben.
Hierzu haben die Archäologen Knochenspitzen und Steingeräte von rund 30 bis 40.000 Jahre alter hochalpinen Fundstellen in Slowenien untersucht, gilt diese Zeit doch als eine der turbulentesten Phasen der frühen Menschheitsgeschichte in Eurasien: "Schlagartig tritt ein ganzes Paket kultureller Neuerungen mit Kunst, Musik und Bestattungen auf", erläutert die Pressemitteilung des RGZM und führt weiter aus: "Zeitgleich vollzieht sich ein umfassender demographischer Wandel: anatomisch moderne Menschen wandern vor über 43.000 Jahren nach Europa ein und die Neandertaler verschwinden. Fest steht, dass es ein zeitweises Nebeneinander beider Menschenarten gab. Denn genetisch sind wir noch heute ein stückweit Neandertaler."
Das südliche Mitteleuropa zwischen Balkan und Mittelmeer, nimmt als potentielle Einwanderungspassagen des anatomisch modernen Menschen eine Schlüsselposition für die Untersuchung des Aurignacien ein: Waffenspitzen aus Knochen, Geweih oder Elfenbein, ein wesentliches Merkmal des modernmenschlichen Innovationspakets, treten hier in Massen auf. "Dass bereits Neandertaler Waffenspitzen aus Knochen, Geweih oder Elfenbein hergestellt haben, möglicherweise in Folge einer Interaktion mit modernen Menschen, ließ sich nach Lage der archäologischen Befunde bislang nicht ausschließen. Deshalb nehmen die Knochenspitzen eine wichtige Stellung in der Forschungsdiskussion um die Entstehung von kultureller Modernität am Übergang zwischen Neandertalern und modernen Menschen ein. Es hat mich besonders gereizt, hierfür endlich eine solide Diskussionsbasis zu schaffen", so Dr. Luc Moreau.
In ihrer Studie haben die Forscher nun den Beginn des Aurignacien im südlichen Mitteleuropa erstmals auf ein verlässliches chronologisches Fundament gestellt. Die neuen Datierungen typischer Knochenspitzen, darunter auch solche mit gespaltener Basis, durch die 14C-Methode ergaben nun jedoch ein Alter um 32.000 Jahren. Das ist wesentlich jünger, als die letzten Neandertaler in dieser Region!
"Hier sind sich Neandertaler und moderne Menschen also offenbar nicht begegnet", so die Schlussfolgerung der Forscher. "Die modernmenschlichen Siedler wanderten in ein bereits über einige Tausend Jahre bevölkerungsleeres Gebiet ein."
Lage des Fundplatzes Potočka zijalka (s. roter Pfeil o.l.) in Slowenien im Hochgebirge (1630 m ü. HN). Der rote Pfeil deutet auf den Höhleneingang. | Copyright: Luc Moreau, MONREPOS
Auch die Ergebnisse der Untersuchungen der Steinwerkzeuge, die immer wieder als Hinweis auf eine kulturelle Kontinuität zwischen Neandertalern und anatomisch modernen Menschen angeführt werden, entziehen dieser Diskussion den Boden: "Die Steingeräte zeigen keinerlei neandertalertypische Kennzeichen, sondern spiegeln technologisch, logistisch und typologisch allein charakteristische modernmenschliche Verhaltensweisen des Aurignacien wider."
Die Befunde seien auch insofern bemerkenswert, als zwei der Fundplätze im alpinen Hochgebirge liegen. Fertige Waffen und 90 Prozent des Steinrohmaterials aus einem über 20 Kilometer und 500Höhenmeter entfernten Flusstal wurden eigens zu den 1600 Meter hoch gelegenen Jagdplätzen geschafft und hier offenbar sogar gehortet: allein in der Höhle "Potocka zijalka" wurden 125 Knochenspitzen gefunden. Diese Befunde belegen vorausschauendes Planen und eine ausgefeilte Logistik der Hochgebirgsjäger, die die Höhle immer wieder kurzzeitig aufgesucht haben. "Diese Art des Risikomanagements und die bis ins Detail geordnete Logistik sind typisch modernmenschliche Verhaltensweisen", so der Moreau abschließend.
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 06.03.2018 20:37von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Neudatierte Höhlenkunst legt nahe: Neandertaler dachten wie moderne Menschen:
Dieser Handabdruck (farbverstärkt) aus der Maltravieso-Höhle ist mehr als 66.000 Jahre alt und muss daher von Neandertalern stammen.
Copyright: H. Collado
Leipzig (Deutschland) – Eine Neudatierung von Höhlenmalereien und Schmuckobjekten aus verschiedenen Fundhöhlen in Spanien widerspricht bisherigen Zweifeln daran, dass diese nicht von modernen Menschen, sondern von Neandertalern geschaffen wurden. Bislang wurde den oft als primitiv abgestempelten Neandertalern diese Fähigkeit mithin sogar gänzlich abgesprochen. Der jetzt erbrachte Nachweis von früher Neandertaler-Kunst lässt zudem den Schluss zu, dass Neandertaler ähnlich dachten wie die frühen modernen Menschen.
“Schon vor wenigstens 70.000 Jahren hat der frühe moderne Mensch (Homo sapiens) durchbohrte Muschelschalen und Farbpigmente benutzt und vor etwa 40.000 Jahren in Europa mobile Kleinkunst, Schmuck und Höhlenkunst geschaffen”, berichtet das internationale Team um Dirk Hoffmann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aktuell im Fachjournal “Science” (DOI: 10.1126/science.aap7778). “Neandertaler hingegen schienen zu solchem Verhalten dagegen nicht in der Lage. Mithilfe der Uran-Thorium Datierung konnte nun aber nachgewiesen werden, dass Neandertaler schon vor über 115.000 Jahren symbolische Objekte hergestellt und mehr als 20.000 Jahre vor der Ankunft moderner Menschen in Europa Höhlenkunst geschaffen haben. Die geistigen Fähigkeiten der Neandertaler müssen unseren eigenen demnach ebenbürtig gewesen sein.”
Die symbolisch-materielle Kultur sei eine Sammlung kultureller und intellektueller Errungenschaften, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, und die bisher nur unserer eigenen Spezies Homo sapiens zuerkannt wurde, erläutert die Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft und führt dazu weiter aus: „Die Entstehung der symbolisch-materiellen Kultur ist eine fundamentale Schwelle im Laufe der menschlichen Evolution. Sie ist eine der tragenden Säulen dessen, was uns zum Menschen macht (…) Objekte, deren funktioneller Wert nicht so sehr in ihrer praktischen, sondern in ihrer symbolischen Verwendung liegt, repräsentieren fundamentale Aspekte menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Denkens, so wie wir sie heute kennen.”
Frühe symbolische Artefakte – wie mit Pigmenten eingefärbte Muscheln, die möglicherweise als Körperschmuck dienten – sind für die sogenannte Middle Stone Age in Nord- und Südafrika vor rund 70.000 Jahren dokumentiert und werden anatomisch und ihrem Verhalten nach modernen Menschen zugeordnet. Belege dafür dass auch in Europa Höhlenmalerei, plastische Figuren, verzierte Knochenwerkzeuge und Schmuck aus Knochen, Zahn, Elfenbein, Muschelkalk oder Stein hergestellt wurden, wurden bislang auf die sogenannte “Jungpaläolithische Revolution” vor etwa 40.000 Jahren zurückgführt und wurden damit bislang ausschließlich modernen Menschen zugesprochen, die sich nach ihrer Ankunft aus Afrika über ganz Europa verbreitet hatten.
Muschelschale mit Farbresten aus der Cueva de los Aviones. Sie ist zwischen 115.000 und 120.000 Jahre alt.
Copyright: J. Zilhão
Mehr noch als Körper- und Werkzeugornamentik sei die Höhlenkunst ein besonders eindrucksvolles Beispiel für symbolisches Verhalten und galt deshalb bisher ebenfalls als Alleinstellungsmerkmal des modernen Menschen. Ob auch Neandertaler diese Kunstwerke geschaffen haben könnten, war bislang höchst umstritten, fehlte doch die Möglichkeit einer genauen, direkten und für die Kunstwerke selbst unschädlichen Datierung.
Dank jüngster technischer Entwicklungen gelang es dem internationalen Wissenschaftlerteam nun mit Hilfe der Uran-Thorium (U-Th) Methode Karbonatkrusten auf den Farbpigmenten zu datieren und so zumindest ein Mindestalter für die Höhlenkunst ermitteln.
Hintergrund
Die U-Th Datierung basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uranisotopen in Thorium. Mithilfe dieser sehr genauen Datierungstechnik können Forscher das Alter von Kalkablagerungen – wie auf der hiesigen linken Abbildung anhand einer über dem leiterartigen Gemälde gewachsenen Kalzitkruste zu erkennen – bis zu einem Maximalalter von etwa 500.000 Jahren bestimmen. Damit reicht sie erheblich weiter zurück als die Radiokarbonmethode (C14).
Copyright: J. Zilhão
Mehr als 60 Karbonatproben von jeweils weniger als zehn Milligramm aus drei verschiedenen Höhlen in Spanien haben die Forscher in ihrer aktuellen Studie analysiert: La Pasiega im Nordosten, Maltravieso im Westen und Ardales im Süden Spaniens. Alle enthalten meist rote, manchmal auch schwarze Malereien, die Tiergruppen, Punkte, geometrische Zeichen sowie positive und negative Handabdrücke und auch Felsritzungen umfassen.
Höhlenmalerei in der Höhle La Pasiega (Sektion C). Das leiterartige Gemälde aus waagrechten und senkrechten Linien (Mitte links) ist über 64.000 Jahre alt.
Copyright: P. Saura
“Unsere Datierungsergebnisse zeigen, dass die Höhlenkunst an diesen drei Standorten in Spanien viel älter ist als bisher angenommen”, sagt Teammitglied Alistair Pike von der University of Southampton. “Mit einem Alter von mehr als 64.000 Jahren sind sie mindestens 20.000 Jahre älter als die frühesten Spuren des modernen Menschen in Europa. Die Höhlenkunst muss also von Neandertalern geschaffen worden sein.”
Diese frühe Höhlenkunst aus roten Farbpigmenten besteht aus Linien, Punkten, Scheiben und Handabdrücken. “Dafür mussten die Schöpfer dieser Kunstwerke zunächst eine Lichtquelle planen, Farbpigmente mischen und einen geeigneten Standort auswählen” erläutern die Forscher. “Neandertaler haben bedeutungsvolle Symbole an zentralen Orten ihres Lebensraumes geschaffen“, sagt Paul Pettitt von der University of Durham, ein weiteres Teammitglied und Spezialist für Höhlenkunst. In der Cueva Ardales, in der aktuell von einem deutsch-spanischen Team Ausgrabungen durchgeführt werden, belegen auch Bodenfunde die Anwesenheit von Neandertalern.
Auf der iberischen Halbinsel reichen Nachweise des symbolischen Verhaltens von Neandertalern damit sehr weit zurück: In einer zweiten Studie von Hoffmann und Kollegen haben die Forscher das Alter einer archäologischen Fundstätte innerhalb der Cueva de los Aviones, einer Küstenhöhle im Südosten Spaniens bestimmt, in der durchbohrte Muscheln, rote und gelbe Farbpigmente und Behälter mit komplexen Pigmentmischungen gefunden wurden.
Ebenfalls mit der U-Th-Datierung gelang es den Wissenschaftlern das Alter einer Sinterterrasse zu ermitteln, die die Ablagerung bedeckt und geschützt hat. Die Fundschicht, die teilweise unter dem Sint lag wurde auf diese Weise auf ein Alter von mindestens 115.000 Jahren datiert und sind damit sogar noch älter als ähnliche Funde aus Süd- und Nordafrika, die dem Homo sapiens zugeordnet wurden; mit dem Unterschied, dass zu jener Zeit in Westeuropa nur Neandertaler lebten.
“Unseren neuen Daten zufolge konnten auch Neandertaler symbolisch denken und waren kognitiv nicht vom modernen Menschen zu unterscheiden“, schlussfolgert João Zilhão, Forscher an der Catalan Institution for Research and Advanced Studies und der University of Barcelona, der an beiden Studien beteiligt war, abschließend. “Auf der Suche nach den Ursprüngen von Sprache und entwickeltem menschlichen Wahrnehmungs- und Denkvermögen müssen wir deshalb viel weiter in unsere Vergangenheit zurückblicken: mehr als eine halbe Million Jahre, auf den gemeinsamen Vorfahren von Neandertalern und modernen Menschen.”
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 16.05.2018 14:04von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Waren Neandertaler schon Seefahrer?
Washington (USA) – Lange Zeit galt die Vorstellung von gezielter Seefahrt vor mehr als 10.000 Jahren unter Archäologen als absurd. Eine stets wachsende Indizien- und Beweiskette legt mittlerweile aber nahe, dass nicht nur schon unsere frühen Vorfahren gezielt zur See fuhren, sondern auch schon die Neandertaler. Damit würde der Beginn der beabsichtigten Seefahrt um rund 120.000 Jahre vordatiert werden müssen.
Wie der Wissenschaftsjournalist Andrew Lawer aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.360.6387.362) berichtet, deuten jüngste Ausgrabungen auf Inseln im Mittelmeerraum auf seefahrende Neandertaler vor mindestens rund 130.000 Jahren hin.
Der sog. Einbaum von Pesse, ein mittelsteinzeitlicher Einbaum der als weltweit ältestes erhaltenes Boot gilt.
Copyright: MuseumDrenthe.nl / CC BY 3.0
Tatsächlich galt lange Zeit die Fähigkeit zum Bau und Betrieb von Booten als Errungenschaft, die erst mit dem Aufkommen von Landwirtschaft und Viehzucht einherging – und das bislang älteste Boot ist rund 10.000 Jahre alt und wurde in den Niederlanden gefunden (s. Abb. l.). Segel selbst wurden erstmals im Alten Ägypten, vor rund 4.500 Jahren, dargestellt und es gibt bislang keine archäologischen und historischen Belege für Seefahrt auf hoher See als jene vor mehr als 4.000 Jahren in Indien und Arabien.
Während hölzerne Artefakte wie Boote oder Paddel noch weiter zurückreichende Zeiten wohl kaum überstanden haben, erzählen zahlreiche Knochen- und Steinwerkzeugfunde eine immer deutlichere Geschichte.
Tatsächlich ist bereits bekannt, dass frühe Mitglieder der Menschenlinie – etwa der Homo erectus – schon vor mehr als einer Million Jahre wenige Kilometer Tiefengewässer in Indonesien überquert, und so die Inseln Flores und Sulawesi erreicht haben. Auch der moderne Mensch hat bereits vor rund 65.000 Jahren in Australien die See befahren. In allen diesen Fällen, vermuten Wissenschaftler bislang jedoch, dass besagte Seefahrer dies eher unfreiwillig getan hatten, etwa als Tsunamiopfer.
Die Funde, die seit einigen Jahren nun aber auf Mittelmeerinseln gemacht werden, sprechen hingegen mehr und mehr für eine gezielte und beabsichtigte Navigation – und das zu Zeiten, die durchaus zu einem Paradigmenwechsel in der Archäologie führen könnten.
Wie Lawer berichtet, wurden beispielsweise vor rund 10 Jahren in der Nähe des Ortes Plakias an der Südküste des heutigen Griechenlands Steinwerkzeuge in derar großer Anzahl gefunden, dass es sich wohl kaum um zufällig hier angespülte Artefakte zu handeln scheint. Die Steinwerkzeuge gleichen denen der Acheuléen und damit einer mehr als eine Million Jahre alten Frühmenschen-Kultur der Altsteinzeit, die durch die Existenz von Faustkeilen definiert wird. Selbige Steinwerkzeuge wurden aber auch noch bis vor rund 130.000 Jahren auch von Neandertalern hergestellt und verwendet.
Moustérien-Faustkeil aus dem Neandertal.
Copyright: Gemeinfrei
Solange diese Funde aber noch einzigartig waren, zeigte sich die archäologische Gemeinde noch mehr als kritisch und zurückhaltend, diese als Beweise für seefahrende Neandertaler anzuerkennen. Nachdem sich mittlerweile jedoch ähnliche Funde auch auf Mittelmeerinseln häufen, bröckelt der Wiederstand gegen dieses Szenario zusehends.
So fanden sich potentielle Neandertalerartefakte auch schon auf Inseln wie Stelida oder Naxos, das 250 Kilometer von Kreta entfernt in der Ägäis liegt und selbst während der Eiszeit, als der Meeresspiegel vor Ort noch deutlich niedriger lag als heute, vermutlich nur mittels Booten zu erreichen war: Ein griechisch-kanadisches Archäologenteam um Tristan Carter von der McMaster University hat vor Ort hunderte von Steinwerkzeugen gefunden. Die darunter befindlichen Faustkeile und Steinklingen gleichen dem Werkzeugarsenal der Moustérien-Kultur. Diese begann vor rund 120.000 Jahren und dauerte bis vor etwa 40.000 Jahren. In Europa wird das Moustérien mit der Kultur der Neandertaler assoziiert. Aber auch moderne Menschen nutzten diese Werkzeuge vor 200.000 bis 50.000 Jahren.
Während Datierungsarbeiten noch andauern, kommen – laut Lawer – immer mehr Archäologen zu dem Schluss, dass sowohl wir Menschen als auch die Neandertaler sehr viel früher gezielt in See stachen als bislang gedacht.
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 26.02.2021 17:16von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...bnisse20201211/
Neue Belege für Neandertaler-Begräbnisse:
Rekonstruktion der Nutzung des natürlichen Felsüberhangs La Ferrassie durch eine Neandertaler-Gemeinschaft (Illu.).
Copyright: Emmanuel Roudier
Paris (Frankreich) – Lange Zeit wurden Neandertaler gerne als grobschlächtige und tumbe „Höhlenmenschen“ abgetan. Seit einigen Jahren verändert sich jedoch unser Bild von Neandertalern, ihren Fähigkeiten und ihrer Kultur. Nun liegen neue Belege dafür vor, dass auch die Neandertaler ihre Toten beigesetzt haben – was wiederum weiter Schlussfolgerungen auch über ihr Weltbild, Gefühls- und Seelenleben erlaubt.
Während schon frühere Funde sogar auf eine Begräbniskultur der Neandertaler hingewiesen haben (…GreWi berichtete) gibt es weiterhin auch Kritiker dieser Theorie. Nun ist es einem interdisziplinären Forscherteam erstmals gelungen, eine ganze Reihe von Kriterien aufzuzeigen, die zeigen, dass das Skelett eines Neandertalerkindes, das vor rund 41.000 Jahren am Fundort Ferrassie in der Dordogne verstarb, vermutlich gezielt an Ort und Stelle beigesetzt wurde.
Wie das Team um Antoine Balzeau von der französischen Nationalen Forschungszentrum CNRS und dem Muséum National d’Histoire Naturelle aktuell im Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-020-77611-z) berichtet, beruht der bisherige Wissenschaftsstreit in der Frage, ob auch Neandertaler ihre Toten beigesetzt haben oder nicht, auf dem Umstand, dass die meisten der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten bekannten Neandertaler-Skelette nicht nach heutigen archäologischen Standards ausgegraben wurden und so wichtige Hinweise verloren gingen.
Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts sechs Neandertalerskelette am bekannten Neandertaler-Fundort von La Ferrassie, einem Felsüberhang (Abri) in der Dordonge, gefunden worden waren, machten Wissenschaftler zwischen 1970 und 1973 einen weiteren Fund: Ein zum Todeszeitpunkt vermutlich etwa zwei Jahre altes Kind. Das Besondere an dem Fund: Fast ein halbes Jahrhundert lang lagerte der Gesamtfund und die dazugehörigen Notizen nahezu unberührt im Archiv des Musée d’Archéologie Nationale und konnten so von den Forschern um Balzeau und seinem Kollegen Azier Gómez-Olivencia von der spanischen Universidad del País Vasco völlig neu analysiert werden.
Anhand dieser Neuauswertung können die Forscher nun sagen, dass das Kind ein in einer Sedimentschicht leicht gen Westen angewinkelt mit dem Kopf leicht erhöht begraben wurde. Da diese Ausrichtung und Anordnung jedoch der sonstigen stratografischen Ausrichtung der Richtung Nordosten geneigten Sedimente wiederspricht, und die Knochen auch gemäß ihrer natürlichen anatomischen Anordnung vorgefunden wurden, zudem sämtliche Knochen einen nahezu identischen guten Erhaltungszustand aufwiesen, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass der Leichnam relativ schnell nach seinem Tod begraben und nicht an Ort und Stelle längere Zeit der Natur ausgesetzt war. Tierknochen rund um den Fundort zeigen hingegen deutlich natürlichere Verteilungs- und Verwitterungsspuren auf.
„Alle diese Informationen zusammengenommen zeigen, dass der Körper dieses Neandertalerkindes absichtlich in einer aus dem Sediment ausgehobenen Grube abgelegt wurde“, so die Autoren der Studie abschließend. Weitere Analysen sollen nun untersuchen, ob es noch weitere Hinweise zur Chronologie und geografischen Verbreitung dieser Bestattungspraktik gibt.
Begräbnisse dieser Art und andere Funde, an denen den Toten offenbar sogar Grabbeigaben und Schmuck mitgegeben wurde, deuten demnach nicht nur auf die Praktik des Begrabens, sondern auch auf ein komplexes dies- und jenseitiges Weltbild und vermutlich sogar religiöse Vorstellungen hin.
Quelle: CNRS
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 26.02.2021 19:04von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...ingern20210217/
Neandertaler-Genvarianten in unserem Erbgut können Risiko für
schwere Covid-19 Verläufe sowohl erhöhen als auch verringern:
Symbolbild: Genvarianten, die wir vom Neandertaler geerbt haben, können unser Risiko, bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 schwer zu erkranken, sowohl erhöhen als auch verringern (Illu.).
Copyright/Quelle: Mattias Karlén / MPG
Leipzig (Deutschland) – Bereits im vergangenen Jahr entdeckten deutsche und schwedische Wissenschaftler, dass wir den wichtigsten genetischen Risikofaktor für einen schweren Verlauf der Krankheit Covid-19 vom Neandertaler geerbt haben. Jetzt zeigt sich aber, dass Neandertaler nicht nur schädliche, sondern auch schützende Varianten zu unserem Genom beigesteuert haben.
Wie Hugo Zeberg und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und dem schwedischen Karolinska Institutet aktuell im Fachjournal „PNAS“ (DOI: 10.1073/pnas.2026309118) berichten, sind es neben den bekannten Risikofaktoren wie Alter und Diabetes auch bestimmte Genvarianten, die Menschen mehr oder weniger empfänglich für einen schweren Verlauf von Covid-19 machen.
„Der wichtigste genetische Risikofaktor befindet sich im menschlichen Genom auf Chromosom 3 und erhöht das Risiko, künstlich beatmet werden zu müssen oder sogar zu sterben, dramatisch“, so die Forscher. Genau diese Genvariante haben modernen Menschen durch die Vermischung mit Neandertalern geerbt.
In ihrer aktuellen Untersuchung zeigen die beiden Forscher, dass die Neandertaler uns zusätzlich zu den schädlichen, auch schützende Varianten vererbt haben. Hierbei handele es sich um eine Region auf Chromosom 12, die das Risiko, bei einer Infektion schwer zu erkranken, um etwa 20 Prozent reduziert: „Die Gene in dieser Region werden OAS genannt und regulieren die Aktivität eines Enzyms, das virale Genome abbaut, und die Neandertaler-Variante des Enzyms scheint dabei effizienter zu sein. Das zeigt, dass unser Neandertaler-Erbe ein zweischneidiges Schwert ist. Es hat uns Varianten beschert, für die wir den Neandertalern gleichermaßen danken und sie verfluchen können.“
Wie die Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft weiter erläutert, zeige die Studie auch, dass die schützende Neandertalervariante sich seit der letzten Eiszeit immer weiter durchgesetzt hat, sodass nun etwa die Hälfte aller Menschen außerhalb Afrikas sie im Genom trägt. „Es ist auffällig, dass diese Neandertaler-Variante sich in vielen Teilen der Welt durchgesetzt hat. Sie war möglicherweise nicht nur in der aktuellen Pandemie nützlich, sondern auch bereits in der Vergangenheit“, so Pääbo. „Auffällig ist auch, dass zwei genetische Varianten, die wir vom Neandertaler geerbt haben, für den Verlauf von Covid-19 mit so gegensätzlichen Auswirkungen verbunden sind. Das Immunsystem der Neandertaler beeinflusst uns offensichtlich noch heute – sowohl positiv als auch negativ.“
Quelle: MPG
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 04.03.2021 18:29von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de...rechen20210302/
Neandertaler konnten menschliche Sprache hören und sprechen:
3D-Rekonstruktion der Innenohrstrukturen im Schädel moderner Menschen (l.) und des Neandertalers „Amud1“ (r.).
Copyright/Quelle: Mercedes Conde-Valverde / Binghamton University
Madrid (Spanien) – Um zu kommunizieren, bedarf es nicht nur der Fähigkeit zur Sprache, sondern auch dazu, die Sprache anderer zu verstehen und hören zu können. Ob Neandertaler, die uns modernen Menschen nächsten Verwandten, sprechen konnte, wird immer noch kontrovers diskutiert. Eine neue Analyse fossiler Schädelfunde zeigt nun, dass Neandertaler zumindest in der Lage waren, menschliche Sprache zu hören und vermutlich auch zu sprechen.
Im Fachjournal “Nature, Ecology & Evolution” (DOI: 10.1038/s41559-021-01391-6) berichtet das Team um Mercedes Conde-Valverde von der Universidad de Alcalá und Rolf Quam von der Binghamton University, wird die Frage, ob die menschliche Form der Kommunikation, die gesprochenen Sprache, einst auch anderen Menschenarten und im speziellen unseren nächsten Verwandten, den Neandertalern, möglich und zu eigen war.
Noch bei den meisten Primaten, selbst bei Schimpansen sowie bei verschiedenen frühen Menschenvorfahren wie etwa dem Australopithecus africanus waren die Innenohren noch nicht derart geformt, dass diese die Frequenzbandbreite der menschlichen Sprache besonders gut auflösen konnten. Selbst die Ohren des nun ebenfalls analysierten Homo heidelbergensis, einer Menschenart aus der mittleren Altsteinzeit, waren noch ähnlich ungeeignet zum Hören von Sprache.
Anhand von CT-Scans erstellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und 3D-Modelle der Innenohrstrukturen verschiedener Neandertaler-Schädel, fossiler Schädel des Homo heidelbergsens aus der Höhle Sima de los Huesos und frühgeschichtlicher Menschen-Schädel. Mit den Modellen konnten die Forschenden dann simulieren, bis zu welchen Frequenzen die Arten hören konnten und stellten fest, dass Neandertaler – im Gegensatz zu ihren Vorfahren – bis zu 5 kHz und damit deutlich innerhalb der Bandbreite der menschlichen Sprache hören konnten. Die Analysen zeigen sogar, dass Neandertaler innerhalb der Bandbreite der menschlichen Sprache von 3,5-5 kHz besonders gut hörten.
Rekonstruktion der Hörmuster moderner Menschen (Homo sapiens) von Neandertalern und Homo heidelbergensis (Sima de los Huesos) auf der Grundlage der Innenohr-Anatomie. Deutlich zu erkennen ist die Ähnlichkeit zwischen Menschen und Neandertalern im Vergleich zu den Funden aus Sima de los Huesos.
Copyright/Quelle: Mercedes Conde-Valverde / Binghamton University
Auf diese Weise können die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun zeigen, dass beide Menschenarten zumindest anatomisch in der Lage waren, einander akustisch unmittelbar zu verstehen. (Anm. GreWi: Dieser Aspekt wird bei der Untersuchung möglicher Kontakt- und Kommunikationsszenarien mit einer außerirdischen Intelligenz oft übersehen). „Das Vorhandensein ähnlicher Hörfähigkeiten, besonders der ähnlichen Frequenzbandbreite, zeigt, dass Neandertaler über ein Kommunikationssystem verfügten, das genau so komplex und effizient war wie die menschliche Sprache.
Ein weiteres interessantes Ergebnis der aktuellen Analyse sei zudem die Erkenntnis, dass einhergehend mit der Frequenzbandbreite die mögliche Neandertaler-Sprache vermutlich aus deutlich mehr Konsonanten basierte als unsere modernen Sprachen: „Die meisten früheren Studien der Fähigkeit der Neandertaler für Sprache konzentrierten sich auch deren Fähigkeit, die auch heute noch im Englischen am meisten genutzten Vokale zu produzieren“, erläutert Quam und führt dazu weiter aus: „Wir glauben aber, dass dieser Fokus nicht zwangsläufig angebracht ist, da die Verwendung von Konsonanten sogar einen Weg darstellt, mehr Informationen in vokale Signale einzubetten. Zudem unterscheidet die Nutzung von Konsonanten die menschliche Ausdrucksweise von nahezu allen anderen Primaten.“
Gemeinsam mit der bereits zuvor aufgezeigten Fähigkeit der Neandertaler, Menschensprache-ähnliche Töne und Laute zu erzeugen, deute die nun nachgewiesene Fähigkeit, die menschliche Sprache auch gehört haben zu können auch auf im Vergleich zu den ebenfalls untersuchten Vorfahren veränderte und komplexe Verhaltensmuster der Neandertaler hin, wie es sich in der Nutzung von Steinwerkzeugen, von Feuer und vermutlich ritueller Praktiken (…GreWi berichtete) aufzeigt.
Damit liefert die Studie auch starke Belege für eine gemeinsame Co-Evolution zunehmend komplexerer Verhaltensweisen und effizienter werdender vokaler Kommunikationsformen der beiden Menschenarten im Laufe der menschlichen Evolution hin.
Quelle: Binghamton University, Universidad de Alcalá
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 30.11.2022 03:05von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Vermischung zwischen modernen Menschen und Neandertalern war eher Regel als Ausnahme:
Der in der Bacho-Kiro-Höhle zusammen mit den ersten Steinwerkzeugen aus dem Jungpaläolithikum gefundene unterer Backenzahn. Die Analyse des Erbguts dieses Individuums deutet darauf hin, dass er einen Neandertal-Vorfahren hatte.
Copyright: MPI-EVA/ Rosen Spasov
Leipzig (Deutschland) – Eine neuen Analyse des Erbguts der frühesten „modernen“ Europäer wirft ein neues Licht auf deren Beziehungen zu den Neandertalern. Wie sich zeigt war die bereits bekannte Vermischung der beiden Menschenarten eher die Regel als die Ausnahme war.
Wie das internationale Forscherteam um Dr. Mateja Hajdinjak vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-021-03335-3) berichtet, haben sie die Genome der ältesten sicher datierten modernen Menschen in Europa sequenziert, die vor rund 45.000 Jahren in der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien lebten und deren Überreste im vergangenen Jahr entdeckt wurden. Die nun sequenzierten Genome stammen von fünf Individuen aus der Höhle. Vier Individuen sind zwischen 43.000-46.000 Jahre alt und wurden zusammen mit Steinwerkzeugen gefunden, die zum frühen Jungpaläolithikum gehören – der frühesten Kultur, die mit modernen Menschen in Eurasien in Verbindung gebracht wird. Ein weiteres in der Höhle gefundenes Individuum ist etwa 35.000 Jahre alt und wurde mit Steinwerkzeugen eines späteren Typs gefunden.
Durch den Vergleich ihrer Genome mit den Genomen von Menschen, die später in Europa und in Asien lebten, können die Forschenden nun zeigen, dass diese frühe Menschengruppe in Europa Gene zu späteren Menschen, insbesondere zu den heutigen Ostasiaten, beigetragen hat. Vor den aktuellen Erkenntnissen war man davon ausgegangen, dass die Vertreter des anfänglichen Jungpaläolithikums ausstarben, ohne genetisch zu den später eintreffenden modernen Menschen beizutragen.
Die Genetiker konnten auch große Abschnitte von Neandertaler-DNA in den Genomen der Menschen aus der Bacho-Kiro-Höhle identifizierten. Dieser Umstand zeige, „dass sie Neandertaler-Vorfahren innerhalb der ungefähren zurückliegenden fünf bis sieben Generationen in ihrer Familiengeschichte hatten“, erläutert die Pressemittelung des Max-Planck-Instituts. „Dies deutet darauf hin, dass eine Vermischung mit Neandertalern eher die Regel als die Ausnahme war, als die ersten modernen Menschen in Europa ankamen.“
Überraschenderweise findet sich dieser genetische Beitrag vor allem in Ostasien und Amerika und nicht in Europa, wo die Menschen aus der Bacho-Kiro-Höhle lebten: „Diese genetischen Verbindungen nach Asien spiegeln die Verbindungen zwischen den anfänglichen jungpaläolithischen Steinwerkzeugen und den persönlichen Schmuckstücken, die in der Bacho-Kiro-Höhle gefunden wurden, und den Werkzeugen und dem antiken Schmuck, die in ganz Eurasien bis zur Mongolei gefunden wurden, wider.“
Wichtig hierbei ist, dass das spätere 35.000 Jahre alte Individuum, das auch in der Bacho-Kiro-Höhle gefunden wurde, zu einer Gruppe gehörte, die sich genetisch von den früheren Bewohnern der Höhle unterschied: „Dies zeigt, dass die früheste Geschichte des modernen Menschen in Europa turbulent gewesen sein könnte und Bevölkerungsaustausch beinhaltete.“ Die frühesten Menschen in der Bacho-Kiro-Höhle lebten hingegen zu einer Zeit, als es noch Neandertaler gab.
Ein Scan nach Genomen von Neandertaler-DNA zeigte dann, dass die Individuen aus der Bacho-Kiro-Höhle einen höheren Anteil an Neandertaler-Abstammung hatten als fast alle anderen frühen Menschen, mit Ausnahme eines rund 40.000 Jahre alten Individuums aus Rumänien. „Entscheidend ist, dass der größte Teil dieser Neandertaler-DNA in extrem langen Abschnitten vorliegt. Das zeigt, dass diese Individuen Neandertaler-Vorfahren hatten, die etwa fünf bis sieben Generationen zurück in ihren Stammbäumen liegen“, erläutert Mateja Hajdinjak.
Obwohl bisher nur eine Handvoll Genome von modernen Menschen, die zur gleichen Zeit in Eurasien lebten wie die letzten Neandertaler, geborgen wurden, haben fast alle diese Individuen einen kürzlich vor ihnen lebenden Neandertaler-Vorfahren. „Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die ersten modernen Menschen, die in Eurasien ankamen, häufig mit Neandertalern vermischt haben. Sie könnten sogar in den ansässigen Neandertaler-Populationen aufgegangen sein. Erst später kamen größere moderne Menschengruppen an und verdrängten die Neandertaler“, sagt abschließend Prof. Svante Pääbo, der die genetischen Untersuchungen koordinierte.
Quelle: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie
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RE: Neandertaler:
in Mythologie & Weltgeschichte 30.11.2022 05:00von Adamon • Nexar | 15.551 Beiträge
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Verzierter Knochen zeigt Neandertaler als Künstler:
Ein von Neandertalern verzierter Riesenhirschknochen aus der Einhornhöhle.
Copyright/Quelle: V. Minkus, NLD
Hannover (Deutschland) – Geometrische Verzierungen auf einem 50.000 Jahre alter Knochen stützen erneut die Vorstellung vom Neandertaler als Künstler, lange bevor der moderne Mensch in Europa sesshaft wurde.
Seit der Entdeckung erster Fossilienreste im 19. Jahrhundert hat der Neandertaler des Ruf eines primitiven Vormenschen. Dass er in der Lage war, effektiv Werkzeuge und Waffen herzustellen, ist lange nachgewiesen. Ob er aber auch Verzierungen, Schmuck oder gar Kunst anfertigen konnte, ist unter Forschenden immer noch umstritten.
Wie das Forschungsteam unter Leitung Dr. Dirk Leder vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) und Kollegen der Universität Göttingen aktuell im Fachjournal „Nature Ecology and Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-021-01487-z) berichten, haben sie einen Neufund aus der Einhornhöhle im Harz analysiert und kommen zu einem spannenden Ergebnis: „Der Neandertaler, unser genetisch nächster Verwandter, hatte bereits erstaunliche kognitive Fähigkeiten.“
Die Forscherinnen und Forscher haben in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft Unicornu fossile e. V. seit 2019 neue Ausgrabungen an der Einhornhöhle im Harz durchgeführt. Erstmals gelang es so, im verstürzten Eingangsbereich der Höhle gut erhaltene Kulturschichten aus der Zeit des Neandertalers zu erschließen. Unter den erhaltenen Jagdbeuteresten hat sich ein unscheinbarer Fußknochen als Sensation herausgestellt, der auf ein Alter von über 51.000 Jahren datiert werden konnte: Nach der Entfernung des anhaftenden Erdreichs zeigte der Knochen ein winkelartiges Muster aus sechs Kerben. „Wir erkannten rasch, dass es sich nicht um Schlachtspuren, sondern eindeutig um eine Verzierung handeln muss“, erläutert Leder.
Weitere Experimente mit heutigen Fußknochen von Rindern zeigten dann, dass der Knochen wohl zunächst gekocht werden musste, um das entdeckte Muster anschließend mit Steingeräten in etwa 1,5 Stunden in die aufgeweichte Knochenoberfläche zu schnitzen. Der nun entdeckte kleine Fußknochen stammte von einem Riesenhirsch (Megaloceros giganteus) „Es dürfte kein Zufall sein, dass der Neandertaler den Knochen eines eindrucksvollen Tieres mit riesigen Geweihschaufeln für seine Schnitzerei ausgewählt hat“, sagt Prof. Dr. Antje Schwalb von der Technischen Universität Braunschweig, die an dem Projekt beteiligt ist.
Bisherige Schmuckobjekte aus der Zeit der letzten Neandertaler, die in Frankreich gefunden und auf ein Alter von rund 40.000 Jahre datiert wurden, galten unter Wissenschaftlern und Wissenschaftler als umstritten und werden von einigen als Nachahmungen angesehen, da sich zu dieser Zeit bereits der moderne Mensch in Teilen Europas ausgebreitet hatte. Aus etwa zeitgleichen Höhlenfundstellen des modernen Menschen auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg sind Schmuckobjekte und kleine Elfenbeinskulpturen überliefert.
„Das hohe Alter des Neufundes aus der Einhornhöhle zeigt nun, dass der Neandertaler bereits Jahrtausende vor der Ankunft des modernen Menschen in Europa in der Lage war, Muster auf Knochen selbstständig herzustellen und wohl auch mit Symbolen zu kommunizieren“, sagt der Projektleiter Prof. Dr. Thomas Terberger vom NLD und vom Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen. „Dies spricht für eine eigenständige Entwicklung der kreativen Schaffenskraft des Neandertalers. Der Knochen von der Einhornhöhle repräsentiert somit das älteste verzierte Objekt Niedersachsens und einen der bedeutendsten Funde aus der Zeit des Neandertalers in Mitteleuropa.“
Recherchequelle: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege
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